Nach fast 20 Jahren
Afghanistan: NATO-Soldaten gehen, Gewalt bleibt
Begleitet von Gewalt hat nach einem fast 20 Jahre langen Einsatz der offizielle Abzug internationaler Truppen aus Afghanistan begonnen. Aus mehreren Provinzen des Landes wurden Zwischenfälle und Gefechte gemeldet, denen afghanische Zivilisten oder Sicherheitskräfte zum Opfer fielen. Die rund 10.000 NATO-Soldaten der Ausbildungsmission „Resolute Support“, darunter 2500 Soldaten aus den USA und rund 1100 aus Deutschland, werden bis spätestens September das Land verlassen.
Faktisch hatte der Abzug bereits davor begonnen. Schon seit Wochen wird Material aus dem Land gebracht. Auch die wenigen österreichischen Soldaten am Hindukusch werden die Krisenregion verlassen. Militärstrategen rechnen während des Rückzugs mit zusätzlichen Gefahren durch mögliche Angriffe der militant-islamistischen Taliban auf Soldaten des Bündnisses. Jegliche Taliban-Angriffe während des Rückzugs wolle man mit einer „entschiedenen Reaktion“ beantworten, hieß es von der NATO.
Taliban drohen mit „Gegenmaßnahmen“
Die Taliban erklärten am Samstag, sie hielten sich eine Reaktion auf den verspäteten Abzug offen. Da der Abzug der ausländischen Streitkräfte nicht wie im USA-Taliban-Abkommen zum 1. Mai abgeschlossen worden sei, habe dieser „Verstoß“ ihnen „im Prinzip den Weg geebnet, jegliche Gegenmaßnahme“ gegen die internationalen Truppen zu ergreifen, die man für angemessen halte, postete der Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid am Samstag auf Twitter.
Die US-Regierung und die Taliban hatten im Vorjahr noch unter Ex-Präsident Donald Trump ein Abkommen unterzeichnet und einen Abzug aller Truppen bis 1. Mai vereinbart. Allerdings hat der neue US-Präsident Joe Biden den Abzug verschoben - dieser soll nun bis spätestens 11. September abgeschlossen sein.
Unruhe bei afghanischen Sodaten
Afghanische Soldaten haben zu Beginn des Abzugs der internationalen Truppen von Unruhe innerhalb der eigenen Reihen berichtet - da lediglich die Spezialkräfte wirklich in der Lage seien, das Land zu verteidigen. Man habe bis zuletzt nicht geglaubt, dass die USA wirklich abzögen. Für den Nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib ist der Abzug hingegen kein Grund zur Sorge, da die afghanischen Sicherheitskräfte inzwischen fast alle Operationen unabhängig durchführen würden. Zudem gebe es Zusagen für weitere finanzielle Unterstützung.
Zahlreiche Tote bei Selbstmordanschlag
Die Gewalt ging allerdings auch in der Nacht auf Samstag weiter. Bei einer Explosion auf einer Militärbasis am Luftwaffenstützpunkt Bagram wurden in der Nacht mindestens zwei Soldaten getötet. In der Provinz Nangarhar starben eine Frau und zwei Kinder, als ihr Haus von einer Mörsergranate getroffen wurde. Erst am Freitagabend hatte es einen massiven Autobombenangriff in der Provinz Logar mit mindestens 24 Toten gegeben (siehe Video oben).
Zwischen Angst und Freude
Von afghanischen Bürgern wird der Abzug mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. Lokale Medien berichteten von Menschen, die sich darüber freuten und einen neuen Unabhängigkeitstag feiern wollen, wenn der letzte Soldat das Land verlassen hat. Bei anderen löst der Abzug blanke Angst aus. Vor allem finanziell gut situierte und liberale Afghanen wollen das Land verlassen. Sie befürchten eine Rückkehr des repressiven Regimes der Taliban oder einen neuen Bürgerkrieg.
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