Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!
A Certain Ratio - ACR:EPA EP
Wie groß war die Freude im Herbst letzten Jahres, als die unbelohnten Manchester-Lads von A Certain Ratio endlich ihr erstes Studioalbum nach mehr als einem Jahrzehnt veröffentlichten. Jetzt geht es gleich munter weiter im Takt, denn mit „ACR:EPA“ legt das verspielte Kollektiv noch eine kleine, aber feine EP nach, die im März 2020 im Rahmen einer informellen Session in den Salforder Oxygene Studios eingespielt wurden. Eigentlich wollten die Bandmitglieder nur die Fertigstellung ihres Albums feiern und ein bisschen musizieren - was aus einer derartigen Zwanglosigkeit knospen kann, darf hier bewundert werden. Dass die wenige Monate später viel zu früh verstorbene Denise Johnson hier das letzte Mal zu hören ist, macht das Werk noch spezieller. Ohne Bewertung
Acid’s Trip - Strings Of Souls
Bei ihrer einstigen Combo Honeymoon Disease hat Gitarristin Acid schon mehrfach bewiesen, dass sie die 70er- und allenfalls sehr frühen 80er-Jahre besonders prägten. Die langhaarige und mit allerlei kultigen Motiven tätowierte Frontfrau hatte aber Lust auf die volle Kreativkontrolle und rief vor drei Jahren Acid’s Trip ins Leben. Corona macht den Göteborgern die Promotion nicht leicht, aber das lang erwartete Debütalbum „Strings Of Souls“ wird all jenen gefallen, die sich mit Thin Lizzy, Rod Stewart, Suzi Quatro oder MC5 identifizieren können. Dazu noch Skandinavien-Rock á la The Hellacopters oder Gluecifer und fertig ist die bunte Retroshow, die aber leider stimm- und produktionstechnisch manchmal doch noch zu schwachbrüstig ist. Wird schon! 6/10 Kronen
Anna Anderluh - Leave Me Something Stupid
Bunte Hunde gibt es in der österreichischen Musikwelt zuhauf und das ist freilich eine gute Sache. Als solches kann sich auch die Kärntnerin Anna Anderluh bezeichnen, die nicht im Musiktheater und literarischen Bereich reüssiert, sondern auch in der alternativen Musikwelt ihren fixen Platz eingenommen hat. „Leave Me Something Stupid“, ihr Solodebüt, ist eine spannende Klang- und Stimmreise durch allerlei galaktische und weltliche Sphären. Als „Pop mit Riss“ bezeichnet sie ihr Werk selbst und trifft damit ins Schwarze. Humor („Das Nadelöhr zerdreschen“) und Sozialkritik („Öde an den freien Willen“) halten sich die Waage, doch für das variantenreiche Treiben braucht man etwas mehr Toleranz als bloße Easy-Listening-Resilienz. 6,5/10 Kronen
Artillery - X
Nach dem tragischen Tod von Gründungsmitglied und - sorry für den unfreiwilligen Wortschmäh - Stütze Morten Stützer war vielen nicht klar, ob es mit der dänischen Thrash-Metal-Institution Artillery weitergehen würde, aber das neue Studiowerk „X“ zeigt uns eindeutig, die Band ist größer als ihre einzelnen Mitglieder. Musikalisch hat sich nicht viel getan, was die zahlreichen Puristen unter den Fans auf jeden Fall gutheißen werden. Satte Riffs, eine an den Power Metal angelehnte Stimme und rasantes Power-Drumming zitieren gemütlich aus dem Effeff des europäisch angehauchten Genres. Die Produktion ist satt, das Songwriting wenig spannend, aber stark. Artillery waren schon zurecht nie in der Champions League des Thrash, aber bleiben sehr solide. Wäre live halt gerade richtig geil. 6,5/10 Kronen
Robin McAuley - Standing On The Edge
Für gewöhnlich leiht Robin McAuley gerne mal dem deutschen Rockgitarristen Michael Schenker die Stimme, doch für „Standing On The Edge“ hat sich der Ire nach mehr als 20 Jahren auch wieder einmal selbstständig gemacht. „Business As Usual“ hieß sein untergegangenes Solodebüt 1999, jetzt geht’s mit reichlich Lebenserfahrung und bessere Vermarktungsmöglichkeiten noch einmal in die Vollen. Hardrock-Klassiker, AOR-Wuchthymnen und Powerballaden geben sich die Hand und der leidlich untergegangene McAuley kann hier in feinster Nostalgie schwelgen, ohne auch nur den Hauch einer zeitgemäßen Herangehensweise zu exerzieren. Nichts sticht heraus, aber nichts fällt wirklich ab. Ein mehr als solides Werk eines vergessen Geglaubten aus den weit verzweigten Untiefen des 80er-Hardrock. 6/10 Kronen
Coscradh - Mesradh Machae EP
Oha! Eine irische Extreme-Metal-Vernichtungstruppe ohne Beteiligung des Tausendsassas Alan Averill lässt in der Szene schnell aufhorchen. Vor allem dann, wenn das musikalisch Dargebotene auch wirklich kickt. Coscradh haben auf ihrer Vinyl-EP „Mesradh Machae“ nur zwei Songs gepackt, aber die sind ein durchaus würdiges Vorstellungsschreiben für weitere Großtaten im Underground. Ein kompromissloses War-Metal-Feeling dient als Unterlage, doch die Riffs können auch thrashen oder in den orthodoxeren Black-Metal-Bereich abrutschen. Wenn man doch mal vom Gaspedal steigt, kommt auch die Vorliebe für riffige Doom-Bands zum Vorschein. Garniert wird der bunte Reigen mit gewalttätigen Texten über historische Ereignisse. Das sitzt! Ohne Bewertung
Cosmo Jones Beat Machine - Skeleton Elevator
Die spinnen, die Finnen. Das denkt man sich in musikalischer Hinsicht immer wieder - freilich mit einem Augenzwinkern und ganz und gar nicht böse gemeint. Einen guten Anlass dazu bietet die Cosmo Jones Beat Machine, die aus dem ostfinnischen Wald stammt und schon mehr als zwei Dekaden lang ihr Unwesen treibt. So vermischen die Waldschrate durchaus kundig Mississippi-Delta-Klänge mit Funk und einer nostalgischen Captain-Beefheart-Atmosphäre. Am Wichtigsten ist dem fidelen Quartett der Spaß, was man Songs wie „Fukushima Papa“, „Popeye Perry“ oder „Dr. Butt’s Dispensary“ schon aus dem Titel hervorliest. Wer den kruden Humor teilt, wird hier glücklich. Andere wohl eher weniger. 5,5/10 Kronen
