Die Europäische Union hegt EU-Insidern zufolge Pläne für eine Chip-Allianz mit den heimischen Branchengrößen STMicroelectronics, NXP, Infineon und ASML, um die Abhängigkeit von asiatischen Herstellern zu reduzieren. „Um vorne zu sein und nicht hinterherzulaufen, muss die Industrie in der EU bei digitalen Technologien wie Halbleitern, der Cloud, Quantentechnologie und Batterien schnell und ambitioniert handeln“, twitterte EU-Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton am Donnerstag nach einem Treffen mit dem deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier in Berlin. 22 EU-Mitgliedstaaten unterstützten seine Initiative für den Ausbau lokaler Produktion.
Die Chip-Industrie ist aus Kostengründen fast vollständig nach Asien abgewandert. Autobauer und andere Industriekonzerne ächzen derzeit unter der Halbleiter-Knappheit, die den erhofften Aufschwung nach der Corona-Pandemie zu bremsen droht. Mit einer europäischen Chip-Allianz ließe sich das künftig nach Ansicht der EU verhindern. Vier EU-Insider sagten, ein solches Vorhaben könne zum offiziellen EU-Förderprojekt (IPCEI) erklärt werden, was staatliche Zuschüsse und Vergünstigungen erleichtern würde und eine Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen ohne Kartellprüfung ermögliche. Die Pläne seien aber noch in einem frühen Stadium.
Die niederländische ASML bestätigte Gespräche unter Leitung von Breton. STMicro und NXP wollten sich nicht äußern, Infineon war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.
EU-Anteil an Halbleiter-Markt soll bis 2030 verdoppelt werden
Breton hat das Ziel ausgegeben, den Anteil der EU am weltweiten Halbleiter-Markt bis 2030 auf 20 Prozent zu verdoppeln. Das ließe sich auch mit dem Bau einer Fabrik durch einen der außereuropäischen Chip-Riesen bewerkstelligen. Breton trifft sich am Freitag mit Intel-Chef Pat Gelsinger und tauscht sich in einer Videokonferenz mit der Europa-Chefin der taiwanischen TSMC, Maria Marced, aus. Laut Diplomaten hat TSMC einer neuen Fabrik in Europa aber bereits eine Absage erteilt.
Kritik an Vorhaben
In EU-Kreisen stößt die Idee einer Chip-Fabrik in Händen eines amerikanischen oder asiatischen Konzerns aber ohnehin auf Missfallen. „Wenn wir den europäischen Unternehmen auf die Füße treten, glaube ich nicht, dass das unserer Unabhängigkeit etwas nutzt“, sagte ein französischer Beamter. Drei andere Mitarbeiter sagten, eine Partnerschaft unter Einschluss europäischer Chip-Hersteller wäre eine bessere Alternative. Zudem sei die Frage, ob es in der EU ohne Smartphone-Hersteller überhaupt genügend Abnehmer für die zusätzliche Kapazität gebe. Andere kritisieren Breton als Protektionisten und sehen keine Notwendigkeit für eine strategische Autonomie Europas.
Breton will die neue EU-Industriestrategie, die sich vor allem mit Chips befassen soll, am 5. Mai zusammen mit Digital-Kommissarin Margrethe Vestager vorstellen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.