Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!
Aloa Input - Devil’s Diamond Memory Collection
Was aus dem weitläufigen und projektreichen Umfeld der Münchner Indie-Institution The Notwist kommt, kann man als Musikliebhaber ohne Vorbehalte und völlig frei konsumieren. Das ist beim dritten Album von Aloa Input rund um Angela Aux, Marcus Grassl und Cico Beck freilich nicht anders. Noch lange vor Corona arbeiteten die drei auf drei verschiedenen Kontinenten an 50 Songs, von denen 14 die Qualitätsprüfung bestanden haben. „Devil’s Diamond Memory Collection“ folgt dem losen Konzept, was man denn tun würde, wäre man der letzte Mensch auf dieser Welt. Daraus entspinnt sich eine Art Cyber-Utopia mit philosophischen und existenziellen Fragen, fein verpackt in ausgeruhten Indie-Slackern, die den 90er-Pullunder zur Wallung bringen. 7,5/10 Kronen
BAIBA - Lighter
Von Lettland nach Tirol. Auch keine übliche Verfahrensweise, aber die Wege in Zeiten offener Grenzen und unendlicher Reisemöglichkeiten sind unergründlich. Wir dürfen uns auf jeden Fall freuen, dass Baiba Dekena sich der malerischen Bergkulisse Westösterreichs verschrieben hat, denn auf ihrem neuen Album „Lighter“ beweist die Sängerin, Instrumentalistin und Produzentin, wie man Indie-Pop mit viel Selbstvertrauen und Melodiegespür in Mainstreamgefilde einpassen kann. Die dicken Bässe paaren sich mit tanzbaren Hooks und einer ausdrucksstarken, in viele Sphären ausufernden Stimme, die schnell bezaubert. So mancher Komposition würde ein bisschen Zurückhaltung in der Intonation guttun, aber „Lighter“ weiß schon, wie man sich in zeitgemäßen Elektronik-Popsphären bewegt. 7/10 Kronen
Charlie Benante - Silver Linings
Mit seiner „Quarantine Jam“-Videoserie war Anthrax-Drummer Charlie Benante schon früh beim ersten Lockdown einer der allerersten Musiker, die sich die prekäre und unerwartete Lage zu eigen machten, um sich virtuell kreativ auszutoben. Mit zahlreichen Freunden und Wegbegleitern von Slipknots Corey Taylor, über Musiker der Thrash-Institution Death Angel, Testament und Skid Row bis hin zu Anthrax-Bandkollegen coverte man sich durch Songs wie U2 „City Of Blinding Lights“, Massive Attacks „Teardrop“, Tom Pettys „Yer So Bad“ oder sogar „Bad Guy“ von Billie Eilish. Alles war erlaubt - Hauptsache kreativ und kurzweilig. Sämtliche Tracks hat Benante nun auf Polycarbonat vergossen, um sie als „Silver Linings“ zu vertreiben. Eine durchaus gute Idee. Ohne Bewertung
Blue Lab Beats - We Will Rise EP
Ihr seid noch auf der Suche nach dem perfekten Soundtrack für den Frühling? Na dann bitte - genau hinhören! Hinter Blue Lab Beats steckt das derzeit vielleicht zukunftsträchtigste und spannendste Produzentenduo straight outta London. In fünf leichtfüßigen, sommerlichen und trotzdem inhaltsschweren Songs werden auf der EP „We Will Rise“ Jazz, Rap, R&B, Soul, Elektronika und afrikanische Musik zu einer unwiderstehlichen Melange der Lebensfreude gemixt. Dass das visionäre Jazz-Kultlabel Blue Note zugegriffen hat, ist mutig und richtig, denn was Produzent NK-OK und Multiinstrumentalist Mr. DM hier an Clubfeeling und Verspieltheit kredenzen, ist wahrlich ein Festschmaus für die Ohren. Bitte alsbald mehr davon! Ohne Bewertung
Cadaveric Incubator - Nightmare Necropolis
Die Haare auf den Promobildern sind schon etwas licht - ein guter Indikator dafür, dass hinter Cadaveric Incubator keine Jungspunde stecken. Ist natürlich völlig egal, denn die Erfahrung macht’s. Das finnische Trio holzt seit einigen Jahren, aber mit großen Abständen sehr behände zwischen mittelalten Carcass, räudigen Autopsy und schwedischen Sunlight-Studio-Produktionen hin und her. Death Metal der schnellen, aber groovigen Sorte, der sich zwischen Blut und Beuschel einnistet, um mit wenig Innovation, aber umso mehr Spielfreude für geifernde Eiterwunden zu sorgen. In der Albtraum-Totenstadt gibt’s eben keine Zeit für Gnade - 90er-Todesmörtel-Aficionados jauchzen schon freudig. 6,5/10 Kronen
Caliban - Zeitgeister
Die große Freude bitte stecken lassen. Ein brandneues Studioalbum der klassischen Machart liefern die deutschen Metalcore-Legenden Caliban mit „Zeitgeister“ nämlich nicht ab. Mit dem Closer „nICHts“ gibt es eigentlich nur einen brandneuen Song, der Rest sind aber Bandklassiker bzw. Vergangenheitspreziosen, die komplett neu eingespielt und von Andy Dörner auf Deutsch eingesungen wurden. Das ist interessanter als in der Theorie klingen war, weil man zum Beispiel mit dem Song „Traum“ (im Original „Arena Of Concealment“) bis zum Debütalbum „A Small Boy And A Grey Heaven“ aus dem Jahr 1999 zurückgeht. Die Reise quer durch die reichhaltige Diskografie lässt das Fan-Herz freudig hüpfen, auch wenn sich bestimmt nicht jeder mit den deutschen Texten anfreunden wird. Ohne Bewertung
The Chills - Scatterbrain
