Kollegen entsetzt

Kritik an Corona-Videos von Proll, Düringer & Co.

Adabei
23.04.2021 10:25

Rund 50 prominente Schauspieler sorgen in Deutschland - und Österreich - mit einer groß angelegten Internetaktion unter dem Motto #allesdichtmachen für Aufsehen. Künstler wie Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller, Heike Makatsch und Jan Josef Liefers sowie auch „Vorstadtweib“ Nina Proll, die Kabarettisten Manuel Rubey und Roland Düringer und Schauspieler Nicholas Ofczarek verbreiteten am Donnerstag bei Instagram und auf YouTube gleichzeitig ironisch-satirische Clips mit persönlichen Statements zur Coronapolitik der Regierung. Andere Schauspielkollegen reagierten entsetzt.

Wie die Aktion koordiniert wurde, war zunächst nicht bekannt. Die Hashtags #allesdichtmachen, #niewiederaufmachen und #lockdownfürimmer wurden am Abend binnen kurzer Zeit zu den am meisten verwendeten bei Twitter in Deutschland.

Stars kritisieren mit viel Ironie Corona-Politik
„Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz“, fordert etwa Tukur die Bundesregierung auf. „Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte.“ Und er fügt hinzu: „Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage.“

Proll, Rubey, Ofczarek und Düringer ebenfalls mit einem Clip dabei
Auch „Vorstadtweiber“-Star Nina Proll engagierte sich für die Aktion. Sie habe früher gedacht, „ich könnte frei und selbstbestimmt Karriere machen, doch das war naiv“, erklärt sie in ihrem Clip. Denn „die Pandemie hat mir gezeigt, wo mein Platz ist“, etwa dass „Sicherheit Freiheit ist“ und „Gesunde auch krank sein können“. „Und nicht nur Frauen sind zu dumm, um zu wissen, was gut für sie ist. Auch Männer brauchen eine starke Hand, die ihnen freitags sagt, was sie montags machen dürfen.“ Wir in Österreich hätten „Gott sei Dank so jemanden“. Ihr Video schließt Proll mit den Worten: „Das Leben kann tödlich sein, bleiben Sie für immer zu Hause.“

Manuel Rubey meldete sich hingegen mit einem „wirklich wichtigen Appell“ in einem Clip zu Wort. „Ich bin dafür, die Theater, die Museen, die Kinos, die Kabarettbühnen überhaupt nie wieder aufzusperren.“ Ebenfalls mit einem Video zu Wort meldeten sich Ex-„Jedermann“ Nicholas Ofczarek sowie Kabarettist Roland Düringer. 

Rubey: „Eigenen Shitstorm verschlafen“
Freitagfrüh dann das böse Erwachen: „Wenn man seinen eigenen Shitstorm verschlafen hat“, reagierte Rubey auf den Schwall an Kritik. Er sei von einer von ihm geschätzten Person gefragt worden und habe einen Beitrag „zur Bedeutung der Kunst“ gemacht, zu dem er nach wie vor stehe. Er wolle jedenfalls „nicht mal einen Millimeter in die Nähe von irgendwelchen Covid-Leugnern und -Leugnerinnen kommen“. Die Krankheit sei „höchst gefährlich, aber darum ging es mir keine Sekunde“. Er werde sich jetzt aus der Debatte rausnehmen.

Heftige Ablehnung von vielen Kollegen
In den sozialen Medien stieß die Aktion teilweise auf begeisterte Zustimmung, aber vor allem bei Prominenten auch auf sehr heftige Ablehnung. „Die Schauspieler*innen von #allesdichtmachen können sich ihre Ironie gerne mal tief ins Beatmungsgerät schieben“, twitterte Moderator Tobias Schlegl, der auch Notfallsanitäter ist. Schauspieler Marcus Mittermeier kommentierte: „Niemand hat mich gefragt, ob ich bei #allesdichtmachen mitmachen will. Gott sei Dank!“ Der Pianist Igor Levit twitterte: Die stumpfste Waffe gegen die Pandemie sei „schlechter, bornierter Schrumpfsarkasmus, der letztendlich bloß fader Zynismus ist, der niemandem hilft. Nur spaltet.“

„Eklige Ironie“
Medienjournalist Stefan Niggemeier vom Onlinemagazin „uebermedien.de“ schrieb von „ekliger Ironie“ und einem „Dammbruch“, der zugleich der „größte Erfolg der Querdenkerszene bisher“ sei. Der Grünen-EU-Abgeordnete Erik Marquardt kritisierte, er finde die Aktion schlecht und „sehe sie als Ausdruck einer zunehmenden Resignation von eigentlich Vernünftigen“.

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Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.

Elyas M'Barek

Weitere prominente Schauspieler mischten sich via Instagram in die Diskussion ein. Elyas M‘Barek schrieb: „Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.“ Jeder wolle zur Normalität zurückkehren, und das werde auch passieren. Hans-Jochen Wagner nannte die Aktion peinlich. Er verstehe sie nicht, schrieb der Schauspieler, der an Liefers gerichtet fragte: „Das kann doch nicht Dein Ernst sein.“ Christian Ulmen fühlte sich sogar an den rechten Verschwörungserzähler Ken Jebsen erinnert: Dieser „hätte es nicht schöner sagen können“. Nora Tschirner warf den Machern der Clips Handeln aus Langeweile und Zynismus vor.

Satiriker Jan Böhmermann hielt der Aktion bei Twitter entgegen, das einzige Video, das man sich ansehen solle, „wenn man Probleme mit Corona-Eindämmungsmaßnahmen hat“, sei die ARD-Doku aus der Berliner Charité mit den Titel „Station 43 - Sterben“. Dazu stellte er den Hashtag #allenichtganzdicht und einen weinenden Smiley.

„Das ist intelligenter Protest“
Beifall gab es dagegen vom früheren Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, der die Aktion auf Twitter „großartig“ nannte. Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit sprach von einem „Meisterwerk“, das „uns sehr nachdenklich machen“ sollte. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Joana Cotar twitterte: „Das ist intelligenter Protest.“ Sie feiere Jan Josef Liefers.

Die deutsche Kunst- und Kulturszene leidet seit mehr als einem Jahr schwer unter den Corona-Maßnahmen. Laut dem Bundesverband Schauspiel (BFFS) etwa haben viele der Schauspielerinnen und Schauspieler in Deutschland seit März 2020 kaum Einkommen. Dem Verband zufolge leben zwei Drittel bis drei Viertel aller Schauspielerinnen und Schauspieler von Gastverpflichtungen an Theatern, die aktuell nicht oder kaum arbeiten können. In Deutschland gibt es insgesamt etwa 15.000 bis 20.000 Schauspieler.

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(Bild: kmm)



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