Wie Anthony Hopkins in „The Father“ einen in die Demenz abgleitenden alten Herrn spielt, ist überragend! Der Dramatiker Florian Zeller hat dafür sein gleichnamiges Bühnenstück für das Kino adaptiert.
Anthony wird kauzig. Vergesslich. Kultiviert Ticks und kaschiert erste Anzeichen von Verwirrung mit dem Charme eines alten Herrn, der trotzig auf seiner Eigenständigkeit beharrt und die Bedenken seiner Tochter eloquent abschmettert. Doch schon bald wird er darum kämpfen, den Überblick zu behalten. Über sein Leben. Sein Denken. Anthonys Realitäten verschieben sich, und seine Verunsicherung überträgt sich schmerzhaft auf uns, die wir ihm dabei zusehen.
Wie ein Ertrinkender, der um sich schlägt, kämpft hier der große Mime Anthony Hopkins gegen den in seinem Bewusstsein wabernden Dunst der Demenz – diesen Honig im Kopf –, und er hadert mit seiner geistigen Entlaubung, wenn Worte wie fallende Blätter in dumpfes Vergessen sinken.
Mit der Darstellung eines betagten an Demenz erkrankten Herrn in „The Father“ adelt Hopkins seine an großartigen Darbietungen reiche Schauspielerlaufbahn aufs Neue. Und das Oscar-reif! Raffiniert manipuliert uns der französische Dramatiker und Regisseur Florian Zeller mit zeitlichen Ellipsen, seltsamen Doppeldeutigkeiten und dem Verwirrspiel um Personen, sodass wir selbst ins Schwimmen geraten.
Interview mit „The Father“-Regisseur Florian Zeller:
„Krone“: Herr Prof. Zeller, Ihr Film „The Father“ hebt sich von thematisch ähnlich gelagerten Filmen stark ab. Wir sind nicht nur Beobachter eines menschlichen Dramas, wir werden regelrecht involviert.
Florian Zeller: Demenz zu visualisieren ist nicht einfach. Mein Zugang dazu ist, den Blick des verwirrten Geistes auf seine Umwelt erfühlbar zu machen. Gerade weil sich der Film diese subjektive Sicht zu eigen macht, wird das irritierende Verhalten Anthonys nachvollziehbar.
Haben Sie Erfahrungen dieser Art in Ihrem persönlichen Umfeld gemacht?
Ja, aber jeder geistige Niedergang ist anders. Da gibt es kein Schema.
Sie rücken auch die Auswirkungen einer Demenzerkrankung auf Angehörige in den Fokus. Warum?
Jedes Bemühen um einen Menschen, der einem entgleitet, ist ein extrem fordernder Prozess. Olivia Colman transportiert diese Verzweiflung als Tochter auf sehr subtile und berührende Weise.
Wie haben Sie Anthony Hopkins diesen ursprünglich für das Theater konzipierten Part nahegebracht?
Gar nicht. Hopkins weiß instinktiv, wie er eine Rolle anzulegen hat. Sein Credo ist ja: Ich muss kein Mörder sein, um einen Mörder zu spielen. Ich habe ihn einmal gefragt, wie er sich das Vergessen vorstellt. Und er meinte: als Kopfgewitter.
Als Dramatiker verzichten Sie hier auf Pathos und Sentimentalität. Warum erschüttert uns Sir Anthonys Verlorenheit dennoch so sehr?
Vielleicht weil seine Geschichte so alltäglich ist, so allgegenwärtig in unseren Tagen.
Mit seiner kannibalischen Abgründigkeit in „Das Schweigen der Lämmer“ hat sich Anthony Hopkins für immer in unser aller Gedächtnis gebrannt. Wird ihm das auch, vielleicht sogar erneut Oscar-prämiert, mit Ihrem Film „The Father“ gelingen?
On verra - man wird sehen. Anthony Hopkins ist ein Schauspielergigant, der sich für eine Rolle alles abverlangt. In „The Father“ wird er zum Gesicht des Vergessens.
Christina Krisch, Kronen Zeitung
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