Interview & Minialbum

Alfie Templeman: Jungstar mit großer Perspektive

Musik
07.05.2021 08:00

18 Jahre jung, sieben EPs schwer und kurz vor dem internationalen Durchbruch: Alfie Templeman begeistert von seinem Schlafzimmer im Elternhaus aus immer mehr Menschen mit sommerlich-leichtem Indie-Pop mit Message und Inhalt. Wächst da ein Festival-Headliner von morgen heran? Im Zoom-Talk ergründeten wir mit dem sympathischen Jungspund, was ihn zur Musik brachte, wann ein Song wirklich gut ist und worauf man sich bei seinem anstehenden Debütwerk freuen darf.

(Bild: kmm)

„Kinder an die Macht“ propagiert nicht nur die Bochumer Sirenenstimme Herbert Grönemeyer. Billie Eilish hat das Pop-Business vor gut zwei Jahren revolutioniert und will diesen Sommer mit ihrem zweiten Album gen Olymp starten. Dahinter lauern unzählige junge Künstlerinnen und Künstler, die Musik längst wieder als etwas Politisches und Sozialkritisches erfassen und nicht bloß hedonistischen Eskapismus von einer düsteren Realität anbieten. Auch wenn man den Dancefloor nach mehr als einem Jahr der geschlossenen Clubs dringender braucht denn je, die Jugend bahnt sich auch im Pop-Business ihren Weg und will gewisse Dinge nicht einfach mehr so hinnehmen. Die Revolution startet schon im Elternhaus - manchmal ohne, dass die Erziehungsberechtigten das selbst überhaupt mitkriegen würden. Bei Alfie Templeman ist das anders. Daheim im beschaulichen Bedford sind die geliebten Eltern Kläger und Richter. Vor allem sind sie ihm und seinem Sound am nächsten, denn Alfie bastelt seine Songs im Teenager-Schlafzimmer zusammen.

Musik als Lebenselixier
„Ein Song ist mir meist dann gut gelungen, wenn ich so euphorisch bin, dass ich die Stiegen runterlaufe und ihn direkt meinen Eltern vorspiele“, lacht er im Zoom-Videotalk mit der „Krone“, „mein Vater sieht die Songs von einer technischen Perspektive und bewertet die Machart. Er ist Gitarrist. Meine Mutter hingegen ist einfach Musikfan. Sie hat die kommerziellen Ohren und erkennt das Potenzial eines Songs anhand einer Melodie oder eines Grooves. Die angenehme Nebenerscheinung dabei - wenn ein Track meiner Mutter gefällt, dann mit großer Sicherheit sehr vielen anderen Menschen aus ihrer Generation.“ Templeman feierte im Jänner seinen 18. Geburtstag und blickt bereits auf sieben EPs zurück. Er begann mit sieben auf das Schlagzeug einzudreschen, brachte sich mit acht das Gitarrespielen bei, kreierte mit Freunden erste CDs im Alter von zehn und war als 13-Jähriger schon so weit, dass er Full-Length-Songs selbst produzieren konnte. Seit seinem 14. Lebensjahr veröffentlicht er aus dem ruralen England heraus Songs und gilt vielen schon jetzt als DIE Indie-Zukunftshoffnung des Landes.

Doch Moment - Indie? Sein brandneues Minialbum („ich finde Minialben cool. Es ist weniger oben als auf einem Studioalbum, aber mehr als auf einer EP. Deshalb stehe ich hinter dem Begriff“) „Forever Isn’t Long Enough“ kokettiert in seiner coolen und tanzbaren Lässigkeit längst mit dem Mainstream und lässt sich nicht mehr so einfach in die Indie-Schiene einordnen. Vorsätzlich oder kalkuliert passiert bei Templeman wenig. Es ist nicht zuletzt den familiären Verhältnissen zu verdanken, dass seine musikalischen Idole nicht nur aus der jüngeren Generation kommen (Mac DeMarco), sondern Legenden wie Led Zeppelin, Yes, King Crimson oder Marvin Gaye sind. Letzteren hat er mit der Textzeile „Marvin sings about healing“ sogar in eine Textzeile des Titeltracks gepackt. „Die Idee kam von Kid Harpoon, der den Track produzierte“, lacht der gut gelaunte Jungspund, „die Botschaft dahinter ist ja, dass wenn ein großer Popstar mit seinen Problemen an die Öffentlichkeit geht, die Probleme von uns allen durchaus okay sind.“

