Corona verändert sogar uraltes Brauchtum: Statt mit Muskelkraft werden viele Maibäume in diesem Jahr mit Kränen aufgestellt. Und die Maibaumdiebe müssen wegen der Coronaregeln zu Hause bleiben.
Harte Zeiten für die Steinbrucher „Maibaum Crew“ aus Neufelden: Die 25 Mühlviertler haben in den vergangenen Jahren sage und schreibe 53 Maibäume gestohlen, sogar einen vom Linzer Hauptplatz. Doch Corona bremst ihre erfolgreiche Langfinger-Karriere. Wie schon im Vorjahr, müssen sie auch in diesem Mai den Brauch sausen lassen, denn beim Stehlen kommen einfach zu viele Menschen zusammen.
Prinzipien der Diebe
„Wir sind ein eingespieltes Team und könnten den Baum mit nur fünf Leuten umlegen“, sagt Christian Mühleder, Chef der Crew. „Aber um ihn wegzutragen und aufs Wagerl zu heben, brauchen wir zusätzliche Helfer. Andere müssen die Straße sichern.“ Insgesamt arbeiten 10 bis 15 Leute mit. Das ist mit den Corona-Regeln nicht zu vereinbaren. Einen Kran als Alternative, wie ihn Städte und Gemeinden verwenden, die heuer einen Maibaum aufstellen, kommt für die urigen Brauchtumsfanatiker sowieso nicht in Frage. Man hat ja Prinzipien: „Wir setzen weder beim Aufstellen, noch beim Stehlen technische oder hydraulische Hilfsmittel ein, um einen Stamm umzulegen: Uns genügen Stangen und Muskelkraft!“ So sieht es die Tradition rund um die 20 oder 30 Meter hohen Frühlingssymbole vor.
Strenge Gesetze für die Baum-Langfinger
Genau genommen ist der Maibaum, meistens eine Birke oder Fichte, ein Lebens- und Fruchtbarkeitssymbol. Der Zeitpunkt des Aufstellens ist lose angesetzt. „Es gibt Ortschaften, die machen das am 30. April, andere erst in den ersten Maitagen“, weiß Mühleder. Das Maibaum-Stehlen folgt da strengeren Gesetzen: „Es dürfen nur geschmückte, stehende Bäume sein. Sobald der Stamm liegt, gehört er uns. Maibäume, die vor einem Altersheim oder einem Kindergarten stehen, sind für uns tabu.“ Außerdem darf ein Baum nur an den ersten und den letzten drei Tagen des Monats im Ganzen weggetragen werden. Und Umsägen geht natürlich gar nicht.
Auslösen als Fest
Die Bestohlenen müssen ihren Baum dann üblicherweise auslösen. Dabei geht’s aber nicht um Geld: „Das Ganze soll einfach eine Gaudi sein, es gibt Essen und Trinken, man setzt sich zusammen. Wir machen ein Festl daraus. So knüpft man auch oft neue Freundschaften!“, schwelgt Mühleder in Erinnerungen. In normalen Zeiten werden Kräfte gemessen, wenn junge Männer und auch Frauen die aalglatten Stämme hinaufkraxeln, um sich Bänder von den Kränzen zu holen. „De Leit’ kommen z’samm, das ist der tiefere Sinn des Brauchs“, ist Mühleder überzeugt.
Güterweg als Asphaltstockbahn
Die „Maibaum Crew“ fladert auch Sauschädel oder bringt in der „Unruhnacht“ zu Pfingsten Chaos in fremde Gärten. Aber Corona schränkt alles ein: „Letztes Jahr hatten wir nur ein einziges Event – während der Lockerungen: ein Asphaltschützenturnier auf einem Güterweg. Das war fesch. Richtig einzigartig!“ In diesem Mai gibt die „Crew“ Ruhe. „Obwohl wir einen Baum hätten. Er ist noch im Wald, aber wir könnten ihn in zwei Tagen fällen, schälen und aufrichten. Ohne Frühschoppen, nur im engsten Kreis. Aber ehrlich gesagt: Es würden dennoch zu viele Leute zusammenkommen...“
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