Cvlt Ov The Svn - We Are The Dragon
Merke: wenn man in härteren Musikgefilden das „u“ und das „f“ durch ein „v“ ersetzt, ist man automatisch cooler! Eine alte Faustregel, die sich auch die Finnen von Cvlt Ov The Svn für ihr in der Düsterrock-Szene heiß ersehntes Debütalbum „We Are The Dragon“ zu eigen machen. Nach dem 2019er-EP-Appetizer „Luna In The Sky Forever“ war die Hoffnung groß. Die Skandinavier setzen aber nicht auf durchschlagende Härte, sondern vor allem auf Poppigkeit. Die kratzige Flüsterstimme beginnt nach spätestens drei Songs zu nerven, dafür ist sie klar verständlich. Der Sound pendelt zwischen Unheilig-Großspurigkeit, Marilyn-Manson-Geisterbahnklängen und HIM-Finsterromantik. Der 90er-Nostalgie fehlt es leider an Ecken und Kanten. 5,5/10 Kronen
Disembodiment - Mutated Chaos EP
Knüppel aus dem Sack - und das so richtig. Ohne Umschweife und Kompromisse. Völlig kompromisslos, tief runtergestimmt und erschreckend lebensverneinend holzen sich Disembodiment mit ihrer Debüt-EP „Mutated Chaos“ erstmals auf die Notizzettel kundiger Szene-Feinspitze. Aus dem Kreativtopf Quebec in Kanada stammt das rüpelige Gespann, das seine ersten sechs Songs in nur 15 Minuten runterkracht und dabei zwischen Brutal Death Metal und Slam Death wandelt, aber auch eine untrügliche Liebe zu den Sunlight-Studio-Klängen der frühen 90er-Jahre aufweist. Incantation- oder Rottrevore-Fans wissen, was sie tun müssen. Das, meine Damen und Herren, ist echte Grabesstimmung der besonders sinistren Art und Weise. Ohne Bewertung
Dodie - Build A Problem
Man kann es fast nicht glauben, aber die Britin Dodie Clark, die bereits seit einem Jahrzehnt Musik auf ihrem YouTube-Kanal veröffentlicht und drei EPs zu Buche stehen hat, veröffentlicht mit „Build A Problem“ anno 2021 tatsächlich erst ihr Debütalbum. 14 Songs hat sie darauf gepackt, die erste Single „Guiltless“ wurde schon vor zwei Jahren veröffentlicht. Die Reise durch das Leben und ihre Persönlichkeit heißt nicht umsonst „Build A Problem“. Es geht um Unsicherheiten, Selbstzweifel und die Suche nach dem Platz auf dieser Welt. Die innere Fragilität wird durch fein orchestrierte Songs nach außen gestülpt. So ist Dodies Debüt eine Perle des Vakanten. Immer bereit, eine Schulter anzubieten und Trost zu spenden. Auch wenn die Lage noch so hoffnungslos erscheint. 7,5/10 Kronen
Ereb Altor - Eldens Boning EP
Crister Olsson und Daniel Bryntse sind unzertrennliche Freunde, die mit Isole epischen Doom Metal krieren und mit ihrem noch bekannteren Projekt Ereb Altor tief in die Mythologie der nordischen Wikingersaga eintauchen. Was bei ihrer Hauptband seit jeher auffällt, ist die konstante Weigerung, sich allzu sehr an einem Grundstil festzuklammern, sondern lieber zwischen Folk, Black Metal, Doom und Viking hin- und herzuwandern. Das tun sie auch auf dem 4-Track-Appetizer „Eldens Boning“, der mal harsch, mal ausgeruht, mal hymnisch, mal wildernd ertönt und alle Stärken vereint, die man von den Schweden kennt. Da steigt die Freude auf die nächste Full-Length ins Unermessliche! Ohne Bewertung
Roman Flügel - Eating Darkness
Hinter den diversen Pseudonymen versteckt sich Roman Flügel schon länger nicht mehr. Der Darmstädter gilt zurecht als eine der wichtigsten und wertigsten DJ-Koryphäen aus Deutschland und begeistert seit Anfang der 90er-Jahre genreübergreifend zwischen Acid, Downtempo, Techno, Tech House und Electro House. Sein neuestes Prachtexemplar lautet auf den Namen „Eating Darkness“ und stellt die prekäre Gegenwart in den Mittelpunkt, die das geliebte Nachtleben samt und sonders aufgefressen hat. Flügel setzt auf eingängige Club- und Dance-Sounds, bei denen die Beats ballern und immer eine warme, fast schon analog anmutende Melancholie im Spiel ist. Noch muss man die Party daheim feiern, aber die Dinge entwickeln sich ja langsam… 7,5/10 Kronen
Fox And Bones - American Alchemy
Portland, Oregan. Aktuelles Epizentrum der US-Hipsterkultur, aber neben Austin, Nashville, Los Angeles und New York wohl auch der Schmelztiegel künstlerische Kreativität. Fox And Bones sind ein sympathisches Feelgood-Duo bestehend aus Sarah Vitort und Scott Gilmore, die auf ihrem dritten Album „American Alchemy“ eine meist gut gelaunte Form des Heartland-Rock mit Folk-Anleihen spielen, die manchmal an Springsteen, manchmal an Kid Rock, manchmal an den Lumineers oder an Nathaniel Rateliff anstreift. Wie es der Albumtitel bereits andeutet geht es um die kleinen und großen Probleme der gegenwärtigen USA, doch auch vor persönlichen Schicksalen („Brandon’s Song“) machen Fox And Bones nicht Halt. Das ergibt einen schön breiten, manchmal aber auch etwas pathetischen Sound, der trotz allem zu begeistern weiß. 7/10 Kronen
Ghost Iris - Comatose
