Trotz Pandemie herrscht auf der Balkanroute nahezu die alte Normalität. Warum das so ist - und was Österreich damit zu tun hat.
Willkommen im serbischen Nirgendwo: Wer nahe des Grenzstädtchens Presevo den Schotterwegen auf einen kleinen Hügel folgt, passiert verfallene Häuser und lädierte Strommasten. Im Gebüsch haben sich löchrige Plastiksackerln verfangen, hie und da tritt man auf Zigarettenstummel oder anderen Müll. Man hat einen Blick auf zwei kleine Dörfer und - hinter einer Bergkette - den Kosovo. Und da steht er plötzlich, rund fünf Meter lang, mehrere Tonnen schwer und 400.000 Euro teuer: ein blitzsauber geputzter silbergrauer VW Transporter mit Wiener Kennzeichen.
Pro Nacht wird rund fünfmal Alarm geschlagen
Auf dem Dach sind zwei Kameras angebracht, gesteuert von einer auf der Rückbank sitzenden niederösterreichischen Polizistin. Was sie sucht: Migranten. Anfangs, erzählt sie, sei es schwer gewesen, nachts auf mehrere Kilometer mit der Wärmebildkamera Tiere von Menschen zu unterscheiden. Erblickt sie jemanden, der die grüne Grenze zwischen Nordmazedonien und Serbien illegal passieren will, schlägt sie Alarm und schickt eine Streife hin. Pro Nacht geschehe dies an ihrem Posten derzeit rund fünfmal.
Die 26-Jährige gehört zum Kontingent österreichischer Polizisten, die Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei seiner Balkanreise besuchte. Wie auch in Nordmazedonien helfen in Serbien mehrere österreichische Polizisten beim Grenzschutz. „Denn diese Grenze“, sagt Nehammer, „ist auch unsere Grenze“. Denselben Satz hörte am Vortag in Skopje auch der dortige Innenminister.
Geht es nach Nehammer, sollen Migranten, die in Österreich ihrer formal sicheren Herkunft wegen kaum Asylchancen haben, gleich vom Balkan aus heimgeschickt werden. Darüber verhandelt er mit den Ländern, mit Bosnien gibt es bereits Pläne für einen Charterflug.
Andrang ließ pandemiebedingt nur kurz nach
Allein: Warum ist das in Zeiten der pandemiebedingt abgeriegelten Grenzen auf der einst öffentlichkeitswirksam geschlossenen Balkanroute überhaupt notwendig? „Weil der Strom nur kurz nachließ“, erklärt an der griechisch-nordmazedonischen Grenze ein Polizist, in dessen Hintergrund sich die Lkw vor den Kontrollen stauen. Rasch sei es 2020 weitergegangen wie zuvor, die Schlepper hätten sich schnell auf die neue Lage eingestellt.
Viele Migranten verstecken sich in Güterzügen, manche gehen zu Fuß und andere kommen im Transitverkehr nach Mitteleuropa. 80.000 Asylsuchende sollen sich laut Innenressort zurzeit in Griechenland aufhalten, mehr als zehntausend in Serbien, Nordmazedonien und Bosnien. Pro Tag, schätzt man etwa an der griechisch-nordmazedonischen Grenze, passieren dort knapp 100 Menschen illegal den Übergang, großteils seien es Afghanen.
Nicht wenige erreichen dann Österreich: Denn von den Grenzschließungen in der Corona-Krise ist in der Asylstatistik wenig zu spüren. Im Jänner und Februar wurden um ein Viertel mehr Anträge als im selben Zeitraum vor der Krise gestellt. Generell gab es im Coronajahr 2020 mehr Anträge als 2019. Der Anteil derer, die laut Innenressort via Westbalkan kommen: rund 90 Prozent.
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