Das vergangene Jahr hat Unternehmern viel abverlangt: behördliche Schließungen, finanzielle Hilfen, die nur zum Teil ankommen, und dazu die permanente Ungewissheit. Drei Fallbeispiele:
Anton Schimmlers Terminkalender ist gut gefüllt - wieder. Vor einem Jahr sah die Situation freilich anders aus: Auch er musste seine Praxis für Neurofeedback - eine spezielle Form des Biofeedbacks, bei dem Gehirnstromkurven in Echtzeit analysiert, nach ihren Frequenzanteilen zerlegt und auf dem Bildschirm dargestellt werden - schließen: „Durch den Lockdown ging es von im Schnitt über 100 Terminen im Monat auf null“, erinnert sich Schimmler. Als er im Mai wieder öffnete, kamen gerade einmal fünf Klienten pro Woche. Viele waren damals in Kurzarbeit und konnten sich ein Neurofeedback, das nur selten von der Krankenkasse bezahlt wird, nicht leisten. Zuweisungen von Ärzten gab es ebenfalls nicht, weil auch deren Praxen leer blieben. Nach zwei Monaten beschloss Schimmler, über den Sommer erneut zuzumachen, um Energie zu tanken und neue Motivation zu finden.
Angst und Stress
Letztere hat er im Spätsommer wiedergefunden. Zum Glück. Denn wie sich zeigt, werden seine Dienste mehr denn je benötigt: Gut zwei Drittel seiner Klienten werden mittlerweile von Neurologen und Psychologen zugewiesen. Die Menschen leiden unter anderem an Angst- und Belastungsstörungen, Polyneuropathie (Schädigungen peripherer Nerven, etwa an Armen und Beinen), Burn-out-Symptomen, chronischen Schmerzen und Beschwerden mit psychosomatischen Ursachen. Betroffen sind nicht nur Erwachsene: „Ich habe Achtjährige mit Verdacht auf klinische Depression, Siebenjährige, die komplett gestresst sind und mir voller Angst sagen, dass sie ihren Opa nicht besuchen dürfen, weil sie ihn umbringen könnten“, erzählt Schimmler kopfschüttelnd. Dass er in gewisser Weise von der Krise profitiere, könne er für sich nur damit rechtfertigen, dass er den Menschen helfe.
Über Wasser gehalten habe ich mich einzig mit Gipsbauchabformungen für Schwangere. Im Sommer konnte ich zwar mein Atelier wieder aufsperren, aber Events fanden trotzdem keine statt
Petra Knafl
Über Wasser halten
Auch Make-up Artist Petra Knafl musste vor einem Jahr ihr Atelier schließen. Brautstylings wurden keine benötigt, da so gut wie alle Hochzeiten abgeblasen wurden. Veranstaltungen, bei denen die Feldkircherin ansonsten Kinderschminken und Airbrush-Tattoos anbietet, finden seit über einem Jahr ebenfalls nicht mehr statt. „Über Wasser gehalten habe ich mich einzig mit Gipsbauchabformungen für Schwangere. Im Sommer konnte ich zwar mein Atelier wieder aufsperren, aber Events fanden trotzdem keine statt“, so Knafl, deren Reserven inzwischen so gut wie aufgebraucht sind. Natürlich hat sie um finanzielle Hilfen aus den Corona-Hilfspaketen angesucht. Geld erhalten hat sie bis dato aus dem Härtefallfonds der Wirtschaftskammer, dazu kamen nach Unterstützungsleistungen aus dem Fixkostenzuschuss I sowie Umsatzersätze für die Monate November und Dezember. Ebenfalls beantragt hat Knafl den „Fixkostenzuschuss 800.000“ und den Ausfallbonus - eine Rückmeldung der bearbeitenden Behörde, also der COFAG, steht allerdings noch aus.
Positive Erfahrungen mit Corona-Hilfen
Der Personal- und Unternehmensberater Thomas Bayer aus Au hat indes positive Erfahrungen mit den Corona-Hilfen gemacht. „Sofern die Anträge korrekt gestellt und alle Unterlagen mitgeschickt wurden, haben Kurzarbeit, AWS-Investitionsprämie sowie AWS-Überbrückungsfinanzierung gut funktioniert. Auch die Genehmigung der Fixkostenzuschüsse war innerhalb weniger Tage erledigt“, sagt der Bregenzerwälder, der die Förderungen für sich und einige Kunden beantragt hat. Bei ihm sind im März 2020 ebenfalls etliche Mandate über Nacht „on hold“ gegangen. Mit viel Einsatz und neuen Ideen konnte er aber neue Kunden gewinnen. Zudem war er wirtschaftlich abgesichert, da er bereits im Oktober 2019 bei einem Betrieb aus der Region interimistisch eine leitende Funktion angenommen hatte: „Dieses fixe Einkommen hat mir insbesondere in den ersten Monate der Pandemie sehr geholfen.“
Auf Weiterbildung setzen
Wie sich die Situation weiter entwickeln wird, bleibt offen. Manche Unternehmer sind zurückhaltend, andere bleiben positiv. Petra Knafl etwa hat den Kopf nie in den Sand gesteckt und die Zeit für Weiterbildungen genutzt - wie auch Anton Schimmler, der jedoch betont: „Eine ‘gmahte Wiesn’ ist es noch lange nicht.“
„Krone“-Kommentar:
„Koste es, was es wolle“ - mit diesen Worten unterstrich Bundeskanzler Sebastian Kurz im März 2020 das Vorhaben, die heimische Wirtschaft mit öffentlichen Mitteln gut durch die Krise bringen zu wollen. Niemand konnte damals absehen, dass wir uns ein Jahr später immer noch im Krisenmodus befinden würden. Zwischenzeitlich wurde Hilfspaket um Hilfspaket geschnürt, der österreichische Staat hat das Jahr 2020 mit einem Rekorddefizit von 33,2 Milliarden Euro abgeschlossen. „Koste es, was es wolle“, lässt sich allerdings leicht sagen, wenn man die Kosten nicht selbst tragen muss. Dass der Kanzler und seine Regierungskollegen selbstverständlich auch in den Steuertopf einzahlen, macht die Sache nicht besser. Wie hoch die zusätzliche Steuerlast schlussendlich ausfallen wird, mit der das Loch gestopft werden soll, ist zwar noch nicht absehbar, doch Fakt ist: Sie nimmt mit jedem Tag, den diese Krise andauert, noch unvorstellbarere Ausmaße an.
Die Staatsverschuldung ist das eine Problem. Ein noch größeres sind die durch die Lockdowns entstandenen Kollateralschäden. Von diesen sind weitaus mehr Menschen betroffen als es Corona-Infizierte gibt - unzählige Menschen kämpfen mit existenziellen Nöten, anderen schlägt die Dauerkrise auf die Psyche. „Koste es, was es wolle“, mag ein gut gemeinter Satz gewesen sein. Aber leisten können wir uns das schon lange nicht mehr - selbst wenn wir es wollten.
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