Dass Ghost Iris in den letzten Jahren mit Bands wie Dream Theater oder Soen auf Tour waren mutet auf den ersten Hör etwas eigenartig an, denn die Prog-Kante ist hier zwar vorhanden, aber doch die meiste Zeit hinter Breakdown-lastigem Metalcore-Geballer versteckt. Die Dänen beherrschen ihr Metier aus dem Effeff und begeistern auf „Comatose“ nicht ausschließlich mit den szeneüblichen Spielereien, sondern auch mit wirklich knackigem Songwriting („Paper Tiger“, „Former Self“), das zahlreichen Mitbewerbern oft fehlt. „Comatose“ erfindet das Genre-Rad nicht neu, überzeugt aber mit einer aggressiven und jovialen Frische, wie man sie in diesem Segment schon länger nicht mehr gehört hat. Erinnert fast ein bisschen an die verblichenen Cataract - nur mit weniger Thrash. 7/10 Kronen
Hanternoz - Au Fleuve De Loire
Traditionell eingefärbter Pagan Metal hatte schon einmal fettere Zeiten, das ist klar. Aber im französischen Angers weiß man diesen Sound durchaus noch würdevoll zu schmieden. Das bedeutet: er zergeht nicht vollends in folkloristischem Klangkitsch und ist auch nicht zu brutal. Hanternoz, ein Zwei-Mann-Duo mit variablen Session-Musikern, weiß ganz gut, wie man die Klientel rund um Thyrfing und alte Enslaved zufriedenzustellen weiß, ohne sich zu sehr für eine Richtung zu entscheiden. „Au Fleuve De Loire“ ist eine mehr als einstündige Lehrstunde über die Historie der Bretagne und beruft sich sehr erfolgreich auf den Sound der 90er-Jahre. Gut gelungen! 7/10 Kronen
Hecatomb - Horrid Invocations EP
Die Australier sind momentan nicht nur in der glücklichen Position, durch strenge Maßnahmen, Konsequenz und - zugegeben - Inselglück die Corona-Pandemie quasi ausgerottet zu haben, sie speien auch immer wieder wirklich interessante Metalbands an die Oberfläche. Hecatomb kommen aus der Metropole Melbourne und bestehen aus den beiden hübsch klingenden Musikern Rick Warkill und Magressor, die den Black/Death/Thrash rumpeliger Früh-90er-Couleur offenbar mit der Muttermilch gefüttert bekamen. Nur so ist das produktionstechnisch bewusst simple Gepoltere auf „Horrid Invocations“ schlüssig zu erklären. Frühe Kreator und Bathory dürften in den verstauben Kassettendecks rotiert sein, dazu kommt eine gruftige Grundatmosphäre. Gefällt! Ohne Bewertung
Hot Knives - Making Love To Make Music To Make Love To EP
Sechs Songs als ein Album zu bezeichnen ist ein bisschen übermütig, so viel sei gleich einmal vorhergeschickt. Ansonsten machen die New Yorker von Hot Knives auf „Making Love To Make Music To Make Love To“ einen durchaus schlanken Fuß und der Humorlevel ist auch absolut in Ordnung. Auf Trends wird geflissentlich geschissen und lieber im Rockbereich der guten alten Zeiten musiziert - freilich mit knackiger und moderner Produktion. Unsere Tiroler von Mother’s Cake dürften sich manchmal wiedererkennen, vor allem die psychedelischen Einsprengsel stehen den Ostküstlern sehr gut zu Gesicht. Rock mit Attitüde und einer gewissen Detailverliebtheit, davon braucht es derzeit dringend mehr. Good Job! Ohne Bewertung
Iceage - Seek Shelter
Depressiv angehauchter Britpop made in Dänemark - gibt’s! Iceage veröffentlichen dieser Tage mit „Seek Shelter“ eine regelrechte Perle der 90er-Gitarrenmusik, die sich manchmal an die Stone Roses anlehnt, manchmal an Oasis zur „Be Here Now“-Ära erinnert und auch die später eingesetzte Fuck-Off-Coolness der Arctic Monkeys im Gepäck hat. Dazu noch ein Schuss Pete Doherty. Anstatt sich zu wiederholen und die zuletzt eingeschlagene psychedelische Richtung zu reiten schauen die Skandinavier lieber aufs Songwriting und gehen einen Schritt zurück, um zwei nach vor zu machen. Das ist freilich mehr als legitim, zumal mit „Drink Rain“ auch ein Lounge-Jazz-Standard vorhanden ist. Was für verrückte Typen. „Seek Shelter“ funktioniert als geschlossenes Werk aber hervorragend und ist nicht nur etwas für unverbesserliche Prä-Millenniums-Nostalgiker. 7,5/10 Kronen
Inferno - Paradeigma (Phosphenes Of Aphotic Eternity)
Mit dem Gründungsjahr 1996 kann man die Tschechen Inferno durchaus schon zur alten Schule des Black Metal zählen. Wir werden halt alle nicht jünger. „Paradeigma“ schließt möglichst nahtlos an die Outputs der letzten Jahre an und zeigt die einst noch paganistisch angehauchte Truppe kompromisslos, okkult und weihrauchumnebelt. Frontmann und Bandchef Adramelech weiß nach so vielen Jahren natürlich, wie man ein satanisches Ritual so vertont, dass es gut bekömmlich ist. Pulsierende Drum-Teppiche, atmosphärische Bremser und Ausschlenker und dazu noch bewusst in den Hintergrund gepferchte Hall-Vocals geben Inferno eine eigenständige und spannende Note. Hier weiß jeder was er tut und das hört man dem Werk an. Sehr gelungen. 7,5/10 Kronen
Iron & Wine - Archive Series No. 5: Tallahassee Recordings
Könnt ihr euch noch an die Zeit erinnern, als Holzfällerhemden, gestriegelte Hipster-Bärte, Lagerfeuer-Atmosphäre und der Lumbersexual-Look noch nicht salonfähig war? Das war Ende der 90er-Jahre der Fall und genau dort hat Sam Beam eine Platte eingespielt, die bislang unter Verschluss war. Jener Sam Beam, der als Iron & Wine das bärtige Folk-Genre des neuen Jahrtausends entscheidend mitprägte und noch immer für grandiose Musik verantwortlich ist, wo andere längst die Spur verloren haben. Sub Pop haben wir es zu verdanken, dass die „Tallahassee Recordings“ nun doch nicht verschollen sind und unsere Herzen erfreuen. Elf verloren geglaubte Songs, Preziosen aus einer längst vergessenen Zeit, die sich wie eine Kuschelkatze anschmiegen und tiefste Emotionen wegen. Was für ein Geschenk - nicht nur für Fans und langjährige Liebhaber. Ohne Bewertung
Jordsjø - Pastoralia