Mehr als 40 Jahre Indie-Geschichte haben die Neuseeländer von The Chills mittlerweile auf dem Buckel, aber über die eigenen Landesgrenzen hinaus war die dort regelmäßig chartende Band meist nur absoluten Genreliebhabern aufgefallen. Das ist schade, denn auch „Scatterbrain“ zeigt das untrügliche Melodie- und Songwritinggespür dieser Liebhaberband, die aber mit Trends und zeitgemäßen Sounds freilich wenig am Hut hat. Im hohen Alter werden die Herren jedenfalls nochmal aktiv, denn das neue Werk ist das dritte innerhalb von sechs Jahren. Zwischen Verletzlichkeit, 80er-Indie-Gestus und Dreampop mäandern Martin Phillipps und Co. hin und her. Jüngeren Hörern kommt das bestimmt ziemlich altbacken vor, doch gerade in der zur Schau gestellten Tradition wissen die Insulaner zu überzeugen. Macht Spaß und lädt zum Schwelgen ein. 7,5/10 Kronen
J Cole - The Off-Season
Das einer der erfolgreichsten und spannenden Rapper der Welt in Frankfurt am Main geboren wurde, ist schon ein schönes Stück. J Cole kam auf einer Militärbasis auf die Welt und wanderte schon als Baby mit der Mutter nach North Carolina aus - seit 2011 eroberte mit jedem seiner fünf Alben die Spitze der US-Charts und das wird sich auch mit dem sechsten Streich „The Off-Season“ nicht ändern. Mit oder ohne Features bewegt sich Cole mal emotional, mal angriffig, mal entspannt durch die einzelnen Tracks, die nicht nur technisch, sondern auch vom Gefühl her immer ins Schwarze treffen. Hip-Hop the old school way, aber ohne zeitgemäße Techniken zu vernachlässigen. Ein absoluter Banger, dessen Erfolg zurecht garantiert ist. 7,5/10 Kronen
Crucifixion Ritual - Gouging The Eyes Of Angelic Purity EP
Mit War Metal ist das so eine Sache. Wenn man sich selbst mit großer Liebe zur Kellerassel bekennt, die Melodien zutiefst verachtet und sich am liebsten selbst mit dem Presslufthammer die Gehörgänge spült, dann ist man immer richtig. Hinter Crucifixion Ritual steckt eine Ein-Mann-Studioarmee und die drei Songs auf der schmucken EP „Gouging The Eyes Of Angelic Purity“ triefen nur so vor lebensverneinendem Gerumpel und akustischer Totschlagfantasien. Irgendwo zwischen Beherit und Blasphemy knallt man sich durch die Botanik und hinterlässt nichts als verbrannte und vermoderte Erde. Ein Parforce-Ritt durch die Untiefen des Bestialischen. Geil oder unnötig - je nach Geschmack. Ohne Bewertung
Djevel - Tanker Som Rir Natten
Wo Faust draufsteht, ist Qualität drin. Die umstrittene Emperor-Legende liefert endlich wieder ein neues Djevel-Album ab und denkt gar nicht daran, irgendetwas am bisherigen Kurs des klanglichen Puritanismus zu verändern. „Tanker Som Rir Natten“ ist vom Cover-Artwork über die Besetzungsliste und die rein norwegischen Songtexte bis hin zum klirrend-kalten Sound alles das, was wir seit ungefähr 1992 aus dem norwegischen Black Metal verinnerlicht haben und lieben. Vor lauter Taake-, Darkthrone- und Kvist-Ehrerbietung gibt es überhaupt keine Zeit durchzuschnaufen. Wütend, bitterböse, kalt, schneidend und hasserfüllt - so, wie man Black Metal aus dem nördlichen Zipfel Europas kennt und mag. Sehr gelungen! 8/10 Kronen
Dordeduh - Har
In Rumänien geht freilich nichts ohne die Metal-Nationalhelden Negura Bunget. Sämtliche anderen Projekte scheinen aus der Rinde der osteuropäischen Stützpfeiler geschnitzt zu sein. So verhält es sich auch mit den naturbelassenen Atmospheric-Folk-Black-Metallern Dordeduh, deren Köpfe Edmond „Hupogrammos“ Karban und Cristian Popescu vorwiegend dort für Aufregung sorgen. Auf dem ersten Dordeduh-Album seit neun Jahren überzeugt das Quintett einmal mehr mit gediegener Wald-und-Wiesen-Romantik und dem Wechselspiel aus hymnischer, fast sakral anmutender Folklore und harschen Ausreißern. „Har“ ist die perfekte Mischung aus wilder Ausuferung und entschlackter Zurückhaltung. Ein reichhaltiges Festmahl für aufgeschlossene Genre-Fans, das über fast 75 Minuten lang in die Karpaten führt. Ein Klangerlebnis der besonderen Güte. 7,5/10 Kronen
The Ember, The Ash - Fixation
Die Selbstvermarktung funktioniert beim kanadischen Alleinunterhalter The Ember, The Ash. Der Stilverweigerer mit einer großen Liebe zu sterilen und möglichst technisch-perfekten Klängen hat ganz dem Zeitgeist entsprechend schon im Vorfeld mehr als die Hälfte der Songs seines Zweitwerks „Fixation“ veröffentlicht, um das Zielpublikum möglichst konstant bei der Stange zu halten. Das Konzept ist freilich schwerwiegend. Hinter den Frickeleien verbergen sich wahre und halbfiktive Geschichten zum Thema psychische Erkrankung einerseits als direkt, andererseits als indirekt Betroffener. William Melsness führt uns ein weiteres Mal in seine ganz eigene, schwermütige Welt innerer Querelen. Interessant und spannend, aber streckenweise auch zäh und mühselig. 6/10 Kronen
Frost* - Day And Age
