Eine Forschungsarbeit zu einer Idee eines Teams um den österreichischen Genetiker Josef Penninger, bei der man dem Erreger SARS-CoV-2 mittels sogenannten Lektinen den Schlüssel für menschliche Zellen „verkleben“ möchte, hat zu neuen Videoaufnahmen des Spike-Proteins (auch S-Protein) des Coronavirus geführt. Linzer Biophysiker können nun mit dem ersten kurzen Film jener aktiven Struktur aufwarten, die das Virus zum Eintritt in die Zellen nutzt. Dabei präsentiert sich das S-Protein überraschend agil.
Lektine sind Proteine, die sich wiederum an die Zuckermolekülstruktur von Antigenen, wie dem Spike-Protein, binden können, erklärt Peter Hinterdorfer vom Institut für Biophysik der Universität Linz im Gespräch mit der APA. Die Idee des Oberösterreichers Penninger besteht darin, diese Eigenschaft für die Entwicklung eines Medikaments gegen Covid-19 zu nutzen.
Der Ansatz ist dabei ähnlich, wie bei dem in fortgeschrittener klinischer Erprobung befindlichen Medikament-Kandidaten mit dem Namen APN01. Dabei handelt es sich um ein biotechnologisch hergestelltes menschliches Angiotensin Converting Enzym 2 (rhACE2), das sich ebenfalls an das Spike-Protein bindet. Wird dieses von dem Medikament besetzt, versperrt sich das Tor in die Zelle, wie Penninger es vielfach ausgedrückt hat.
Lektine verhindern Bindung des Virus an Zellen
In Bezug auf die Lektine ginge das nach vergleichbarem Prinzip vonstatten: Diese besetzen direkt am Spike-Protein (im Bild unten rot) neuralgische Stellen und stören so die Bindung des Erregers an die Zellen. „Die Tür wird also dann blockiert, weil der Schlüssel verklebt wird“, so Hinterdorfer.
Die Forscher haben mehr als 140 verschiedene Lektine hergestellt und dann durchforstet, welche sich besonders als Klebstoff eignen könnten. „Wir hatten das Gefühl, dass sich mithilfe der Lektine völlig unbekannte Interaktionspartner zu dem Spike-Protein finden lassen“, so David Hoffmann, Doktorand in Pennigers Labor und einer der Erstautoren der Studie.
„Womöglich die Achillessehne des Virus“
Und tatsächlich wurde man fündig. Vor allem die beiden Strukturen mit den Bezeichnungen Clec4g und CD209c entpuppten sich als vielversprechend. „Das Virus verwendet eine Hülle aus Zuckermolekülen, um sich vor dem Immunsystem zu verstecken“, so Penninger. „Mit diesen beiden Lektinen haben wir erstmals die Möglichkeit, das Virus über dessen Zuckerhülle zu binden und zu neutralisieren. Die Stellen, an denen das SARS-CoV-2-S-Protein mit den Zuckermolekülen modifiziert wird, sind hoch-konserviert und finden sich in allen derzeit zirkulierenden Mutationen des Covid-19-Erregers wieder. Womöglich ist das die Achillesferse des Virus.“
„Wir haben aber diese Bindung auch gefilmt“, sagte Hinterdorfer. Das an der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien isolierte und von Florian Krammer (Icahn School of Medicine at Mount Sinai, USA) entwickelte Spike-Protein haben die Wissenschafter in einer Lösung an eine Oberfläche geheftet und die Abläufe filmisch festgehalten. „Spektakulär am Video ist, dass man die Dynamik des Spike-Proteins sieht“, so der Forscher zu dem am Montag veröffentlichten Video. Hier liege der große Unterschied zu vielen bekannten statischen Elektronenmikroskopie-Aufnahmen.
Forscher von Dynamik des S-Proteins überrascht
Die Beweglichkeit überraschte auch die Forscher, da das quasi dreiseitige S-Protein auf den Bildern immer „relativ geschlossen“ aussieht, wie es Hinterdorfer ausdrückte: „Wir haben aber gesehen, dass es an den Oberflächen eigentlich aufmacht und die drei Arme dynamisch sind.“ Die Lektine wiederum konnten sich in biologischen Maßstäben zudem recht lange an der Struktur anlagern.
Diese Einblicke würden den Schluss nahelegen, dass ein Medikament auf Lektin-Basis eine gute Alternative oder Ergänzung etwa zu rhACE2 darstellen könnte. Die Kunst liege darin, genau jene Proteine zu finden, die möglichst nur auf das Spike-Protein des Erregers SARS-CoV-2 fliegen.
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