Das titelgebende „Pastoralia“ soll laut Presseinfo ein utopischer Ort sein, wo jeder Tag wie eine tropische Nacht anmutet und die dort wohnhaften Lagefeuer ekstatisch ums Lagerfeuer tanzen. Wer jetzt an LSD-getränkte Esoterik-Fricklereien denkt, hat nicht unrecht, doch die Norweger von Jordsjø ergehen sich nicht in ausufernden Hippie-Elegien, sondern sind besonders große Fans den britischen 70er-Prog, heimischer, naturbelassener Folklore und einer gewissen Jazz-Kante, die aber niemals ins Unfassbare reicht. Die während der Corona-Phase März bis November 2020 in einem ländlichen norwegischen Keller aufgenommenen Songs des Duos sind gleichermaßen Märchenstunde, sie Space-Trip und Halluzinogen. Muss man mögen. Wenn das der Fall ist, schlägt es aber ein. 7/10 Kronen
Kataan - Kataan EP
Gitarrist und Sänger Nicholas Thornbury kennt man Vattnet Viskar, Drummer Brett Boland knüppelt für gewöhnlich bei Astronoid und hat sich hier im Studio auch noch den Bass umgeschnallt. Diese Underground-Fusion nennt sich Kataan und veröffentlicht als erstes Lebenszeichen seine selbstbetitelte Debüt-EP, die atmosphärisch in den düsteren Black Metal reicht, klanglich und produktionstechnisch aber moderner Death Metal ist. Modern aber ohne Core-Geschmäckle oder transgressive Djent-Anleihen, sondern einfach nur durchdringend, dicht und paralysierend. Dystopische Inhalte und depressive Imaginationen werden in immens strukturierte und gehaltvolle Songs gegossen. Das Debütalbum steht ante portas und wir können es kaum erwarten. Ohne Bewertung
Kayak - Out Of This World
Hierzulande nur in Szenekreisen bekannt, in ihrer holländischen Heimat eine Nummer-eins-Band, die sich beständig in den Charts verhaftet. Kayak, wahlweise als Art-Rock- oder Progressive-Rock-Band bezeichnet, ist mittlerweile 49 Jahre lang unterwegs und vor allem in Westeuropa eine gewichtige Größe. Warum dem so ist, kann man dem brandneuen Studioalbum „Out Of This World“ anhören, das sich gänzlich Trends und modernen Zugängen zu entziehen weiß und mit einer süchtig machenden Spielfreude der puren Kraft der Musik huldigt. 70 Minuten fiedelt und frickelt die Band dahin, aber immer im nachvollziehbaren Segment und ohne den Hörer groß zu überfordern. Dazu noch das malerische Cover mit dem Highway zum Mond. Massive 70er-Vibes, die guttun und ein umarmendes Gefühl der Gemeinschaft vermitteln. 7,5/10 Kronen
Sophia Kennedy - Monsters
An das famose Debütalbum aus dem Jahre 2017 erinnert man sich heute noch gerne zurück. Sophia Kennedy, geboren im amerikanischen Baltimore, wohnhaft im norddeutschen Hamburg, vermischte Indie-Elektronik, kruden Avantgarde-Pop und luzide Klangsphären mit ihrer durchdringenden Stimme, die Amy Winehouse nicht fern lag. Nach einem Dance-Album unter dem Banner Shari Vari gibt es vier lange Jahre später endlich den heiß ersehnten Nachfolger „Monsters“. Die Mischung aus Animal Collective, Winehouse und ihrer Liebe zur Disco (vor allem Italo!) lässt sich nicht verleugnen. Wo so viel Eklektizismus bei anderen anstrengend sein kann, wirkt er bei Kennedy charmant und kongruent. Das perfekte Album für den Heimweg nach einer durchzechten Nacht. Bald! 7/10 Kronen
Linn Koch-Emmery - Being The Girl
Wie machen das die Schweden immer wieder, frage ich mich? Ein Land, das ungefähr gleich viele Einwohner wie Österreich hat und aus allen Ecken und Enden grandiose MusikerInnen hervorbringt. Das nächste Beispiel ist die famose Linn Koch-Emmery, die auf „Being The Girl“ die große Pop-Geste, barocke Streicherarrangements und zeitgemäße Elektronik so scheinbar mühelos zusammenfügt, dass man sich vor frühlingshafter Freude am liebsten einen sattgrünen Grashügel runterrollen möchte. Das sehr persönliche, aber nie bedrückende Werk beeindruckt nicht zuletzt auch mit einer melancholischen Grundnote, die sich aber nie vor die optimistische Lebensbejahung drängt. Manchmal wünscht man sich noch ein bisschen mehr Schwung und Drive - aber Linn steht ja noch am Anfang. 7/10 Kronen
Claudia Koreck - Perlentaucherin
Bayrische Mundart, englischer Gesang, Weihnachtsalbum, Kinderalbum - es gibt so gut wie nichts, wo sich die Süddeutsche Claudia Koreck im Laufe ihrer zehn Studioalben nicht ausgetobt hätte. Nachdem ihr Nena-Cover von „Irgendwie irgendwo irgendwann“ in der ZDF-Sendung „Der Bergdoktor“ überraschend auf großen Anklang stieß war klar, dass ein ganzes Coveralbum die nächste Mission sein müsse - und das alles erstmals auf Hochdeutsch. So wagt sich die „Perlentaucherin“ an unterschiedliche Songs wie „Ein Kompliment“ der Sportfreunde Stiller, „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten, „Mensch“ von Herbert Grönemeyer oder „Rock Me Amadeus“ von holy Falco. Sanft, ruhig, bewusst akzentuiert. Ein durchaus schönes Werk. Ohne Bewertung
Kryptik Mutation - Pulled From The Pit
Leicht hat es man es nicht, wenn man sich an gut 35 Jahren Death-Metal-Historie messen lassen muss. Welchen Namen wählt man? In welche Subrichtung holzt man am liebsten? Wie soll das Posing auf den Bandfotos aussehen? Kryptik Mutation lässt sich zumindest leicht googeln und die texanischen Jungspunde haben auf ihrem Debütalbum „Pulled From The Pit“ auf jeden Fall eine Menge Spaß. Frontmann Christopher „ThrashHeavy“ eifert Frontdämon Glen Benton stimmlich fast deckungsgleich nach und auch die Riffs mäandern zwischen den Tampa-Bay-Holzern und Suffocation. Die Gitarrenspuren kennt man noch gut von den Hoffman-Brüdern, als die noch Deicide trugen. Ach ja - die Bandfotos sind relativ normal. Reicht ja am Ende auch. 7/10 Kronen