Frost mit Stern sind eine in Szenekreise mehr als gut bekannte britische Prog-Rock-Supergroup rund um Jem Godfrey (schrieb einst Atomic Kitten Hits auf den Leib), deren Mitglieder sich in Combos wie Arena, IQ oder It Bites tummeln oder tummelten. Alle paar Monde wieder findet man sich für ein neues Frost*-Album zusammen und mit „Day And Age“ ist es wieder soweit - klar, in der Pandemie war ja Zeit für die Gaude. Wie immer präsentiert sich das Insel-Kollektiv leichtfüßig und zugänglich, dieses Mal vielleicht sogar etwas mehr als sonst. Die Eingängigkeit, die Songs wie „Waiting For The Lie“ oder „Island Life“ vermitteln sind schon mehr poppig als proggig. Wer sich daran nicht stößt, hat hier große Freude. Bahnbrechend klingt aber anders. 5,5/10 Kronen
Gastric Phantasm - Gastric Phantasm EP
Und noch einmal Knüppel aus dem Sack. Davon gibt es in dieser Feiertagswoche wahrlich zuhauf. Gastric Phantasm aus Denver, Colorado, machen schon auf dem mit klaffenden Wunden verzierten Cover-Artwork ihres Debüt-Kassettentapes (!) unmissverständlich klar, wohin die Reise geht. In weniger als zehn Minuten läuft das Trio mit dem optischen Waldschrat-Shouter dann in die Ziellinie und knickt dabei nicht nur die Wiesenblümchen um. Rüder und bewusst schwachbrüstig produzierter Goregrind der Marke alte Gorguts, Dead Infection oder Demilich ist angesagt. Ein wildes Potpourri aus Kesselgeknarze und rasanten Gitarrenabfahrten, möglichst stumpf und nihilistisch. Why not? Ohne Bewertung
Grave Miasma - Abyss Of Wrathful Deities
Mit dem Extreme Metal aus Großbritannien ist es meist nicht so gut bestellt, wie man anhand der Landesgröße vermuten könnte, doch auf Grave Miasma ist Verlass. Die Londoner brauchen zwar immer eine gefühlte Ewigkeit für neues Material, doch der Qualitätslevel passt und ist stets hoch. Das ist auf „Abyss Of Wrathful Deities“ nicht anders, wo sich Black- und Death-Metal die Klinke in die Hand geben. Allerlei Okkultes. Transzendentales und Außerweltliches durchzieht die einzelnen Kompositionen, die sich weniger an skandinavischer Melodiefreudigkeit, sondern vielmehr an einer französischen oder US-amerikanischen Brutalität orientieren. Morbid Angel als Referenz heranzuziehen reicht sicher nicht zu kurz. 7,5/10 Kronen
Juliana Hatfield - Blood
Hinter der zarten und jugendlich wirkenden Stimme befindet sich eine echte US-Indie-Ikone. Juliana Hatfield erfreut uns seit fast 30 Jahren mit inhaltsgeladenen Klängen zwischen persönlichen Problemen und Gesellschaftskritik und anno dazumal war durch ihre Beziehung mit Lemonheads-Mastermind Evan Dando auch semiprominent in der Gossip-Welt vertreten. Das ist zum Glück vorbei, auf ihrem 19. (!) Studioalbum „Blood“ regiert eine interessante Mischung aus 90er-Schrammelgitarren, zarter Millenniums-Indienote und zeitgemäßer Elektronik. Man will ja nicht ganz aus dem Raster der jüngeren Generationen fallen. Sie rechnet mit den Umbrüchen ihrer Heimat in den vier Jahren Trump-Jahren ab und erzählt auch, was die Ära mit ihr selbst gemacht hat. Manchmal etwas zu gleichförmig, aber mit Herz und Hirn exerziert. 7/10 Kronen
Hore - Siostry Wiedźmy
Black Metal ist diese Woche wirklich extrem stark vertreten, woran auch immer das liegt. Hore stammen aus dem fast benachbarten Polen, haben sich vor drei Jahren formiert und in dieser Zeit schon ordentlich viel gelernt. „Siostry Wiedźmy“ ist ein klangliches Amalgam aus knüppelndem Old-School-Black-Metal der landesüblichen Machart, entrückten Post-Passagen und einer etwas kruden und nicht immer passenden Liebe zum Jazz. Der mit „Sisters Of The Witch“ beziehende Albumtitel führt in die grobe textliche Richtung. Ein bisschen Satanismus und Hexenwerk, dort etwas Goethe und folkloristische Sagen mischen sich auch noch rein. Der Wunsch zur Eigenständigkeit wirkt dann aber manchmal doch etwas sehr erzwungen und ein Saxofon macht nicht automatisch mehr Freude. 5/10 Kronen
Hörst - 8-bit
Sogenannte Nerd-Bands gibt es im großen globalen Kosmos schon so einige. Etwa die amerikanischen Thrash Metaller Okilly Dokilly, die ausschließlich aus Mitgliedern im Ned-Flanders-Look bestehen. Optische Verkleidungen sind bei den Österreichern Hörst noch nicht state of the art, aber das unzweideutig „8-bit“ benannte Album ist ein Nerd-Rock-Werk der Sonderklasse. James Bond, „Star Wars“, „Game Of Thrones“, der Videospielklassiker „The Legend Of Zelda“ oder „Harry Potter“ - hier ist alles erwünscht und erlaubt, was Spaß macht und am Erwachsenwerden hindert. Musikalisch bringt das Rock-Gemisch mit Power-Chord-Riffs nur leider keine großen Überraschungen. Die Zielgruppe ist aber ohnehin angesprochen. 5,5/10 Kronen
Iosonouncane - IRA
