Stress, Einsamkeit und Isolation - diese Themen sind in der Corona-Krise ganz akut geworden und sind nicht nur eine Belastung für die Psyche. Sie machen auch etwas mit unserem Gehirn. Dr. Livia Tomova hat in Wien promoviert und erforscht jetzt an der Universität Cambridge, wie Einsamkeit und soziale Isolation im Gehirn sichtbar werden. Sie hat ihre Erkenntnisse im krone.tv-Studio mit Damita Pressl besprochen.
„Aus der Einsamkeitsforschung wissen wir, dass es Auswirkungen auf die Gesundheit hat, wenn Menschen sich über längere Zeit einsam fühlen - bis hin zu einer erhöhten Sterblichkeit“, erklärt Tomova. Das zeigt sich auch im Gehirn: genauer gesagt im Mittelhirn, ein Teil des Hirnstamms, und eines der entwicklungsgeschichtlich ältesten Teile des Hirns. Es kontrolliert sehr grundlegende Funktionen unseres Körpers, etwa die Motorik oder die Schmerzempfindung. Und: auf den Entzug sozialer Kontakte reagiert es ähnlich, wie auf Nahrungsentzug - das hat Tomovas Forschung gezeigt: „Wenn Menschen nicht viel Kontakt haben, reagiert das Hirn sehr ähnlich, wie, wenn man nichts isst“, fasst sie zusammen. Das Bedürfnis nach sozialem Austausch ist also ähnlich grundlegend wie das Bedürfnis nach Nahrung.
Allerdings nicht bei allen - manche Menschen tun sich mit dem Alleinsein leichter: „Es gibt sehr starke individuelle Unterschiede, wie Menschen darauf reagieren. Einsamkeit ist nicht gleichzusetzen mit dem objektiven Zustand des Alleinseins. Menschen können sich auch sehr gut fühlen, während sie allein sind, und überhaupt nicht einsam werden, können aber auch einsam werden, wenn sie von anderen umgeben sind. Einsamkeit bedeutet das subjektive Gefühl, dass man nicht genug sozialen Kontakt hat. Das ist sehr unterschiedlich ausgeprägt“, erklärt Tomova. Je stärker jemand selbst angibt, unter der Isolation zu leiden, desto stärker reagiert auch das Gehirn.
Besonders schädlich sei die Isolation im Jugendalter, denn da beeinflusst sie möglicherweise sogar die Gehirnentwicklung, so Tomova: diese könne dann „anders stattfinden oder beeinträchtigt werden.“ Denn: „Sehr viele höhere kognitive Funktionen entwickeln sich erst relativ spät. Unsere Gehirnentwicklung ist erst mit etwa 25 abgeschlossen. Und viele wichtige Hirnregionen entwickeln sich in der Interaktion mit anderen.“
Eine Möglichkeit, dies zu kompensieren, könnten virtuelle Interaktionen sein, sagt Tomova. Hierzu forsche sie gerade. Denn bekannt sei, dass das passive Durchscrollen auf Social Media, oder gar der ständige Vergleich mit dem kuratierten Leben anderer, eher einen negativen Effekt auf die Psyche hat. Aber: „Wenn man soziale Medien auf aktive Art nutzt - man sieht sich also nicht nur Bilder an, sondern redet mit Leuten und tauscht sich aus - dann kann einem das das Gefühl geben, verbundener mit anderen zu sein“, so Tomova.
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