Kritik an Merkel-Plan
Hitzige Debatte: Geimpfte „freier“ als Getestete?
Der „Grüne Pass“ und die damit verbundenen Freiheiten für Geimpfte und Genesene sind derzeit in aller Munde. Während die österreichische Bundesregierung hier eine besonders aktive Rolle spielt und für das Dokument in Form einer Smartphone-App bzw. in gedruckter Form europaweit wirbt, gibt es in der deutschen Regierung offenbar keine einheitliche Linie. Denn an der Frage, ob negativ Getestete mit Geimpften gleichgestellt werden sollen, scheiden sich die Geister. Bundeskanzlerin Angela Merkel stößt in den eigenen Reihen auf zunehmenden Widerstand.
Eine einheitliche Linie vor dem „Impfgipfel“ am Montag mit den Bundesländern konnte offenbar in den Reihen der Unionsparteien nicht gefunden werden. Denn die Kanzlerin will volle Freiheiten lediglich für Geimpfte und Genesene garantieren. Vor allem der Wirtschaftsflügel der Unionsparteien fordert aber, dass zwischen Immunisierten und Getesteten nicht unterschieden wird. Merkel wiederum argumentiert auf Basis eines Berichts des Robert-Koch-Instituts, in dem die Gefahr einer Übertragung von SARS-CoV-2 durch Immunisierte als wohl nicht mehr vorhanden bewertet wird, wohingegen bei negativ Getesteten immer ein Restrisiko bleibt.
Risiko bei Antigen-Schnelltests
Institutsleiter Lothar Wieler meinte vor wenigen Tagen gegenüber dem deutschen Sender ARD: „Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist das Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft wurden, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests bei symptomlosen infizierten Personen."
Bei dem Gipfel am Montag, der keine Beschlüsse mit sich brachte, ging es eben darum, welche Beschränkungen für Getestete und Geimpfte in Zukunft fallen könnten. Ein entsprechender Verordnungsentwurf soll zügig ausgearbeitet werden. Einen genauen Zeitpunkt für die Verabschiedung gibt es laut Regierungssprecher Steffen Seibert noch nicht.
Maskenpflicht bleibt bis auf Weiteres für alle Gruppen
Laut einem Eckpunktepapier vom Wochenende ist die deutsche Regierung der Auffassung, dass es für vollständig Geimpfte und Genesene Ausnahmen von den geltenden Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen geben soll. Demnach könnten ihnen bei Einreiseregeln (keine Quarantänepflicht nach Auslandsreisen), Zugang zu Geschäften und bestimmten Dienstleistungen dieselben Ausnahmen eingeräumt werden, die für negativ Getestete gelten. Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder das Abstandsgebot würden jedoch auch für Geimpfte, Genesene und Getestete noch für einen längeren Zeitraum weiter gelten.
Ein weiterer Plan Merkels ist es, die Impfpriorisierung mit Ende Juni zu beenden. Die Prioritätsgruppen I (Über-80-Jährige, Personal in Pflegeheimen und Personal auf Intensivstationen oder bei Rettungsdiensten) und II (Über 70-Jährige, Menschen mit Behinderungen, Personal in Kindergärten und Schulen) sind laut der Kanzlerin weitgehend durchgeimpft.
In Österreich geplante Freiheiten
Ähnliche Freiheiten sind auch schon in Österreich durchgesickert. Die türkis-grüne Regierung hat ja bereits bei der Präsentation der Lockerungsschritte ab dem 19. Mai angekündigt, dass hier Genesene und Geimpfte in einen besonderen Genuss kommen sollen. Diese Gruppen ersparen sich künftig nämlich einen Eintrittstest. Das gilt auch bereits für Erstgeimpfte. Der Eintritt beispielsweise ins Gasthaus wird nur über den „Grünen Pass“ erreichbar sein. Das heißt, man muss entweder geimpft, genesen oder getestet sein. Genesene Personen brauchen - um am öffentlichen Leben teilnehmen zu können - sechs Monate bis nach der Krankheit keinen Test vorweisen. Bei geimpften Personen liegt diese Hürde gar bei einem Jahr ab 22 Tagen nach der Erstimpfung.
FPÖ warnt vor „weiterer Spaltung der Gesellschaft“
Kritik an den neuen Erleichterungen für Geimpfte kommen von der FPÖ. Parteichef Norbert Hofer sieht darin das Einführen einer indirekten Test- oder Impfpflicht, was von der FPÖ bisher stets abgelehnt wurde, „da es zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führt“. Die NEOS fürchten ein Datenchaos im Zusammenhang mit dem „Grünen Pass“. Gesundheitssprecher Gerald Loacker fragte sich am Montag, was genau die Menschen vorweisen müssen, wenn sie wieder ins Gasthaus oder ins Kino wollen, und wo dieser Nachweis herkommt und wo und in welcher Form er gespeichert wird. All das sei noch völlig unklar.
SPÖ verlangt konkrete Impftermine für Willige
Die SPÖ pocht vor allem auf Klarheit. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner appellierte vor wenigen Tagen an den neuen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein, dass Impfwillige endlich einen konkreten Termin bekommen, denn so wüssten die Menschen, „wann sie den Schlüssel Richtung Freiheit in die Hand bekommen“.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.