Hinter dem doch etwas holprigen Pseudonym Iosonouncane steckt der sardische Musiker und Vollblutkünstler Jacopo Incani. Mehr als fünf Jahre lang hat er akribisch und leidenschaftlich an seinem dritten Album „IRA“ gearbeitet und gleichermaßen für Musik, Text, Komposition und Arrangement gesorgt. 17 Songs mit mehr als zwei Stunden Spielzeit hat der Perfektionist mit zahlreichen Gästen auf seinem konzeptionellen Monumentalwerk verewigt. So trifft den Partituren nachempfundene Klassik auf Elektronik, nordafrikanische Rhythmen, Jazz und Psychedelik. Eine wilde, nur schwer fassbare Klangwundertüte ohne Grenzen und Richtlinien, die tolerante Hörer durchaus begeistern kann. Einen Versuch ist es wert. 7/10 Kronen
Alan Jackson - Where Have You Gone
Seien wir uns ehrlich, einer musste die Frage ja einmal stellen: Was ist aus der guten alten Countrymusik geworden? Wer, wenn nicht Szenelegende Alan Jackson aus Georgia, der der Klaviere und Fiddle & Steel vermisst, sich über die textlichen Belanglosigkeiten und großspurigen Pop-Inszenierungen mokiert. Und ja, es mag vielleicht ein bisschen ewiggestrig anmuten, aber auch wenn der US-Country in den höchsten kommerziellen Sphären vorgedrungen ist, die erdige Bar-Atmosphäre für das nächste Scheunenfest hat er längst eingebüßt. Gleich 21 Songs mit mehr als einer Stunde Spielzeit finden sich und berichten von persönlichen Rückschlägen, Unsicherheiten und whiskydurchtränkten Nächten. Genre-Purismus in seiner schönsten Form - was dezidiert positiv gemeint ist. 7,5/10 Kronen
Damien Jurado - The Monster That Hated Pennsylvania
Wer sich für seinen eigenen Sound von Lou Reeds „The Bells“ und Paul McCartneys „Ram“ inspirieren lässt, ist schon einmal auf dem richtigen Weg. Der Seattler Vielarbeiter Damien Jurado, dessen letztes Album noch kein Jahr zurückliegt, hat für sein neuestes Werk „The Monster That Hated Pennsylvania“ sogar ein eigenes Label gegründet. Unabhängigkeit galore sozusagen. Zehn kurze Songs im Slow- und Mid-Tempo-Folk-Bereich, die im wahrsten Sinne des Wortes einen Sofa Sound darstellen und in denen der Songwriter von unterschiedlichen Menschen erzählt, die schlimmen Schicksalen trotzen und sich nicht unterkriegen lassen. Eine sanfte, melancholische Reise zu all jenen, die man viel zu oft nicht beachtet und ignoriert. Ein schlichtweg schönes Werk. 7,5/10 Kronen
Levara - Levara
Protektion ist ein wichtiges Gut, das weiß man wohl nirgendwo besser als bei uns in Österreich. Daran lag es zumindest, dass eine Band namens ZFG in der Prä-Corona-Ära als Vorband von Toto tourte. Der Grund dafür? Frontmann Trev Lukather ist der Sohnemann von Toto-Gitarrenlegende Steve Lukather. Der hat mit Jules Galli und dem einstigen One-Direction-Drummer Josh Devine nun den dringend notwendigen Namenswechsel zu Levara vorgenommen und zeigt sich im besten Pop-Rock-Gewand, wie man es von Daddy oder den famosen Cheap Trick kennt. Mit ihrer melodischen Zugangsweise erinnert das Trio wahlweise an eine Light-Version von Alter Bridge oder ein bisschen an Coldplay, würden die noch Eier in der Hose und echte Gitarren auf der Bühne haben. „Levara“ ist aus der Zeit gefallen und weist keine wirklich großen Hits auf, könnte zur Karriereverselbstständigung des jungen Lukather aber der notwendige Schritt sein. Weitermachen! 6/10 Kronen
Udo Lindenberg - Udopium: Das Beste
Am 17. Mai feiert er seinen 75. Geburtstag - das bedeutet gleichzeitig, dass der große Udo Lindenberg mittlerweile auf gut 50 Jahre Karriere zurückblicken kann. Das muss man natürlich würdig zelebrieren und wie ginge es besser als mit dem üppigen Monumentalwerk „Udopium: Das Beste“, auf dem nicht weniger als 75 Songs aus seiner gesamten Schaffensphase verbraten werden. „Hoch im Norden“, „Ruti Ratlos“, „Der Malocher“, „Einer muss den Job ja machen“ - nichts fehlt. Und natürlich gibt’s auch neues Material. Mit gleich vier brandneuen Songs, alle durchaus von hoher Qualität und mit dem üblichen Udo-Touch runden die Geburtstagsfeierlichkeiten schlussendlich mehr als würdig ab. Da bleibt einem nur zugreifen übrig. Selbst dann, wenn schon alles im Schrank steht. Ohne Bewertung
Link Protrudi And The Jaymen - The Best Of…
Mit den legendären Fuzztones schrieb der Amerikaner Rudi Protrudi in den 80er- und frühen 90er-Jahre Garage-Surfrock-Geschichte und dieser Tage wird gut zehn Jahre nach der Originalveröffentlichung eine Best-Of seiner Spin-Off-Band Link Protrudi And The Jaymen wiederveröffentlicht. Kurze und knackige Rock’n’Roll-Rhythmen mit viel Pomade in den Haaren und Zahnstocher-im-Mund-Feeling, die kurzweilig, flott, dreckig und punkig all das verinnerlichen, was man in der Szene liebte und liebt. Studioaufnahmen, Live-Club-Erinnerungen und Songs im Demostadium - alles ist vorhanden, nichts bleibt verborgen. Ein wichtiges Stück Underground-Zeitgeschichte. Ohne Bewertung
Moglee - Sonnentage
