Zum 76. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen in Oberösterreich wird den ermordeten 90.000 Opfern per Video ein Gesicht gegeben.
Es ist eine ebenso beeindruckende wie berührende Geste an der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Dort, wo 90.000 Menschen in einer der dunkelsten Epochen der Weltgeschichte von den Nazis systematisch ermordet wurden. Erstmals wird unter dem Motto „Jeder Name zählt“ noch Donnerstag, von 20 bis 24 Uhr, eine Videoaktion per Livestream in die Welt hinausgetragen.
„Opfern ihre Würde zurückgeben“
16,6 Millionen Bildpunkte der Aktion von Ars Electronica verwandeln die 120 Meter lange Außenmauer des früheren Konzentrationslagers in eine einzige digitale Projektionsfläche. Alle bis dato bekannten Namen von Menschen, die der NS-Terror hier das Leben gekostet hat, formen sich aus einer ständig sprudelnden Quelle von Buchstaben und fließen unaufhörlich wie Wellen hinab.
Der kaum fassbaren Horror-Zahl stehen individuelle Lebensgeschichten entgegen – damit erhalten die Zehntausenden Toten ein Gesicht. „Wir wollen den damals namenlosen Opfern ihre Identität und Würde zurückgeben“, erläutert DDr. Barbara Glück, Direktorin des Mauthausen Memorial (siehe Interview unten). Als „sichtbares Zeichen der Erinnerung“, wie Innenminister Karl Nehammer bei einer Gedenkfeier anlässlich des Befreiungstages betonte, wird zudem der Ankauf von Liegenschaften des früheren KZ Gusen fixiert.
#eachnamematters auch in sozialen Netzwerken
Zeitgleich zum Videostream sind Angehörige, Zeitzeugen, Überlebende und alle Interessierte dazu aufgerufen, in den sozialen Medien mit dem Hashtag #eachnamematters ihre Erinnerungen, Gedanken und Eindrücke zu den Biografien auf der Mauthausen-Website zu posten. Denn jeder einzelne Name darf nicht vergessen werden ...
„Antisemitismus darf keinen Platz haben“
DDr. Barbara Glück, Direktorin von Mauthausen Memorial, zu der spektakulären Gedenkaktion für die Opfer - und neuen Gefahren.
„Krone“:Was wollen Sie mit der weltweit gestreamten Videoaktion erreichen?
Barbara Glück: Der 5. Mai 1945, der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen, ist zugleich nationaler Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus in Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Wir wollen den Zehntausenden ein Stück ihrer Würde und Identität zurückgeben.
Im aktuellen Rassismus-Report wird eine Rekordzahl von antisemitischen Vorfällen aufgelistet. Muss die jüdische Gemeinde heutzutage wieder Angst haben?
Seit der Corona-Krise werden bei Demonstrationen und in sozialen Netzwerken verstärkt antisemitische Verschwörungstheorien sichtbar. Meinungs- und Redefreiheit sind ein sehr hohes Gut. Meinungsfreiheit hört allerdings dort auf, wo historisch unhaltbare Vergleiche zum NS-Terrorregime gezogen werden. Wir alle sind gefordert. Im virtuellen Raum gilt es, genauso dagegen aufzutreten wie auf der Straße. Wir müssen uns mit den jüdischen Gemeinden solidarisch erklären.
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