Gute alte Zeiten
So sommerlich-luftig der Vibe der acht Songs auf dem Minialbum auch sein mag, inhaltlich ist Templeman für seine 18 Jahre erstaunlich reif und reflektiert. „Dass die Leute meine Musik so sehen bringt mich immer zum Schmunzeln, denn ich sehe das total anders. Ich bin jung und mich nervte der Lockdown mit all seinen Beschränkungen. Ich mache Musik prinzipiell deshalb, um mich besser zu fühlen oder mir Druck von den Schultern zu nehmen. Meine Songs haben einen dunklen Zugang, der sich meist unter fröhlichen Klängen verbirgt.“ Corona stoppte nicht nur Templemans Tourpläne, sondern stellte auch eine Zäsur in seinem musikalischen Schaffen dar. Er widmete vergangenes Jahr verstärkt seinen geliebten Synthesizern, verließ das starre Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Songwriting-System und ließ seinem Herzen freien Lauf. „Ich habe meine Freunde vermisst und singe eben über die guten alten Zeiten“, lacht Templeman laut auf, „was man als 18-Jähriger eben so macht.“

Seinen persönlichen Lieblingssong, „Everybody’s Gonna Love Somebody“, hat Templeman in der Urfassung schon mit 14 geschrieben, aber erst jetzt in die Form gebracht, die ihm wirklich gefällt. „Ursprünglich war das ein Disco-Pop-Song und jetzt klingt der Track eher nach Tears For Fears. Aber das ist okay, denn ich war damals jung und vor dem Stimmbruch. Da klang ich eher wie eine junge Taube. Ich bin zwar erst 18, habe aber, zumindest vor Covid, trotzdem schon genug erlebt, um daraus Songs basteln zu können.“ Erlebte und erfahrene Dinge aus den letzten Jahren dienen ihm als loses Konzept für das Minialbum. Die Mischung aus Analogem und Digitalem war ihm dabei ein besonderes Anliegen. „Ich habe viel experimentiert, bis ich den richtigen Sound gefunden habe. Da hat mich Tame Impala am Stärksten inspiriert. Er ist ja bekannt dafür, diese beiden so konträren Welten zu vereinen.“ 

Debütalbum folgt
Sein allergrößtes Idol ist aber Todd Rundgren. Ein Musiker und schillernder Paradiesvogel, für den jedes Album ein neues Abenteuer war und der sich dem Kommerz immer dann bewusst entzog, wenn er zum Greifen nahe war. „Deshalb will ich eigentlich selbst obskurer und vielseitiger werden.“ Das Debütalbum liegt in den Startlöchern und könnte noch diesen Herbst das Licht der Welt erblicken. Mit der hier vorliegenden EP wird es nicht viel gemein haben. „Es wird ein großer Mix aus all meinen Einflüssen. Ich habe viele 70s-Sounds am Album, die ich nie davor machte. Auch inhaltlich ist ein klareres Konzept zu erkennen. Es wird wieder ums Leben gehen, aber auch sozialkritischer sein. Etwa um das andauernde Problem der Armut oder die vielen Dinge, die auf dieser Welt schiefgehen.“ Templeman hat trotz seiner 18 Jahre und einer aufstrebenden Karriere ein gesundes Verhältnis zum Ruhm. „So einen Druck wie er auf Billie Eilish lastet würde ich nicht aushalten. Ich schätze und respektiere sie wirklich sehr. Am Ende des Tages bin ich noch ein Kind und will nicht zu viele Schritte auf einmal nehmen.“ 

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