Last Days Of April - Even The Good Days Are Bad
Nun scheint Karl Larsson auch der letzte Funken gute Laune abhandengekommen zu sein. Die seit Mitte der 90er durch die Alternative-Rock-Szene musizierenden Schweden von Last Days Of April waren noch nie die größten Optimisten, aber „Even The Good Days Are Bad“ ist schon eine knackige Ansage. Die Songs auf dem ersten Werk seit sechs Jahren sind aber nicht brandneu, denn das Fundament legte Karlsson dafür schon zum Jahrtausendwechsel. So wirken die Themen auf der Indie-Pop-Perle fast schon prophetisch, doch Karlsson hat manche Texte und vor allem die Songstrukturen mit seinen zwei Mitstreitern auch zeitgemäß aktualisiert. An Stringenz und Stärken haben Last Days Of April nichts eingebüßt. Fans und Genre-Liebhaber werden hier nichts auszusetzen haben. 7/10 Kronen
Led To The Grave - Pray For Death EP
Als Amateurband, die im realen Leben handelsüblichen Jobs nachgeht ist es natürlich nicht einfach, im Feld der Musik immer Schritt zu halten, aber zwei Full-Length-Alben in 15 Jahren Bandgeschichte sind wirklich dünn. Das Bostoner Kollektiv von Led To The Grave hätte wohl auch jetzt nichts Neues rausgebracht, würde man sich mit den beiden Songs auf der EP „Pray For Death“ nicht für ihr neues Label vorstellen. Das gibt zumindest Hoffnung, dass in absehbarer Zeit doch wieder ein Album kommt, denn der mit knackigen Thrash-Riffs durchsetzte Death Metal moderner Prägung ist irgendwo zwischen neuen Carcass, At The Gates und Death angesiedelt und macht Spaß. Ohne Bewertung
Lùisa - New Woman
Wer sich im Fahrwasser des kanadischen Indie-Labels Nettwerk tummelt, dem kann man als Indie-Musikliebhaber blind vertrauen. So geschehen bei der Hamburgerin Lùisa, die dort einst ihre träumerischen Electro-Folk-Klänge präsentierte und mit Xavier Rudd und den Paper Kites auf Tour ging. Für ihr Drittwerk „New Woman“ unterzog sich die gebürtige Hessin zwar keiner Radikalkur, hat den zugänglich-poppigen Sound aber doch deutlich nuanciert. Die Melodien sind catchy, die Stimme warm und der Sound lässt auf eine gemütliche Nacht an einer Bar hoffen - oder gleich auf ein Konzert, wo sich Lùisa mit ihren Fähigkeiten, klangliche Brücken im Pop zu bauen, beweisen kann. In jedem Fall ist ihr Drittwerk mehr als gelungen und macht Lust auf mehr. 7/10 Kronen
Man On Man - Man On Man
Wie viele offen schwule Bands, die diese Thematik nach außen tragen und damit Sicherheit geben, motivieren oder Empowerment zeigen, gibt es? Viel zu wenige, so viel ist Gewiss. Abhilfe schaffen da die famosen Man On Man, die eigentlich nur eine Verlegenheitsband sind. Hinter dem Projekt stecken Faith No More-Keyboarder Randy Bottum und sein Freund Joey Holman, die vor gut einem Jahr plötzlich in der Pandemie-Quarantäne steckten und aus der Not eine Tugend machten: ein Album, da beide Musiker sind. Zuerst war es nur als Spaßprojekt für Freunde gedacht, aber die erste Single „Daddy“ stieß in und außerhalb der Queerness-Community auf Begeisterung. Heraus kam ein warmherziges, zwischen Pop, Elektronik und Rock mäanderndes Feel-Good-Album mit Message und Vorbildwirkung. Ein offenes und notwendiges Gesamtkunstwerk. 8/10 Kronen
Ethel Merhaut - Süß & bitter
Eine weite Reise zurück in die 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts wagt die preisgekrönte, israelisch-österreichische Sängerin Ethel Merhaut auf ihrem neuen Album „Süß & bitter“. Sie widmet sich in der Zwischenkriegszeit entstandenen Stücken von u.a. Friedrich Hollaender, Paul Abraham oder Michael Jary und setzt sie mit ihrer famosen Stimme und einer durchdringenden Präsenz perfekt für die Jetztzeit in Szene. Die Mischung aus Chanson, Jazz und Klezmer wirkt leichtfüßiger und zugänglicher als das Grundthema vermuten lässt. Merhaut steckt nicht in der Nostalgie fest und gibt den tiefgründigen Werken die nötige Portion Humor, die für zusätzliches Entertainment sorgen. 7/10 Kronen
Methadone Skies - Retrofuture Caveman
Künstler oder Bands aus Rumänien gelten in unseren Breitengraden nicht ganz zu Unrecht immer noch als sehr exotisch. Zu wenig wissen wir von der dortigen Szene. Zu selten taucht Musik aus den Untiefen der Karpaten auf. Die Mathadone Skies konzentrieren sich auf „Retrofuture Caveman“ auf lange, ausladende Songstrukturen. Schon der Titeltrack zu Beginn geht erst nach 18 Minuten über die Ziellinie, die Überlänge verlässt das Instrumental-Kollektiv auch im weiteren Verlauf nicht. Das klingt aber sperriger als es ist, denn die Osteuropäer wissen, wie man Post-Rock, Stoner-Referenzen und psychedelische Klangwelten zu einem lavaartigen Mahlstrom vereint, der vor allem unterm Kopfhörer für imaginäre Bilder ländlicher Weiten sorgt. In nur fünf Songs entführen uns Methadone Skies in eine Welt der paralysierenden Elegie. Strikt für Genre-Fans. Easy-Listening geht anders. 6,5/10 Kronen
The Mighty Mighty Bosstones - When God Was Great