„Moglee“ Jedlička, künstlerisch versierter Wiener Neustädter, hat sich in seinen jungen Sturm-und-Drang-Tagen schon am Punk versucht und als DJ gejobbt. Seine musikalische Heimat scheint er nun aber im wesentlich filigraneren Singer/Songwriter-Pop-Genre gefunden zu habe. Die anfängliche Hip-Hop-Lastigkeit hat Moglee aufgrund seiner emotionalen und atmosphärischen Texte aufgegeben, was dem Gesamtpaket auch besser zu Gesicht steht. Die „Sonnentage“ sind freilich keine zwanglose Palette lebensbejahender Spaßhymnen, denn bei Akustikgitarre und sanften Beats haben Songs wie „Mitternacht“, „Taub“ oder „Distanz“ eine durchaus düstere Dringlichkeit. Ein bisschen mehr Abwechslungsreichtum würde zukünftig nicht schaden. So ist das Werk doch gar sehr schwer geraten. 6/10 Kronen
Molden/Resetarits/Soyka/Wirth - Schdean
Wenn dieses kultige Austropop/Wienerlied/Singer/Songwriter-Quartett aufeinandertrifft, dann ist allerhöchste Qualität garantiert. Das war so, ist so und wird immer so sein. Vier Ausnahmekönner mit der Liebe zu Wiener Geschichten, einem Glaserl Gemischten Satz und der morbiden Melancholie singen im stärksten Dialekt über den „Schani Onggl“, offenbaren „Da Geisd bin i“ und fahren mit ihrem Publikum auf der „Laundschdrossn“. Schrammel-Chic und gelebte Authentizität treffen auf Virtuosität, Western-Touch und echte Hingabe. Ein freudiges und mehr als gelungenes Ereignis. 8/10 Kronen
The Monolith Deathcult - V3-Vernedering: Connect The Goddamn Dots
Vor 10 bis 15 Jahren waren die holländischen Weirdos von The Monolith Deathcult einmal eine der spannendsten und angesagtesten Bands im Death-Metal-Underground. Die Vermischung aus bolzendem Industrial mit viehischem Death Metal und durchaus provokativen bis grenzwertigen Texten („Kindertodeslied“) war nicht leicht bekömmlich, aber hochinteressant und spannend. Ihr Mojo haben die Niederländer leider schon vor einigen Alben verloren und das ändert sich auch auf dem neuen Konzeptwerk über allerlei Mechanisches, Extraterrestrisches und Antireligiöses nicht mehr. Flotte Riffs und kellertiefe Growls allein reichen leider nicht, um aus dem großen Wulst des Mitbewerbs rauszustechen und so bleibt doch der verklärte Blick in die nostalgische Vergangenheit. Die Band nennt die Schritte „Erweiterung“, ich „zunehmende Ideenlosigkeit“. Entscheidet selbst. 5/10 Kronen
Morcheeba - Blackest Blue
Wenn die Welt aus den Angeln zu geraten scheint und man das Gefühl hat, man könne sich auf überhaupt nichts mehr verlassen, dann muss man nur eine gute Morcheeba-Platte auflegen und sich einen Tee machen - schon sieht die Lage anders aus. Seit mehr als 25 Jahren verzaubern uns die auf das Duo Skye Edwards und Ross Godfrey dezimierten Londoner mit melancholischen und psychedelischen Trip-Hip-Entspannungshymnen. Auf dem zehnten Werk „Blackest Blue“ gießt das kongeniale Duo die aktuelle Düsterstimmung rund um Pandemie, Klimakrise und politische Umbrüche einmal mehr in ein gediegenes Songkorsett, das niemals eilt, um sein Ziel zu erreichen. Zwischen dem getragenen „Oh Oh Yeah“, der Hymne „Namaste“ oder „Falling Skies“ schwelgt sich ein kompositorischer Bogen, der luzide Imaginationen heraufbeschwört. 7,5/10 Kronen
Arvid Nero - Little White Dove
In Schweden ist Arvid Nero nicht ganz zu Unrecht schon ein nationaler Superstar. Preisnominierungen und ein reichhaltiges Live-Publikum hat sich der Skandinavier zuerst mit der EP „Introducing Arvid Nero“ aufgebaut, bevor er mit seinem Debütalbum „Mother Earth“ für Furore sorgte. Mit „Little White Dove“ sollte nun bestmöglich der Sprung über die Landesgrenzen hinaus gelingen, was angesichts des wirklich guten Materials auf jeden Fall möglich ist. Das Werk beschäftigt sich einerseits stark mit Eindrücken und Erlebnissen aus seiner frischgebackenen Rolle als Vater, andererseits mit der immerwährenden Frage, warum wir uns und dem Planeten so gerne so viel Unheil antun. Die Antwort findet Nero nicht, aber mit seiner souligen und zutiefst herzhaften Zugangsweise macht zumindest die Suche danach Spaß. Ein famoses Album. 7,5/10 Kronen
Oriflamme - L’egide Ardente
Mit dem beliebten und immer bekannter werdenden Strategie-Kartenspiel haben die hier vorliegenden Oriflamme recht wenig zu tun. Das Duo aus dem Extreme-Metal-Kreativhotspot Quebec im kanadischen Montreal geht auf „L’egide Ardente“ mit dichten Klangsphären auf die Black-Metal-Pirsch und handhabt seine Vorgehensweise vorwiegende episch, schleppend und - wenn rasend - immer getragen und galoppierend. Nordische 90er-Heroen wie Kampfar, Borknagar oder vereinzelt sogar Windir haben hier ihre Spuren hinterlassen, doch Oriflamme setzen ihren Schwarzmetall druckvoller und - als bewusstes Stilmittel - redundanter um. Manche Längen lassen sich dabei nicht ganz überdecken, aber alles in allem ist das Debütalbum eine mehr als solide Vorstellungsrunde einer zukünftigen Festival-Highlightband. 6,5/10 Kronen
