Weg von Rollenbildern

„Wir sollten uns auf weibliche Stärken besinnen“

Vorarlberg
21.04.2021 09:55

Die gebürtige Vorarlbergerin Sabine Haag (59) ist Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums in Wien. Sie möchte Frauen dazu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen.

Unser Umfeld und die vorherrschenden Lebensmodelle prägen uns von Geburt an. Sabine Haag hatte diesbezüglich Glück: Wenngleich in Vorarlberg aufgewachsen, wurde sie von ihren Eltern immer darin bestärkt, in die Welt hinauszugehen und ihrem Herzen zu folgen. „Ich bin meinen Eltern heute noch dankbar dafür.“

Denn in den 1980er-Jahren war es keineswegs üblich, dass ein junges Mädchen studieren geht oder - wie in Haags Fall - gar ein Auslandsjahr in Amerika absolviert. „Damals war die Gesellschaft großteils noch sehr konservativ geprägt. Junge Frauen waren mit einem klassischen Rollenbild behaftet. Man fragte sich etwa, ob sich eine lange und teure Ausbildung für ein Mädchen überhaupt lohnt, da sie ja ohnedies ihr Leben lang Hausfrau und Mutter sein wird.“

Aufgrund der Coronakrise werden Frauen wieder vermehrt in die klassischen Rollenbilder gedrängt. (Bild: ©Kzenon - stock.adobe.com)
Aufgrund der Coronakrise werden Frauen wieder vermehrt in die klassischen Rollenbilder gedrängt.

Selbstbestimmtes Lebensmodell
Für Haag waren diese Rollenbilder zwar durchaus präsent, aber nie eine Option. Was aber nicht heißt, dass sie ihr selbstbestimmtes Lebensmodell nicht infrage gestellt hätte: Zwar war es immer ihr Wunsch, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, dennoch gab es ab und an Momente des Haderns: „Nur weil nach Außen hin alles gut zu funktionieren scheint, ist das Leben nicht automatisch ohne Herausforderungen. Manchmal wird einem alles zu viel, aber das ist ganz normal.“

Chancen ergreifen
Mit der Emanzipation seien auch die Erwartungen an Frauen gewachsen, bestätigt Amazone-Geschäftsführerin Angelika Atzinger, die sich seit Jahren sehr intensiv mit dem Thema Gleichberechtigung auseinandersetzt. Die Ansprüche an Frauen sind gestiegen, nicht aber die Einkommen. Und hat ein Arbeitgeber bei einer Beförderung die Wahl zwischen einem Mann und einer Frau, kommt größtenteils ersterer zum Zug.

Sabine Haag hatte beruflich das Glück, seit jeher gefördert worden zu sein - auch von Männern. „Im Bereich Kunst und Kultur gab es auch früher schon viele Möglichkeiten für Frauen. Ich persönlich habe die Chancen, die sich mir geboten haben, ergriffen. Aber gleichzeitig war mir immer klar, dass einem nichts geschenkt wird.“

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Wir Frauen sind oft viel zu selbstkritisch. Männer sind ganz anders gestrickt - sie nehmen eine Herausforderung für den nächsten Karriereschritt oft ohne zu zögern an.

Sabine Haag

Frauen stärken und ermutigen
Als damals der große Karriereschritt zur Generaldirektorin anstand, leuchtete sogar in Sabine Haags Hinterkopf ein kleines Warnsignal mit der Botschaft „Schaffe ich das?“ auf: „Wir Frauen sind oft viel zu selbstkritisch. Männer sind ganz anders gestrickt - sie nehmen eine Herausforderung für den nächsten Karriereschritt oft ohne zu zögern an.“ Umso wichtiger sei es, das Selbstbewusstsein von Frauen zu stärken und sie zu ermutigen, ihre Talente auszuleben und für sich einzustehen. „Wir sollten es nicht des Erfolges willen den Männern gleichtun, sondern uns auf unsere eigenen weiblichen Stärken besinnen.“

Keine Quotenfrau
Die 59-Jährige möchte ihre Position als Museumsdirektorin ein Stück weit auch dazu nutzen, junge Frauen an die Hand zu nehmen: „Ich kann als Frau, die schon lange mit beiden Beinen im Berufsleben steht, mit Rat und Tat zur Seite stehen.“ Parallel dazu sorgt sie sich darum, dass ihre weiblichen Angestellten gute Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und privaten Verpflichtungen vorfinden - etwa mittels flexibler Arbeitszeitmodelle.
Wenn es um Frauen in Führungspositionen geht, ist schnell von der Quote die Rede. Haag ist diesbezüglich zwiegespalten: „Niemand ist gerne eine Quotenfrau. Es sollte die Zeit kommen, in welcher das Geschlecht nicht mehr relevant ist. Aber ich fürchte, da sind wir noch nicht ganz angelangt.“

Angelika Atzinger leitet den Verein „Amazone“ in Bregenz. (Bild: zvg/Amazone)
Angelika Atzinger leitet den Verein „Amazone“ in Bregenz.

Experten-Interview:
Angelika Atzinger leitet den Verein Amazone, der sich der Etablierung von Geschlechtergerechtigkeit verschrieben hat.

„Krone“: Haben sich die klassischen Rollenbilder im Laufe der Jahre überhaupt verändert?
Angelika Atzinger: Ich denke schon, dass die Rollenbilder im Laufe der Zeit erweitert werden konnten, und das ist grundsätzlich gut. Das zeigt sich für Mädchen und Frauen aber auch daran, dass die Ansprüche an sie größer geworden sind, etwa wenn es darum geht, Karriere und Familie zu vereinbaren. Insgesamt sind unsere Rollenvorstellungen aber nach wie vor sehr traditionell geprägt.

In welchen Bereichen gibt es die gravierendsten Unterschiede?
Große Unterschiede gibt es am Arbeitsmarkt und wenn es um die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit geht. Care-Arbeit wird nach wie vor stark Frauen zugeschrieben. Auch in der Politik und in Leitungsfunktionen sind Frauen vollkommen unterrepräsentiert.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?
In sehr vielen Bereichen! Neben den genannten wäre es gerade jetzt besonders wichtig, Armut zu bekämpfen und dieser vorzubeugen - und gefährdet sind eben besonders Frauen.

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