Seit 2008 waren Patrizia Zoller-Frischauf und Bernhard Tilg als Landesräte Säulen der Regierung Platter. Damit ist es seit vergangenen Dienstag vorbei. Am Dienstag werden in einer außerordentlichen Landtagssitzung ihre Nachfolger gewählt. Im „Krone“-Interview blicken die Landesräte auf 13 Jahre zurück - offenbar ohne Groll.
„Krone“: Frau Landesrätin, Sie haben mit Ihrem Rücktritt per E-Mail dem Landeschef das Heft des Handelns aus der Hand genommen. Warum?
Zoller-Frischauf: Ich war mit dem Landeshauptmann hier eng abgestimmt und wir haben noch ein persönliches Gespräch geführt. Der Kandidat für meine Nachfolge stand fest und war informiert. Es waren also alle Fragen geklärt. Trotzdem ist das eine sehr persönliche Entscheidung, die ich selbstverständlich selbst verkündet habe.
Herr Landesrat Tilg, hat Sie das plötzliche Ende überrascht?
Tilg: Nach dem Rücktritt meiner langjährigen und sehr geschätzten Regierungskollegin Patrizia Zoller-Frischauf war der Moment für eine Regierungsumbildung grundsätzlich richtig und erfolgte auch abgestimmt und professionell. Es war zu jedem Zeitpunkt sichergestellt, dass die Regierung handlungsfähig bleibt.
Hat Ihr Rücktritt irgendetwas mit HG Pharma zu tun?
LR Zoller-Frischauf: Nein, absolut nicht. Mein Wechsel in den Landtag war bereits geplant und besprochen. Außerdem hatte ich in dieser Thematik weder mit der Vergabe noch mit der laufenden Kontrolle zu tun. Ich kenne auch die Vertreter der HG Pharma nicht und habe kein Naheverhältnis zu diesem Unternehmen.
LR Tilg: Die Entscheidung der Beauftragung der HG Pharma erfolgte im Krisenstab des Landes Tirol. Der vorliegende Sachverhalt hinsichtlich der Vergabe wird genauestens geprüft sowie analysiert und die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen HG Pharma wurde zwischenzeitlich beendet.
Herr Landesrat Tilg, wie nahe waren Sie in der Ischgl-Affäre im Vorjahr dran, alles hinzuschmeißen?
Tilg: Die Bewältigung der Covid-19-Krise hat uns alles abverlangt, auch mir. Der Schutz der Bevölkerung hatte für die Regierung immer höchste Priorität. In diesen sehr schwierigen Monaten 2020 war es mir immer klar, mich mit voller Kraft für das Land einzusetzen. Hinschmeißen und Davonlaufen ist nicht meine Art.
Frau Landesrätin, es wird gemunkelt, es hätte Streit mit Platter gegeben, Sie hätten gar keine Wahl gehabt, als die Reißleine zu ziehen.
Zoller-Frischauf: Ganz und gar nicht. Mit Günther Platter pflege ich seit 13 Jahren einen intensiven Austausch und eine enge Zusammenarbeit, die von Sachlichkeit und gegenseitigem Vertrauen geprägt ist. Daraus hat sich eine richtige Freundschaft entwickelt und daran hat sich seitdem auch nichts geändert.
War der Zeitpunkt optimal gewählt?
Zoller-Frischauf: Ruhig ist es in der Politik nie und den optimalen Zeitpunkt gibt es nicht. Mit der Öffnungsperspektive haben wir nun aber einen Wendepunkt in der Pandemie erreicht. Deshalb war der Zeitpunkt aus meiner Sicht richtig, auch weil zentrale Weichen zur Überwindung der Krise gestellt sind.
13 Jahre sind eine lange Zeit, was waren Ihre größten politischen Erfolge?
LR Zoller-Frischauf: Mehr als 90 Prozent der öffentlichen Aufträge bleiben im Land, Turbo für schnelles Internet und Digitalisierung der Wirtschaft, Breitbandausbau in den Regionen, Kindergeld Plus, höchste Schulstarthilfe aller Länder, neues Polizeigesetz, Bettlerregelung und vieles mehr. Der zentralste Punkt ist aber, dass sich Tirol bei den Wirtschaftsdaten seit 2008 vom hinteren Mittelfeld auf einen Stockerlplatz vorgearbeitet hat.
LR Tilg: Da gibt es mehrere Beispiele, u.a. die Reform des Rettungs- und Notarztwesens, die Palliativ- und Hospizversorgung, die Pflegeausbildung Neu, die Implementierung von Reha-Einrichtungen, die Spitalsreformen, den Strukturplan Pflege, die Technologieoffensive Tirol, die Tiroler Forschungs- und Wissenschaftsförderung oder die Gehaltsanpassung im Pflegebereich – ein österreichweites Vorzeigemodell – sowie das Tarifmodell Neu für alle Alten- und Pflegeheime.
Was hätten Sie im Rückblick anders machen sollen?
Zoller-Frischauf: Im Nachhinein würde man immer das eine oder andere vielleicht anders machen, aber Fleiß und eine attraktive Standortpolitik zahlen sich langfristig aus.
LR Tilg: Eine Pandemie, die in dieser Form noch nie eine Generation zuvor erlebt hatte, war für alle Politiker, medizinischen und wissenschaftlichen Experten eine große Herausforderung und eine große Lernkurve. Im Endeffekt ist es für alle auch ein exponentieller Erkenntnisgewinn. Im Nachhinein ist man meist gescheiter – es gibt aber sicher wesentliche Erkenntnisse. Im Gesundheitsbereich betrifft das die Themen Infektionsmedizin, Intensivbettenkapazitäten und den öffentlichen Gesundheitsdienst.
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