Pools - You & Us
Frontmann Arvid Hällagård kennt der eine oder andere wahrscheinlich von den schwedischen Stoner-Heroen Greenleaf, die auch schon mehrmals in Österreich musizierten. Mit Kumpel und Multiinstrumentalist Fredrik Forell hat er nun die eher mäßig googlebare Band Pools ins Leben gerufen, um auf Alt-Americana-Spuren zu wandeln und die schwedische Landschaft gegen die unendlichen Weiten des US-Mittelwestens zu tauschen. Das Debütalbum „You & Us“ schreckt in Songs wie „Walk“ auch nicht vor Banjo-unterstützten Gospel-Klängen zurück und bietet somit ein ganz besonderes Hörvergnügen, dass sich ganz in der US-Südstaatentradition verorten lässt. Gerade diese Richtung sollte man aber noch stärker ausleben - es macht Sinn. 6,5/10 Kronen
Psychonaut/Saver - Emerald
Brüder im schwermütigen Geiste sind die beiden Post-Rock-Combos Psychonaut und Saver, die nicht nur in ähnlichen musikalischen Gewässern fischen, sondern offenbar auch sonst gut miteinander klarkommen. Die hier vorliegende Split „Emerald“ enthält zwar nur je einen Song der beiden Combos, dafür blähen diese sich auf fast 20 Minuten Spielzeit auf. Die Beliger von Psychonaut sind mit „The Great Realisation“ einen kleinen Zacken zugänglicher und mannschaftsdienlicher, während die Kollegen aus Norwegen mit „Dimensions Lost, Obscured By Aeons“ lieber die gruslige Geisteratmosphäre ans Tageslicht beschwört. Und wie sie oft ist das Krudere, Verschrobenere am Ende halt auch interessanter. Wertet selbst. Ohne Bewertung
Fatima Al Qaridi - Medieval Femme
Weibliche Produzenten sind im professionellen Musiksegment leider noch immer viel zu selten im Vordergrund. Umso schöner, wenn sich dann die eine oder andere völlig eigenständig und mit großem Können zu präsentieren weiß. Etwa Fatima Al Qaridi, die auf „Medieval Femme“ Emanzipation, Mittelalter-Klänge und traditionelle arabische Soundstrukturen vermischt. Zwischen Depression und Verlangen mäandern die instrumentalen Tracks, die mühelos eine besonders eindringliche Atmosphäre evozieren und die Vergangenheit mit einem futuristischen Zugang verknüpft. Ein mehr als interessantes Unterfangen. 7/10 Kronen
George Ragan The Dead Son - The Abyss
Was für ein Kurswechsel, das sei gleich einmal eingangs angeführt. Hinter dem Projekt The Dead Son steckt niemand Geringerer als George „Johnny 3 Tears“, seines Zeichens Rapper, Bassist und Gründungsmitglied der leidlich anstrengenden Hollywood Undead, die erst vor wenigen ein ziemlich beliebiges Rapcore-Nu-Metal-Werk in den Orbit geschossen haben. Auf „The Abyss“ regieren dafür sanfte Klänge zwischen Singer/Songwriter-Tum, atmosphärischem Pop und einer hemdsärmeligen Nashville-Atmosphäre. Der raue Frontmann verknüpft dabei moderne elektronische Elemente mit einem basischen und sehr gediegenen Songwriting, was den Songs gut zu Gesicht steht. Die sehr persönlichen Songs rutschen zwar zu oft ins Kitschige ab, aber für ein Debüt ist das durchaus gehaltvoll. Und besser als die Hauptcombo allemal. 6/10 Kronen
Raincoast - Raincoast EP
Das war aber nur ein kurzes Vergnügen. Die Basler von Raincoast haben erst vor zwei Jahren ihre Debüt-EP veröffentlicht, haben aber offenbar schon jetzt wieder genug vom gemeinsamen Musizieren. Das ist schade, denn der träumerisch-schwelgerische Indie-Pop mit funkiger Bilderbuch-Schlagseite ist jetzt nicht sonderlich innovativ, aber mit viel Herzblut und Können exerziert. Das merkt man auch den drei Abschlusssongs an, die allesamt zu überzeugen wissen. Zwischen 90er-Indie-Gedächtnisgitarren, sommerlichem St.-Tropez-Feeling und einer wärmenden Nostalgie holen einen „Basement Mom“, „Wherever You Are“ und „Nie Belungen“ ab. Farewell. Es war kurz, aber schön. Ohne Bewertung
Scar Of The Sun - Inertia
Mit Trends von Vorvorgestern kennt sich unsere steirische Edelstahlschmiede Napalm Records leider sehr gut aus. Nicht viel anders ist es um die Griechen von Scar Of The Sun bestellt. Die glänzten schon in der Vergangenheit eher wenig und auch der Wechsel vom italienischen Scarlet Records in die österreichische Waldlandschaft trägt nicht viel zur Situationsverbesserung bei. „Inertia“ ist eine unentschlossene Mischung aus 90er-Schweden-Melo-Death („Quanton Leap Zero I + II“), mit Clean-Vocals durchsetzten Melodic Metal und bollernden, glatt produzierten Metalcore-Breaks frei nach Schema F. Modern Metal und leichte Gothic-/Dark-Rock-Anleihen dürfen natürlich auch nicht fehlen. Wenn schon, denn schon. Wer das 2021 noch braucht können sich die Südeuropäer wahrscheinlich selbst nicht beantworten. Finger weg. 3/10 Kronen
Seventh Crystal - Delirium
