Gerade noch sorgte Harley-Davidson für positive Schlagzeilen mit der ersten Reiseenduro der Marke, nun ist der Anlass ein sehr unangenehmer: Ab 1. Juni 2021 soll Harley-Davidson Zollgebühren in Höhe von insgesamt 56 Prozent auf jedes Motorrad entrichten, das in der Europäischen Union verkauft wird, wie der Händlerverband beklagt. Nachvollziehen können sie das in Milwaukee nicht - und schon gar nicht die Händler in Österreich und dem Rest Europas.
Der „blaue Brief“ aus Brüssel steckte im April im Briefkasten mit dem Bar-and-Shield-Logo darauf: Die EU-Kommission hat dem Unternehmen die sogenannte Binding Origin Information (BOI) entzogen. Im Endeffekt bedeutet das eine Zollerhöhung von sechs auf 56 Prozent.
Der Hintergrund ist der Zollstreit zwischen EU und USA:
Nachdem die Trump-Administration im Juni 2018 aus protektionistischen Gründen beschlossen hatte, einen Zoll von zehn Prozent auf europäische Aluminiumprodukte und 25 Prozent auf europäische Stahlprodukte zu erheben, schlug die EU zurück und veröffentlichte eine Liste von US-Produkten - darunter Motorräder mit einem Hubraum von mehr als 500 Kubikzentimetern -, die seither bei der Einfuhr in die EU mit zusätzlichen Zöllen belegt werden. Für die Maschinen aus Milwaukee summierte sich das Ganze von zuvor sechs auf fortan 31 Prozent Zollgebühr.
Harley-Davidson trug die drastisch erhöhten Kosten zunächst selbst, statt sie auf die Motorradpreise aufzuschlagen. Erst ein gutes Jahr später änderte sich die Situation: Seit Ende 2019 stammen nahezu alle Harleys für Europa aus thailändischer Produktion und eine BOI-Zulassung der EU sorgte nun bei der Einfuhr dieser Maschinen für einen wieder moderaten Zollsatz von sechs Prozent. Schließlich kommen die Bikes ja nicht aus den USA, sondern aus Thailand.
Diese BOI, so will es die EU, soll jetzt nicht mehr gelten und zugleich wird der „Strafzoll“ auf nunmehr 50 Prozent verdoppelt. Das heißt, dass benzingetriebene Harley-Davidson-Motorräder künftig unabhängig von ihrem Herstellungsort einem Importzoll von insgesamt 56 Prozent unterliegen. Ziemlich ungerecht, findet der Verband der Harley-Davidson-Vertragshändler e. V., denn europäische Motorradhersteller können weiterhin bei deutlich geringeren Importzöllen in die USA exportieren: 1,2 Prozent sind für Maschinen bis 800 Kubikzentimeter, fällig, bis zu 2,4 Prozent für Bikes über 800 Kubikzentimeter und 2,5 Prozent für Autos.
Matthias Meier, Vorstand des deutsch-österreichischen und des europäischen Verbands der Harley-Davidson-Vertragshändler erläutert: „Die Entscheidung der EU steht im Widerspruch zu unserer Vorstellung von fairen Handelsbeziehungen. Sie erzeugt einen krassen Wettbewerbsnachteil unserer Motorräder im Vergleich zu anderen Marken und hat mithin massiven Einfluss auf unsere Geschäftstätigkeit als Vertragshändler.“ Antonio Perlot, Generalsekretär des europäischen Zweiradherstellerverbands ACEM ergänzt: „Wir fordern die Europäische Kommission und die neue US-Regierung auf, wieder einen positiven transatlantischen Handelsdialog aufzunehmen. Wir setzen uns weiterhin mit Nachdruck dafür ein, dass beide Parteien zur Vernunft zurückkehren und eine Lösung finden.“
Welche Auswirkungen die EU-Entscheidung für den europäischen Harley-Davidson-Handel und die europäischen Kunden hat, sei momentan aber noch nicht absehbar, verlautet Harley-Davidson. „Fest steht: Das Ganze ist weitaus mehr als nur ungerecht, es ist existenzbedrohend“, hebt Matthias Meier hervor. Letzte Hoffnung ist nun der Rechtsweg gegen die EU-Entscheidung. Ansonsten werden wohl diesmal auch die Kunden zur Kasse gebeten. Derzeit ist die brandneue Reiseenduro, die Harley-Davidson Pan America, vergleichsweise zum Schnäppchenpreis zu haben - fragt sich, wie lange noch.
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