Mit alarmierenden Zahlen lässt Peter Cerkl, Primar der Pulmologie am LKH Hohenems, aufhorchen. Jeder zehnte Corona-Patient würde auch noch Monate nach der Erkrankung an Folgeerscheinungen leiden.
In Vorarlberg allein sind es rund 2800 Personen, die auch sechs Monate nach der Infektionskrankheit noch Symptome wie Konzentrations- und Wortfindungsstörungen, Beeinträchtigung des Geschmacks- und Geruchssinns, Atemnot und Erschöpfung aufweisen würden, sagt der Arzt. Deswegen warnt er davor, bei den Maßnahmen gegen Corona nur auf die Belegung der Spitalsbetten zu achten, denn je mehr Menschen sich anstecken, desto höher werden auch die Long-Covid-Zahlen. Problematisch ist Long Covid auch deshalb, weil es bis dato keine spezifische Therapiemöglichkeit gibt. Berichtet wurde von Betroffenen mitunter, dass die Impfung zu einer Besserung führen soll.
Die organischen Befunde sind normal, sie kommen aber trotzdem kaum mehr eine Stiege hinauf
Pulmologe Cerkl über Long Covid-Patienten
Häufig treffe es junge und Frauen im mittleren Alter
Waren bisher vor allem Ältere betroffen, gebe es nun viele Corona-Patienten im mittleren und jungen Alter, die im Berufs- und Familienleben stünden. Vor Long Covid ist laut Cerkl niemand gefeit, häufig treffe es aber junge Frauen und Frauen im mittleren Alter mit schwereren Verläufen. „Die organischen Befunde sind normal, sie kommen aber trotzdem kaum mehr eine Stiege hinauf“, so Cerkl und warnte davor, die Fallzahlen als Kriterium in der Bekämpfung ganz außer Acht zu lassen. „Man muss sich damit auseinandersetzen“, betonte der Primar und „eine Ansteckung vermeiden“.
Patienten brauchen Geduld und Zeit
Betroffene erholten sich oft nur langsam. „Und es gibt nicht viel, was wir tun können. Viele erwarten eine Tablette und gut ist, aber das gibt‘s nicht“, so der Mediziner. Man biete den Patienten neurokognitive, logopädische und pulmonale Reha-Therapien, vor allem aber bräuchten die Patienten Geduld und Zeit. Derzeit würden die Langzeit-Kranken über die Ambulanz des LKH Hohenems mitbetreut, eine eigene Long-Covid-Ambulanz gebe es bisher nicht. „Mit unserem derzeitigen Personalstand wäre das auch nicht zu stemmen“, so Cerkl. Man habe sich die Betreuung daher unter den Disziplinen aufgeteilt, je nach Symptomatik. Zudem tausche man sich immer wieder mit Innsbruck aus. Das reiche derzeit für die Betreuung der Vorarlberger Patienten aus.
„Je mehr krank werden, desto mehr schwere Verläufe“
Anlaufstelle sei auch der niedergelassene Bereich. Die Ärzteschaft, ob niedergelassen oder im Spital, sei sensibilisiert, bei entsprechenden Symptomen auch eine Corona-Infektion, die möglicherweise sogar unentdeckt ablief, in Betracht zu ziehen. Corona-Patienten, die lange auf der Intensivstation lagen, erholten sich nach derzeitigem Stand trotz eines langen Weges oft gut. Ein kleiner Teil trage aber schwere Organschäden davon, vor allem an der Lunge. „Zum Glück betrifft das nicht viele, aber je mehr krank werden, umso höher wird auch die Zahl jener mit schwerem Verlauf“, erinnerte der Lungenspezialist. Für ihre stationäre Reha arbeite man mit einem Zentrum in Münster zusammen, allerdings gebe es dort Wartelisten.
Cerkl vermutet Autoimmunprozess
Als Hintergrund des Phänomens Long Covid wird laut Cerkl momentan ein Autoimmunprozess vermutet, vieles sei aber noch unklar und stehe in Diskussion. Dass manche Betroffenen von einer Besserung nach ihrer Corona-Impfung berichteten, würde ebenfalls für einen Zusammenhang mit einem autoimmunen Prozess sprechen, sagte Cerkl. Daher sei auch für Genesene einige Monate nach der Gesundung eine Impfung jedenfalls anzuraten.
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