Expertenkommission:
Corona: WHO und Länder waren zu lange untätig
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat im vergangenen Jahr viel zu langsam auf erste Alarmzeichen einer möglichen Gesundheitsbedrohung reagiert. Zu diesem Schluss kommt eine von der WHO bestellte unabhängige Expertenkommission. Auch Regierungen kommen in deren am Mittwoch in Genf veröffentlichten Bericht nicht gut weg: Viele Länder hätten den Monat Februar 2020 vertrödelt, statt Vorkehrungen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 zu treffen.
„Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass das System, wie es zurzeit besteht, nicht dazu geeignet ist, zu verhindern, dass sich mit einem neuen und hochansteckenden Erreger, der jeden Augenblick auftauchen könnte, eine Pandemie entwickelt“, heißt es in dem Bericht.
„Notlage“ zu spät erklärt
China hatte Ende Dezember 2019 über die Häufung einer unbekannten Lungenkrankheit in Wuhan berichtet. Die WHO erklärte erst am 30. Jänner eine „Notlage von internationaler Tragweite“, die höchstmögliche Alarmstufe. Das verpflichtet Länder, Vorkehrungen zu treffen. Die WHO sprach aber erst am 11. März von einer Pandemie. Das hat nach den WHO-Gesundheitsvorschriften anders als die Erklärung der „Notlage“ zwar eigentlich keine Konsequenzen. Im Rückblick war das aber erst der psychologisch notwendige Schub, um Regierungen in aller Welt richtig in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Knallharte Forderungen
Um die Coronavirus-Pandemie sofort schärfer zu bekämpfen, stellen die Expertinnen und Experten drei Forderungen auf: Erstens sollen reiche Länder mit genügend Impfstoff bis September zusammen eine Milliarde Impfdosen für 92 ärmere Länder zur Verfügung stellen. Zweitens sollen Pharmafirmen freiwillig mehr Lizenzen zur Impfstoffherstellung vergeben. Wenn die Produktion damit in den nächsten drei Monaten nicht angekurbelt wird, soll unmittelbar eine Aufhebung der Patente in Kraft treten. Drittens sollen die reichsten Länder (G7) sofort 60 Prozent der fehlenden 19 Milliarden Dollar für das Programm ACT Accelerator bereitstellen, das die Erforschung und globale Verteilung von Impfstoffen, Medikamenten und Tests organisieren soll.
Rat für Globale Gesundheitsbedrohungen
Um auf neue Pandemien besser vorbereitet zu sein, schlägt die Kommission unter anderem einen Rat für Globale Gesundheitsbedrohungen vor. Mitglieder sollen Staats- und Regierungschefs sein, die das Thema Pandemie-Vorbereitung im weltweiten Fokus halten.
Ein neues globales Überwachungssystem von Krankheiten soll der WHO zudem die Möglichkeit geben, bei Bedarf sofort und ohne Rücksprache mit betroffenen Ländern Alarm zu schlagen. Der WHO wird vorgeworfen, zu Anfang der Pandemie zu sehr auf China gehört zu haben, das die Schwere der Bedrohung heruntergespielt hatte.
Schließlich schlägt die Kommission auch noch einen Pandemie-Fonds vor, der pro Jahr fünf bis zehn Milliarden Dollar (bis zu rund 8,2 Milliarden Euro) einsammelt, um Vorkehrungen gegen eine neue Pandemie zu finanzieren.
Expertenkommission wurde 2020 bestellt
Die WHO-Mitgliedsländer hatte die Expertenkommission 2020 unter Leitung der früheren Regierungschefinnen Helen Clark aus Neuseeland und Ellen Johnson Sirleaf aus Liberia einberufen. Sie sollte Erfahrungen aus dem Umgang mit der Covid-19-Pandemie zusammentragen und Vorschläge für Verbesserungen machen.
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