Ska-Punk ist per se schon ein Stil, der eigentlich immer geht und zurecht für gute Laune sorgt. In Zeiten wie diesen benötigt man diese Leichtfüßigkeit umso mehr, wodurch das auch schon elfte Album der Mighty Mighty Bosstones zum richtigen Zeitpunkt kommt. Mit fast einer Stunde Spielzeit ist das Werk gar üppig ausgefallen, doch fad wird einem bei der schunkelnden Truppe glücklicherweise nie. Dass das Album, ko-produziert von Rancid-Legende Tim Armstrong, aus Gefühlen und Erfahrungen des Verlustes entstanden ist, hört man ihm zu keiner Sekunde an. Reggae und Pop-Feeling dürfen natürlich auch nicht fehlen. Nichts wirklich Neues im Haus der Bostoner, aber die alten Stärken wunderbar neu präsentiert. 7/10 Kronen
Mighty Oaks - Mexico
In punkto Wald- und Wiesenromantik kann den in Deutschland ansässigen, multinationalen Mighty Oaks niemand etwas vormachen. Im hauseigenen Keller haben sich Ian Hooper und Co. an die Aufnahmen zum vierten Werk gemacht und anstatt ausschließlich die grassierende Pandemie zu reflektieren ist man bei den Wahl-Berlinern einen Schritt weitergegangen. „Mexico“ dreht sich um psychische Probleme, Suchtverhalten und - in einem Song wie „Land Of Broken Dreams“ - die unumkehrbar scheinende Spaltung in Hoopers alter Heimat USA. Das alles wird trotzdem möglichst leichtfüßig und niemals übertrieben melancholisch präsentiert. Die neue Reife tut den zeitlosen Mighty Oaks gut, doch manchmal würde man sich schon etwas mehr Schwung wünschen. 6,5/10 Kronen
Chloe Moriondo - Blood Bunny
Als Chloe Moriondo vor einiger Zeit die große Weltbühne der Musik betrat, spielte sie Ukulele und wirkte wie ein unschuldiger Hippie. Die dazugewonnene Reife, die sie auf ihrem Album „Blood Bunny“ ausstrahlt hätte man ihr vor kurzem noch nicht zugetraut. Die erst 18-Jährige spielt mit ihrer persönlichen Teenage-Angst und lässt nicht nur Romantik, sondern auch Rachegedanken und ständiger Unsicherheit freien Lauf. Auf ihrem Zweitwerk mäandert sie zwischen juvenilem Pop-Punk und Indie-Rock hin und her und lässt die Vergangenheit maximal noch in den tiefsten Songstrukturen leicht aufleben. Eine Entwicklung und Wandlung, die ein perfekter erster Schritt für nächste Großtaten ist. 7,5/10 Kronen
New Order - Education Entertainment Recreation
Am 9. November 2018 spielten die grandiosen New Order im Londoner Alexandra Palace ihre einzige UK-Show dieses Jahres. Schon damals ein klanglich feiner Triumphzug von Bernard Sumner, Stephen Morris, Gillian Gilbert und Co. Natürlich schmerzt das Fehlen von Peter „Hooky“ Hook gewaltig, aber der kultigen Kompositionsgewalt der New-Wave-Legende kann man sich unmöglich entziehen. Nun gibt es den Kultauftritt auf BluRay und Doppel-CD unter dem Namen „Education Entertainment Recreation“ zu feiern. Fast zweieinhalb Stunden lang geht man mit der Band durch alle Epochen und lässt sich auf eine emotionale und musikalische Reise quer durch Zeit und Raum leiten. Wann geht endlich wieder live… Ohne Bewertung
Nordjevel - Fenriir EP
Der bitterböse Fenriswolf eignet sich immer gut als Blaupause für ein neues Black-Metal-Album - vor allem, wenn er am EP-Cover kompromisslos-beherzt ins Christentum beißt und dabei ist, einen Priester zu verschlingen. Die Zielgruppe frohlockt jauchzend, denn Nordjevel scheinen sich langsam aber sicher um ein neues Album zu kümmern. „Fenriir“ ist zumindest ein wertiger Appetizer, der die Norweger mit glasklarer Produktion, Hyperspeed-Drumming und satanischer Kante so erbarmungslos und klinisch perfekt wie eh und je zeigen. Weihrauch-Schmonz oder Kuttenromantik findet man beim Quartett noch nicht einmal im Detail, hier wird eher die Dark-Funeral-Schatulle geöffnet. Mehr Schwedisch als Norwegisch also. Schade natürlich nicht. Ohne Bewertung
People Club - Take Me Home EP
Sucht, Tod und Lieblosigkeit sind die hervorstechenden Themenkomplexe der Berliner People Club auf ihrer brandneuen EP „Take Me Home“. Was aber nach absolutem Downer klingt, ist musikalisch überhaupt nicht so zu verstehen. Die 2018 via Craigslist zusammengestellte Band, die kurioserweise aus keinem einzigen Deutschen besteht, sehen sich musikalisch in den souligen Popsequenzen der analogen 70er-Jahre verhaftet. Dementsprechend warum und zugänglich klingen auch die Songs auf der aktuellen EP, wo die Texte aber bewusst harsch gestaltet sind, um einen Kontrapunkt zu setzen. Ein interessantes und kurzweiliges Werk einer Band, von der man noch so einiges hören wird. Ohne Bewertung
Rag’n’Bone Man - Life By Misadventure
Mit der Single manövrierte sich Frontkoloss Rory Graham aka Rag’n’Bone Man vor etwa fünf Jahren aus dem Nichts in den Pop-Olymp. Die wuchtige Erscheinung gepaart mit einer noch wuchtigeren Stimme erwischte einerseits den Zeitgeist, andererseits die Herzen der Fans nach einer opulenten Bühnenpräsenz. Umso überraschender, dass er auf dem längst fälligen Nachfolgealbum „Life By Misadventure“ einen ganz anderen Weg wählt. Emotional, balladesk, zerbrechlich und ehrlich - nicht dermaßen überkandidelt und wesentlich nachdenklicher. Die Musik lässt ihm Räume, seine Stimme entfaltet er nicht immer komplett, sondern lässt sie auch mal zerbrechlicher im Hintergrund. „Anywhere Away From Here“, das Duett mit Superstar P!nk, ist natürlich das große Album-Highlight. Dazu verarbeitet er eine in die Brüche gegangene Beziehung und die turbulenten letzten Jahre. Leider bleiben Spannungsmomente und Einzigartigkeit dabei auf der Strecke. Quo Vadis, Big Man? 5/10 Kronen
Bebe Rexha - Better Mistakes
