Elf Frauen sind dieses Jahr inzwischen in Österreich ermordet worden. Die Politik findet nach jedem Fall zu runden Tischen und Gipfeln zusammen; nach jedem Fall passiert kaum etwas. Die Zahlen sinken seit fünf Jahren nicht. Hanife Ada hat einen Mordversuch überlebt und hilft nun durch ihren Verein anderen Frauen. Darko Markovics Schwester Marija wurde mutmaßlich vom als „Bierwirt“ bekannten Lokalbesitzer ermordet. Ada und Markovic haben ihre Geschichte bei „Moment Mal“ im krone.tv-Studio erzählt - und mit Damita Pressl besprochen, was die Politik bei diesem Thema übersieht.
„Meiner Meinung nach sind die Nachbarn die ersten, die etwas mitbekommen.“ Darko Markovic, der Bruder der im Fall „Bierwirt“ ermordeten Frau in einem Gemeindebau in Brigittenau, ist sich sicher, dass es vor der brutalen Bluttat an seiner Schwester zahlreiche Signale gab. Doch vor der eigenen Familie habe seine Schwester viel verheimlicht und schöngeredet, erzählt er. „Wir wussten, es passt nicht, aber wir haben nicht gedacht, dass es so schlimm ist. Das konnten wir uns nicht vorstellen. Dass es wirklich so schlimm ist, hat keiner von uns gewusst.“
„Nachbarn haben meine Kinder schreien gehört“
Als Nachbar hingegen hört man viel und kann eingreifen. „Auch, wenn man nur vorlügt, Butter zu brauchen“, ergänzt Hanife Ada: Das könne die Situation bereits deeskalieren und Schlimmes verhindern. „Viele Nachbarn haben meine Kinder schreien gehört“, erzählt sie unter Tränen. „Meine Tochter hat sich immer auf mich geworfen, damit sie statt mir die Fußtritte abbekommt. Die Kinder haben geschrien. Wieso ruft man da nicht die Polizei?“ Hilfreich, so Ada, seien etwa Projekte wie das Nachbarschaftsprojekt StoP.
Mordversuch nach 28 Jahren
Hanife Ada hätte als Teenager mit ihrem Cousin verheiratet werden sollen und hat, um dem zu entkommen, einen anderen Mann geheiratet, erzählt sie. „Der hat mich in der Hochzeitsnacht schon geschlagen.“ Gefolgt sei eine Vergewaltigung, sie habe drei Tage lang geblutet. Die Gewalt riss nicht ab. 28 Jahre lang habe sie geschwiegen, geendet hat es in einem Mordversuch. Ihr eindringlicher Appell an andere Opfer von Gewalt ist es, nicht denselben Fehler zu machen: „Eine Watsche ist schon zu viel. Sofort anzeigen. Kein Mensch darf dich angreifen.“ Wer sich nicht zur Polizei traut, soll sich Freunden anvertrauen, so Markovic: „Meldet euch einfach. Lasst es euch nicht gefallen. Das ist das Schlimmste, und es geht dann so weit, wie es bei meiner Schwester gegangen ist. Und das ist nicht nötig.“
„Er ist einfach nicht zur Polizei gegangen“
Seine Schwester hatte, wie so viele Opfer, nie Anzeige erstattet. Der Vater hatte es in Erwägung gezogen, nachdem auf ihn geschossen wurde. Aber auch da war die Angst stärker. „Mein Vater ist nicht zur Polizei gegangen, auch, weil man nicht weiß, ob und was passiert. Kommt er wieder zurück? Bringt er uns alle um? Wird es für meine Schwester noch schlimmer? Das waren alles Dinge, die meinem Vater durch den Kopf gingen.“ Nur, wenn sich Opfer der Konsequenzen sicher sein könnten, würde sich das ändern, sagt Markovic: „Man müsste sicherstellen, dass dieser Mann für die kleinste Ohrfeige ins Gefängnis kommt, oder bestraft wird. Sofort. Bei der kleinsten Eskalation, beim kleinsten Gewaltakt muss eine Strafe folgen.“
Davon sind wir in Österreich weit entfernt. Viele Verfahren werden eingestellt. Das Thema wird oft nicht ernst genommen. Betretungs- und Annäherungsverbote werden kaum kontrolliert, das weiß Ada auch aus der Vereinsarbeit: „Es gibt genug Polizei. Bei den Demonstrationen stehen Hunderte Polizisten. Wir haben genug Polizisten. Warum ist ein Frauenleben nicht so wichtig wie diese Demonstrationen?“ Die Täter müssten wissen, dass kontrolliert wird. „Diese Männer sind feig. Die sind nur bei Frauen stark.“ Stattdessen passiere oft jahrelang nichts: „Sie machen dann etwas, wenn etwas passiert. Und dann ist es zu spät. Ich war blutig am Boden. Da ist dann die Polizei gekommen.“ Man müsse viel stärker hinsehen, sagt auch Marijas Bruder: „Es gibt bekannte Brennpunkte, wie eben der Winarsky-Hof, oder auch der Friedrich-Engels-Platz. Das sind soziale Brennpunkte, dort bräuchte es verschärfte Polizeikontrollen. Auf den Straßen werden alle, die zu breite Reifen haben, gleich herangezogen und gestraft. Da sind wir schnell unterwegs. Ich verstehe, dass das auch nicht gut ist, aber die erwischen wir. Wenn es in einer Wohnung lauter wird, hört man hingegen schnell gerne weg.“
Weil der Staat oft wenig hilft, hat Hanife Ada einen Verein gegründet, der Frauen aus Gewaltsituationen befreit. Hunderten Frauen konnte sie schon helfen, das Geld sammelt sie alleine über Flohmarktaktionen. Denn die bürokratischen Hürden für offizielle Fördermittel seien zu hoch; oft dauere der Prozess Monate. Opfer brauchen sofort Hilfe. Denn sehr schnell, das haben wir dieses Jahr bereits elf Mal gesehen, kann es dann zu spät sein.
Frau Adas Verein stützt sich auf Spenden, um Frauen aus Gewaltsituationen heraus zu verhelfen. Unter folgendem Konto sind Spenden möglich:
Verein YETIS BACIM
IBAN: AT81 1200 0100 2322 5898
BIC: BKAUATWW
Obfrau Hanife Ada ist unter 0699 1778 1768 erreichbar.
Frauen, die Gewalt erleben, finden Hilfe und Informationen
Betroffene von Gewalttaten und Verbrechen können sich an die Opferschutzorganisation Weißer Ring wenden unter der Telefonnummer 0800/112-112 und unter www.opfernotruf.at
Droht akute Gewalt, rufen Sie sofort den Polizeinotruf unter 133 oder 112. Gehörlose und Hörbehinderte können per SMS an 0800/133 133 Hilfe rufen.
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