Schweden, Melodic Rock, hohe Qualität, wieder mal. Das klingt jetzt natürlich abwertender als es gemeint ist. Eigentlich spricht wohl der Neid aus einem, denn ist es schier unfassbar, mit wie vielen musikalischen und kreativen Talenten dieser Neun-Millionen-Einwohnerstaat gesegnet ist. Dicke Melodien, epische Chöre und die in diesem Genre so geschätzte Breitbeinigkeit machen den Großteil der Magie aus. „Delirium“ ist ein Album, dass den 80er-AOR mit seltenen progressiven Elementen verknüpft und daher etwas schwerer zugänglich ist als die Hitschmiede H.E.A.T. „Schwer“, sollte man sagen, denn Ohrwurmqualität ist hier ausreichend vorhanden. 6,5/10 Kronen
Shaed - High Dive
Mit ihrer Single „Trampoline“ krachten die US-Indie-Rocker Shaed vor drei Jahren kometenhaft in die Szene. Mittlerweile hat der Track eine Streamingstatistik von mehr als zwei Milliarden Zugriffen, was in Zeiten wie diesen einer kaiserlichen Adelung gleichkommt. Der Druck auf ein Debütalbum wurde immer größer, für die Ernst-Zwillinge Max und Spencer und Frontfrau Chelsea Lee keine einfache Sache. Man zog sich für ein paar Wochen nach Japan zurück, verschob immer wieder und dann spielte ihnen auch noch Covid in die Hände. Das Album, das vor Corona fertig war, wurde noch einmal reflektiert und für unpassend befunden. „High Dive“ ist nun eine Mischung aus den Psychedelic Furs, Brian Eno, New Order und zeitgemäßer Indie-Coolness. Ein spannendes, kurzweiliges und vor allem von Lees herausragender Stimme getragenes Debüt, das die Erwartung erfüllt. Man darf gespannt sein, ob der Wind Shaed weiter nach oben treibt. 7,5/10 Kronen
Jorja Smith - Be Right Back
Im stimmlichen Fahrwasser von Adele, Alicia Keys und FKA Twigs soll Jorja Smith schwimmen, attestierten ihr die Medien zu ihrem wirklich feinen 2018er Debütwerk „Lost & Found“, das die Britin auch in Mitteleuropa schlagartig bekannt machte. Grammy- und Mercury Prize-Nominierungen gab es dafür, Drake und Kendrick Lamar lagen ihr zu Füßen. „Be Right Back“ ist der würdige und wohl auch genau so erhoffte Nachfolger, der sich in allen Bereichen reifer und erweitert beweist. Auf „Gone“ oder „Weekend“ schwingt sie sich in vokale Lana Del Rey-Sphären und die Intimität des Debüts weicht hier einer zarten Dringlichkeit. Dazu gibt es mehr Platz für Soul und Jazz, was die dazugewonnene Reife im Songwriting manifestiert. Bitte so weitermachen. 7,5/10 Kronen
Solanum - Ruled By The Cruel
Cro-Mags, D.R.I., S.O.D. oder auch Nuclear Assault. Das waren halt noch so richtig geile Krachkapellen, die in den 80ern völlig zurecht für Furore sorgten. Oft kopiert und nie erreicht, das gilt auch für die ambitionierten Solanum aus dem kanadischen Manitoba, die sich auf ihrem zweiten Album „Ruled By The Cruel“ zwar mit Leidenschaft im Schlamm der großen Legenden suhlen, aber erwartungsgemäß weder kompositorisch, noch instrumental oder gesanglich an die eigenen Idole rankommen. Neben der wirklich fragwürdig-schwachbrüstigen Produktion kann man sich auch an den komisch gemischten Gitarren stoßen, die nicht unbedingt durchschlagskräftig ertönen. Wer im Hardcore-Assel-Thrash wildern will, kann das bei Insanity Alert auch in Tirol machen. 4,5/10 Kronen
Sons Of Kemet - Black To The Future
Wenn ein Interpret das ganze Projekt überstrahlt, dann das manchmal schwierig werden. Bei den Sons Of Kemet macht das zum Glück nicht den Anschein, auch wenn Shabaka Hutchings sich seit dem Impulse-Records-Debüt „Your Queen Is A Reptile“ zu einem Superstar des neuen Jazz gemodelt hat. „Black To The Future“ ist nun aber eines der besten, wichtigsten und inklusivsten Alben dieses Jahres. Die „Blackness“ dient hier nicht als Warnzeichen, sondern vorwiegend als musikalisches Vergnügen. Afrikanische Rhythmen, karibische Sounds, die Gediegenheit des sophisticated Jazz - all das vereinen die Sons Of Kemet mit viel Message ohne Brechstange. Gastbeiträge von Größten wie Kojey Radical, Moor Mother oder Angel Bat Dawid verstärken das geschäftige Treiben, in das man sich auch ohne Proteststimmung einfließen lassen kann. Eine ausgefeilte Kulturperle. 8/10 Kronen
The Steel Woods - All Of Your Stones
Nashville, Tennessee - was auch sonst? The Steel Woods stammen aus dem Zentrum des Heartland-Rock und dementsprechend ertönt es auch von ihrem Drittwerk „All Of Your Stones“. Southern Rock in bester Lynyrd-Skynyrd-Manier, allerdings ohne offensichtlich politische Ausrichtung in den Vordergrund zu platzieren. Zwischen Gitarre, Schlagzeug und Piano ist viel Platz für ausladenden Gesang und die Kompositionen sind allesamt sehr durchdringend geraten, auch wenn die Songs mit Fortdauer etwas mehr Tempo vertragen hätten. Tragisch: Gründungsmitglied Jason „Rowdy“ Cope verstarb mit nur 42 Jahren diesen Jänner, wo das Album hätte erscheinen sollen. Da passt das sanfte Albumhighlight „Ole Pale“ gleich noch besser. Ergreifend. 7/10 Kronen
Subterranean Masquerade - Mountain Fever
