Geboren am 20. April 2021, gestorben zwei Tage später. So kurz war die Lebensdauer einer europäischen „Super League“ der größten und reichsten Fußballklubs. Nach Drohungen der UEFA und Fanprotesten sprangen fast alle Gründervereine aus England, Italien und Spanien ab. Der Jubel, dass damit der echte Fußball gerettet wurde, ist trotzdem unberechtigt. Eine Analyse von Peter Filzmaier.
1. Ja, dürfens denn des? Man sollte immer zuerst überlegen, was rechtlich erlaubt ist. Es kann niemand in EU-ropa Sportvereinen untersagen, sich für einen Wettbewerb zusammenzutun. Jedes Verbot würde da Grundrechte verletzen, egal, ob es um hobbymäßiges Pfitschigogerl als Tischfußball im Wirtshaus oder eine milliardenschwere Superliga geht.
2. Die Schlüsselfrage lautet, ob UEFA und FIFA als Europa- und Weltverband im Gegenzug alle beteiligten Spieler - also Cristiano Ronaldo & Co. - von der EM und WM ausschließen kann. Dürfen die Superlisten zudem weiterhin an nationalen Meisterschaften teilnehmen? Nach den Artikeln 50 und 51 über „verbotene Beziehungen“ des Statuts der UEFA wäre die Superliga nicht zulässig und Ausschlüsse möglich. Doch damit sichert sich die UEFA eine Monopolstellung, die in einer freien Wirtschaftsordnung nicht sein darf.
3. Die Statuten der UEFA widersprechen wahrscheinlich dem Recht auf Wettbewerb. David Alaba könnte, wenn er zum Superligisten Real Madrid wechselt, wohl nicht für eine EM gesperrt werden. Die UEFA darf ihn nicht zwingen, entweder im Nationalteam seinen Beruf nicht auszuüben oder für seinen spanischen Arbeitgeber nicht zu arbeiten. Mit anderen Worten: Die Idee einer Superliga ist erlaubt, obwohl wir das mehrheitlich schlecht finden.
4. Die moralische Empörung der UEFA ist scheinheilig. Im Europacup der Meister spielte einst naturgemäß ein Verein pro Land. Mittlerweile hat die UEFA die Champions League geschaffen, damit ähnlich der Superliga die Reichen noch reicher werden. Deshalb sind vier deutsche, englische, italienische und spanische Vereine dabei, obwohl drei davon keine Meistermannschaften sind. Es gibt Gruppenspiele für mehr Einnahmen. Vorgesehen sind quasi Freikarten als Teilnahmegarantie für Großklubs, wenn sich diese sich mal nicht qualifizieren.
5. Ebenso fragwürdig ist, dass die fußballerische Superliga scheiterte, weil sich führende Politiker wie der britische Premierminister Boris Johnson und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron dagegen aussprachen. In England drohte die Politik, wie in Deutschland eine „50+1-Regel“ einzuführen. Diese bedeutet im Umkehrschluss, dass ausländische Investoren nicht mehr als 49,99 Prozent eines Fußballvereins besitzen dürfen. Damit wäre das Geschäftsmodell der arabischen Scheichs, denen Manchester City gehört, oder des Milliardärs Malcolm Glazer - er besitzt Manchester United - geplatzt.
6. Solche Eigentumsverhältnisse kann man falsch finden. Wenn Johnson das aber so sehr tut, dass er sie gesetzlich verhindern will, hätte er vor vielen Jahren draufkommen müssen. Fällt Politikern das erst nach Fanprotesten auf, stehen sie unter Populismusverdacht. Auch Macron wäre glaubwürdiger, hätte er viel früher Kritik geäußert, dass Dauermeister Paris Saint Germain - seit 2013 war „PSG“ immer vorne - von den Machthabern in Qatar finanziert und gelenkt wird. Dort werden bekanntlich Menschenrechte mit Füssen getreten.
7. Zugegeben ist es in unserer Gesellschaft vom Straßenverkehr bis zu den Steuerzahlungen so, dass die Politik Entscheidungen trifft, die unser Zusammenleben regeln. Das gilt auch für das Erlauben oder Verbieten von Vereins- und Unternehmensstrukturen. Doch selbst, wenn wir die Superliga für schlecht halten und allen beteiligten Vereinen schlechtes wünschen - ist es wirklich Aufgabe der Politik, sich beim Fußball so sehr einzumischen?
8. Das bessere Argument gegen die Superliga ist, dass die Fans dagegen sind. Es ist nun einmal so, dass zum Charme des Fußballs Dinge gehören, die es in der Champions League nur ansatzweise gibt und in einer Super League gar nicht geben würde. Zum Beispiel, dass Düdelingen aus Luxemburg die reichen Salzburger schlägt. So sehr das 2012 in Österreich weh tat, wir Fans lieben David gegen Goliath. Gleich wichtig sind Spiele mit langer Geschichte, auch wenn einer der beteiligten Vereine nicht zum erlesenen Kreis der Superligisten zählt. Die Bayern gegen einen unserer „Ösi-Klubs“, das hat was!
9. Umso unverständlicher ist, dass die Möchtegern-Superligisten erst nachdachten, als sie den Gegenwind der öffentlichen Meinung spürten. So kam man beim hoch verschuldeten FC Barcelona - hier muss ich eingestehen, als Fan befangen zu sein - erst nach übler Geheimpolitik für die Superliga als Geldbeschaffungsaktion auf einen Gedanken: Warum nicht die Mitglieder eines Vereins abstimmen lassen, ob sie eine Superliga wollen? So hätte man diese gründen können. Oder eben bei mehr Gegenstimmen den Plan verwerfen.
Peter Filzmaier, Kronen Zeitung
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.