Rund um Covid-19 scheint ein Teil der Öffentlichkeit derzeit auf seltene Impfstoff-Komplikationen - etwa mit dem Vakzin von AstraZeneca - fixiert zu sein. Doch insgesamt gibt es in Österreich viel zu wenige Meldungen über mögliche unerwünschte Nebenwirkungen von Arzneimitteln. Nur sechs Prozent der zu erwartenden Probleme würden gemeldet, so Experten des Verbandes der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig). Dabei sei man von den „Signalen“ der Patienten direkt abhängig.
Dabei hat es das Thema Nebenwirkungen - insbesondere nach der internationalen Aufregung über seltene schwerwiegende Thrombose-Probleme nach Covid-19-Impfungen - in sich: Das System der sogenannten Pharmakovigilanz (also die laufende und systematische Überwachung der Sicherheit eines Fertigarzneimittels, Anm.) ist nämlich zum größten Teil davon abhängig, wie aufmerksam Patienten, Ärzte, Apotheker und Pharma-Industrie bezüglich möglicher unerwünschter Ereignisse rund um Arzneimittel sind.
20.000 Meldungen zu Corona-Impfungen
„Wir haben in Österreich innerhalb von drei Monaten mehr als 20.000 Meldungen über vermutete Nebenwirkungen nach Impfungen gegen Covid-19 bekommen. Das ist das Dreifache der sonst (in einem Jahr; Anm.) erfolgenden Meldungen (für alle Medikamente; Anm.)“, sagte Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin des Bereichs Medizinmarktaufsicht der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).
Zehnmal mehr Meldungen bei AstraZeneca
Bei den zwischen 27. Dezember 2020 und 16. April 1,625.732 verabreichten Dosen des Pfizer/Biontech-Impfstoffs gab es in Österreich 4820 Nebenwirkungsmeldungen. Das entsprach 0,296 Prozent. Beim Moderna-Vakzin (206.058 verabreichte Dosen) erfolgten 705 Meldungen (0,342 Prozent). Für die 571.834 injizierten Dosen des Vektor-Impfstoffs von AstraZeneca ergaben sich 14.739 Meldungen oder 2,577 Prozent. Damit wurden hier zehnmal häufiger potenzielle Nebenwirkungen gemeldet als international.
Laut der Expertin dürfte hier wohl der „schlechte Ruf“ des Vakzins des schwedisch-britischen Herstellers in der Öffentlichkeit eine Rolle gespielt haben. Speziell bei Impfungen treten unerwünschte Reaktionen (zum größten Teil eben Schmerzen an der Einstichstelle, Schwellungen, Kopfschmerzen, Fieber etc.) im Rahmen von Massenimmunisierungen auch binnen kurzer Zeit gehäuft auf.
Bei Erwachsenen kommt man in Studien auf einen Anteil von 5,2 Prozent an Personen, welche mit Arzneimittel-Nebenwirkungen konfrontiert sind. „Zu erwarten wäre, dass in Österreich 135.000 Menschen (Patienten außerhalb der Krankenhäuser; Anm.) Nebenwirkungen haben. Es werden aber jährlich nur zwischen 6000 und 10.000 Fälle von Nebenwirkungen gemeldet. Das entspricht weniger als sechs Prozent“, sagte der Experte.
Nur 4,7 Prozent der Meldungen von Patienten
Verpflichtet zur Meldung sind im Grunde alle Gesundheitsberufe. Von 8163 Meldungen in einem Jahr entfielen aber 82 Prozent auf die Pharmaindustrie, nur 12,9 Prozent auf Ärzte und Apotheker und 4,7 Prozent auf Patienten. Insgesamt sollten also alle Beteiligten dringend danach trachten, ihre „Meldemoral“ zu steigern, heißt es.
Sonst mangelt es der Arzneimittelüberwachung an den entscheidenden Informationen zur weiteren Analyse. Die Sache wird immer wichtiger: Wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Druck führt nämlich zur immer früheren, oft bedingten, Zulassung von neuen Arzneimitteln. Und wenn eine sehr seltene Nebenwirkung statistisch erst nach Millionen Anwendungen auffallen sollte, wären mehr Meldungen umso wichtiger.
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