In Israel hat man momentan leider wieder andere Sorgen, aber trotz der politischen und religiösen Querelen sollte man nicht ganz auf die Kraft der Kultur vergessen. Mit Subterranean Masquerade stammt immerhin eine der versiertesten Prog-Bands Europas aus dem gelobten Land und die eineinhalb Jahre Zeit, die man für das neue Werk „Mountain Fever“ veranschlagt hat, zahlen sich wirklich aus. Mastermind Tomer Pink gelingt es mit seiner Truppe einmal mehr, neben all der technischen Raffinessen und partiellen Djent-Anleihen niemals die Hörfreude kippen zu lassen. Eingespielt, geübt und vor allem spielfreudig erklingen die auch nicht all zu langen Songs, die durchaus zu überzeugen wissen. Ein definitives Genre-Highlight. 7,5/10 Kronen
Maurice Summen - Paypalpop
Humor und Kritik halten sich in der deutschen Pop-Indielandschaft derzeit die Waage. Nach PeterLicht und Rainald Grebe ist Maurice Summen schon der dritte etablierte Old-School-Popper, der sich ein bisschen über den „Paypalpop“ der Gegenwart lustig macht. Das bedeutet: inflationärer Einsatz von Autotune, sich ständig wiederholende Reime, dick produzierte Beats und eine nicht mehr unterscheidbare Gemengelage aus Pop, Rap, Reggaeton und R&B. Summen kreiert aus diesem bittersüßen Spaßexperiment nicht nur ein Zerrbild der aktuellen Zeit, sondern beweist auch, dass mit viel Plastilin im Pop nicht mehr klar erkennbar ist, ob der Protagonist nun ein 50-jähriger Familienvater oder ein 20-Jähriger mit Fitnessstudio-Abo ist. Entlarvend, aktuell, erschreckend - durchaus ein Volltreffer, der das Musikbusiness der Gegenwart mit dem Ring durch die Manege zieht. 7,5/10 Kronen
Sunbomb - Evil And Divine
Na holla die Waldfee - schon im Opener „Life“ kreischt Stryper-Sänger Michael Sweet so laut, dass es auch die robusten Glasbierkrüge in der dritten Schrankreihe unter Garantie zerfetzt. Wer mit den Eierquetscher-Vocals keine Probleme hat, der wird am Debütalbum der All-Star-Band Sunbomb definitiv seine Erfüllung finden. „Evil And Divine“ ist ein Power Metal-/Hard Rock-Stück voll christlicher Bibelverweise, dicker Riffs, doomiger Black-Sabbath-Referenzen und zeitloser Rockgrätschen-Gestik. L.A. Guns-Gitarrist Tracii Guns sorgt für die dicken Riffs, die sich ganz in der Tradition kultiger, britischer Stahlschmieden befinden. Viel Neues oder Revolutionäres darf man sich davon freilich nicht erwarten, aber „Evil And Divine“ wird seinem All-Star-Status gut gerecht. Wer hätte auch noch viel mehr erwartet? 6,5/10 Kronen
Per Wiberg - All Is Well In The Land Of The Living But For The Rest Of Us… Lights Out EP
Der Schwede Per Wiberg ist ein mehr als bunter Hund in der härteren Musikszene. Man kennt ihn als Keyboarder der Spiritual Beggars, er hatte seine Finger aber auch schon bei großen Bands wie Opeth, Tiamat, Candlemass, Grand Magus oder Arch Enemy im Spiel. Auf seiner im Titel alle Grenzen sprengenden Solo-EP entfaltet sich der Mitt-50er nun endlich so, wie er es selbst ganz alleine für richtig hält. Angesagt ist düsterer und progressiver Avantgarde-Rock mit viel Atmosphäre, der gar nicht so weit weg geht vom Gestus seiner Hauptspielfelder. Dystopie und Melancholie geben sich die Klinke in die Hand und zwischen den epischen Songaufbauten ist auch noch Platz für Sonic Youth-Referenzen. Eigentlich ziemlich geil. Mal sehen, was da noch so kommt. Ohne Bewertung
JJ Wilde - Wilde EP
Mit ihrer Debütsingle landete JJ Wilde auf Platz eins von gleich allen drei relevanten Rockcharts in ihrer kanadischen Heimat. Gleichzeitig räumte sie für ihr letztes Jahr veröffentlichtes Debütalbum „Ruthless“ eine Juno-Award-Nominierung ab. Es lohnt sich also auf jeden Fall, Augen und Ohren aufzusperren, denn die 29-Jährige wird in dieser Form auch bald zu uns schwappen. Mit der 6-Track-EP „Wilde“ geht es schon munter weiter. Zwanglos, optimistisch und lebensbejahend geht sie hier ans Werk und stampft zwischen Cowboy-Chic, Blues Rock und deftiger Hard-Rock-Kante durch die Botanik. Mit „Mercy“ ist ein wirklicher Top-Hit zu verzeichnen, doch auch die restlichen Tracks fallen qualitativ nicht ab. Jede Generation braucht ihre Stevie Nicks - hier haben wir die nächste. Ohne Bewertung
Zombi - Liquid Crystal EP
Steve Moore und A.E. Paterra, zwei ganz besonders krude und ausufernde Klang-Connaisseure, die mit ihrem Liebhaberprojekt Zombi schon seit geraumer Zeit die Grenzen von Synthie-basierter, klangimmanenter Dystopie ausloten. „Liquid Crystal“ verkaufen die zwei Pittsburgher als EP, andere würden aus dem halbstündigen Material auch locker ein Album machen. Mehr denn je verbeugen sich die beiden auf dem kurzweiligen Dreher vor dem psychedelischen Gestus von Pink Floyd. Die David-Gilmour-Gitarre ist ein wesentliches Stilelement des Werkes und leitet als roter Faden durch die spacigen Kompositionen, die auch 80er-Nostalgiker erfreuen werden. Space-Prog deluxe. Ohne Bewertung
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