Der Platz an der Spitze des Mainstream-Pop ist dünn. Da darf man sich keine Fehler leisten. Dua Lipa hat vor ziemlich genau einem Jahr vorgezeigt, wie man sich neben einer Lady Gaga oder Taylor Swift behaupten kann. Bei der ebenfalls albanischstämmigen Bebe Rexha kann man nicht unbedingt davon sprechen. Im Gegensatz zu ihrem Debütalbum „Expectations“ versucht sich die extrovertierte Künstlerin zwar an einer größeren Vielseitigkeit, aber nach wirklich guten Songs wie dem Titeltrack oder „Sabotage“ verliert das Album in der zweiten Hälfte leider ordentlich an Drive. Die Features von Blink-182-Drummer Travis Barker oder Ty Dolla $ign sind mehr Name-Dropping als Qualitätssteigerung. Ein Flow mit Mainstream-Pop-Appel schaut leider anders aus. Trotz dicker Produktion bleibt hier ein bitterer Beigeschmack übrig. 5,5/10 Kronen
Seth - La Morsure Du Christ
Einen epischen und ziemlich breitflächigen Zugang zum Black Metal haben die Franzosen Seth aus der malerischen Weinstadt Bordeaux. Dass es das Quartett nach 26 Jahren und zahlreichen Alben noch immer nicht in die Oberliga gebracht hat ist nicht gerecht, denn auf „La Morsure Du Christ“, dem ersten Werk seit acht Jahren, zeigen Bandchef Heimoth und Co., wie man die kühle Atmosphäre der norwegischen Szene mit den Melodien der schwedischen verbindet und dabei noch immer einen sehr schlanken Fuß macht. 90er-Jahre-Legenden wie Kvist, Dark Funeral und frühe Dimmu Borgir dienten genauso als Blaupause, wie die Wiener Abigor in den schrägeren Momenten. Eine runde Nostalgieplatte mit viel Liebe und Leidenschaft. Mehr will man auch nicht. 8/10 Kronen
Skarlett Riot - Invicta
Metalcore-Fans der älteren Schule erinnern sich bestimmt an den mehr als inflationären Gebrauch von klinisch klingenden Drum-Stafetten, langweiligen Melodic-Metal-Riffs aus der Retorte und die ohrenbetäubende Mischung aus Clean- und Growl-Vocals? All das, was schon vor 10 bis 20 Jahren nicht mehr wirklich gebraucht wurde, holt das britische Kollektiv Skarlett Riot mit dem Zweitwerk „Invicta“ in die Gegenwart. Die Scunthorpe-Band rund um Frontfrau Skarlett Drinkwater langweilt nicht nur mit kompositorischer Ideenarmut, sondern auch mit klinischen Casting-Band-Klänen á la Amaranthe. Kann man sich maximal schwer betrunken bei einem Sommerfestival um 15.30 Uhr auf der dritten Bühne anschauen. Ansonsten gehört das schnell wieder weggesperrt. 2/10 Kronen
Squid - Bright Green Field
In der britischen Musikszene assoziiert man zu den Jahren des Brexit wohl nichts so sehr wie nihilistischen Post-Punk. Nach Shame und Dry Cleaning kommt mit Squid schon das dritte richtig dicke Genre-Highlight in diesem Jahr von der wundervollen Insel. „Bright Green Field“ ist ein eklektischer Mix aus urbaner Romantik, partiellen Math-Rock-Referenzen und archaischer Genialität. Ein Song wie „Pamphlets“ stellt sich offenherzig gegen rechtsgerichtete und inhaltsarme Propaganda, auf „G.S.K.“ (steht für GlaxoSmithKline) prangert man die Allmacht der Konzerne an. Manchmal ergehen sich die Musiker in improvisiert wirkende Jam-Sessions, manchmal sind sie konziliant und zugänglich. Auf jeden Fall aber stets angriffig und auf der Suche nach Neuem. Ein spannendes Werk, das seinen Vorschusslorbeeren gerecht wird und nach mehr lechzen lässt. 8/10 Kronen
Sufjan Stevens - Convocations
Wer sich, den Horizont des Pandemie-Endes fest im Blickfeld, noch einmal so richtig mit den vergangenen zwölf Monaten voller Ängste und Unsicherheiten befassen möchte, der setzt sich dieser Tage am besten den Kopfhörer auf und nimmt sich viel Zeit. Tausendsassa Sufjan Stevens veröffentlicht eine auf fünf Unterkapitel strukturierte Ambient-Platte namens „Convocations“. 49 Songs zwischen Synthie-Teppichen und Engelshören. Zwischen extraterrestrischen Klangkaskaden und erdigen Dissonanzen. Zwischen Ohnmacht und Hoffnung. Auslöser für das Monumentalwerk war der Tod von Stevens‘ biologischem Vater letzten Herbst. Doch für alle anderen ist es eine instrumentale und emotionale Corona-Abhandlung. Ein spezielles Werk. Ohne Bewertung
Will Stratton - The Changing Wilderness
Das Vermächtnis des großen Nick Drake trägt Will Stratton schon seit etwa 15 Jahren in die Gegenwart. Der Fingerpicking-Gitarrist und König der Introspektive liebt es, aus seiner inneren Gefühlswelt heraus für offene Lebensbeichten zu sorgen und hat in der Vergangenheit sogar seine Krebserkrankung aufs Songwriter-Tablett gelegt. „The Changing Wilderness“, Studiowerk Nummer sieben, ist eine erste Abkehr davon und verbindet sich mit der Welt da draußen, die Stratton in seiner Kunst nur sehr ungerne betritt. Der New Yorker sorgt sich um sein Land und die Stimmung der Bevölkerung. Das steht ihm mindestens genauso gut zu Gesicht wie der Blick nach innen. Wer Steve Gunn hört, wird auch Will Stratton schätzen. 7/10 Kronen
Sumo Cyco - Initiation
Wenn eine auf Metal basierende Band nach der Playlist-Generation der Gegenwart klingt, dann sind das definitiv die Kanadier Suomo Cyco. Für ihr Drittwerk „Initiation“ haben sie einen Vertrag beim Eisenerzer Branchenriesen Napalm Records ergattert und füllen die geifernden Futterluken der Fans mit dem bekannten Gebräu aus Modern Metal, Core-Derivaten, Skate Punk, Bubblegum-Pop, Elektronik und Millenniums-Alternative-Rock. Alles darf, nichts muss sozusagen, doch das Gekeife von Frontfrau Skye „Sever“ Sweetnam wird spätestens beim dritten Track langweilig und etwas affektiert. Im Vergleich zu anderen Bands ähnlicher Couleur bleibt der Spannungslevel bei Suomo Cyco musikalisch aber meist hoch und spannend. Modern music for modern people. 6/10 Kronen
Supervøid - The Giant Nothing
Das große, alles verschlingende, kompromisslose und unumstößliche Nichts. Astronomie-Interessierte unter den Lesern wissen ohnehin, dass die Sonne irgendwann zum roten Riesen wird und das ganze Universum dem Untergang geweiht ist. Das werden wir alle zum Glück nicht miterleben, aber das italienische Trio Supervøid lässt uns zumindest musikalisch vom großen Ende kosten. „The Giant Nothing“ ist ein schwer verdaulicher, aber spannender Brocken aus Post-Rock, Noise, Doom, Drone und - ja - wenn es ganz verrückt wird, etwas Jazz. Easy Listening hat hier natürlich keinen Platz, aber das soll bei einer derart apokalyptischen Vorstellung auch nicht der Fall sein. Rein instrumental stellt man sich die Fragen von Sinn und Existenz auf dieser Welt und kommt natürlich zu keinen Antworten. Der ideale Soundtrack für einen verregneten Frühlingstag. 6,5/10 Kronen
TEKE::TEKE - Shirushi
Was passiert eigentlich, wenn man Surf-Gitarren und eine Westernstimmung mit fernöstlichen Klängen vermischt? Die Antwort darauf geben die Kanadier von TEKE::TEKE, deren neues Werk „Shirushi“ in den Indie-Medien durchgehypt und als eines der interessantesten Alben des Jahres gesehen wird. Ein genauerer Blick und vor allem ein selbstständiges Hinhören lohnt sich aber, denn Kost für Jedermann klingt definitiv anders. Ursprünglich gründete man sich als Tribute-Band für die japanische Gitarrenlegende Takeshi Terauchi, doch daraus erwuchs mittlerweile eine ganz eigenständige Combo, die Performance und Innovation nicht nur als trockene Wortgebilde versteht. „Shirushi“ steht übrigens für große Veränderungen - der Titel ist Programm. Irres Teil. 6,5/10 Kronen
Van Morrison - Latest Record Project: Volume 1
Mit der Covid-Pandemie hat es das nordirische Raubein Van Morrison nicht so. Ein paar Songs und schräge Auftritte im Querdenker-Segment rückten den Grantler schon letztes Jahr in ein sonderbares Eck. Wenn ohnehin betuchte Kulturschaffende am lautesten Wettern, hat das stets einen bitteren Beigeschmack. Auf seinem 28 Songs starken Doppelalbum ist er mit seinem Blues-Gestus über alle Zweifel erhaben, doch die beständige Medien- und Social-Media-Kritik ist etwas einfach geraten. „Where Have All The Rebels Gone“, fragt der 75-Jährige und entblößt sich dabei als grantelnder alter Mann, der um sein mittägliches Goldbesteck fürchtet. Morrissey, Morrison - egal, irgendwie ist bei diesen Namen ein bisschen der Wurm drin. Wer sich den zähen Texten entziehen kann, wird natürlich wieder voll bedient. OK, Boomer. 7/10 Kronen
Nancy Wilson - You And Me
67 Jahre musste Heart-Co-Star und Rocklegende Nancy Wilson werden, um dieser Tage mit „You And Me“ ihr erstes richtiges Soloalbum zu veröffentlichen. Gut Ding braucht man manchmal Weile und so viel Zeit wie in den letzten Monaten hatte sowieso noch niemand je zuvor. Nach 35 Millionen verkauften Alben kann man sich auch locker Gäste wie Taylor Hawkins (Foo Fighters), Sammy Hagar (Van Halen) oder Duff McKagan (Guns N‘ Roses) leisten. Neben meist sanften, sehr balladesken Eigenkompositionen covert Miss Wilson auch Lieblingssongs von ihr wie Pearl Jams „Daughter“ oder „The Rising“ von Bruce Springsteen. Die Tribute-Nummer „4 Edward“ für Gitarrenlegende Eddie Van Halen rundet das zeitlose Teil ab. Natürlich ist „You And Me“ kein Megawurf oder eine Rock-Revolution, aber allemal ein großartiges Statement einer echten Legende. Und mit „The Dragon“ gibt es sogar eine richtig, rotzige 90s-Style-Nummer zu bestaunen. Rock’n’Roll! 7/10 Kronen
Amy Winehouse - At The BBC…
Wer von der großartigen und viel zu früh verblichenen Amy Winehouse nicht und nicht genug kriegen kann - und das sind im Endeffekt wir alle - der ist beim aktuell veröffentlichten Package „At The BBC…“ goldrichtig. Hier befinden sich 14, vorwiegend aus ihren Frühtagen stammende, Live-Performances, die nicht nur über den ewigen Hit „Rehab“ hinausweisen, sondern schon die frühe Genialität der vielleicht stimmgewaltigsten Sängerin der Neuzeit wiederspiegelt. Dass keine zweite Künstlerin der letzten zwei Dekaden für das Soul- und Jazz-Vermächtnis und -Verständnis wichtig war, liegt nach Genuss dieser bunten Palette an zauberhaften Aufnahmen erst recht auf der Hand. Tauchen Sie ein und lassen Sie sich einfach treiben. Es zahlt sich in jedem Fall aus. Ohne Bewertung
Pete Yorn - Rooftop EP
New Jersey besteht nicht nur aus Jon Bon Jovi. Pete Yorn treibt von dort aus seit vielen Jahren sein Unwesen und gilt als einer der versiertesten Singer/Songwriter der USA, der aber stets unter seinem Wert geschlagen wurde. Seine Songs wurden u.a. für „Dawson’s Creek“ oder „Smallville“ verwendet und er teilte die Bühne mit David Bowie, REM, Coldplay oder die Foo Fighters. Vor exakt 20 Jahren entstand sein kultiges Debütalbum „Musicforthemorningafter“, das er nun mit der EP „Rooftop“ feiert. Der einleitende Titeltrack etwa stammt aus den Songwritingsessions zum Debüt, zwei Live-Tracks und ein Song von einem Corona-Streamingkonzert runden das edle Package ab. Nicht viel Neues, aber von Pete Yorn kann man nie genug kriegen. Ohne Bewertung
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