Rund um den Beschuldigtenstatus von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) äußerte nun auch der ehemalige ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner Kritik. Es fehle „an Respekt gegenüber demokratischen und rechtlichen Institutionen“ - sollte Kurz wegen Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss angeklagt werden, legt er dem Kanzler nahe, „sein Amt ruhen zu lassen“.
Der frühere Vizekanzler äußerte in der „Süddeutschen Zeitung“ einmal mehr heftige Kritik an seinem Nachfolger als ÖVP-Chef. Für Mitterlehner, der bereits vor zwei Jahren in einem Buch verbittert Bilanz über seine Ablöse als Parteichef durch Kurz gezogen hatte, sind die nunmehrigen Ermittlungen „der Höhepunkt einer Entwicklung“, die sich schon länger abzeichne.
„Kurz erteilt sich selbst die Absolution“
Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Kurz geht es um angebliche Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss rund um die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef. Kritik übt Mitterlehner auch daran, dass Kurz nicht an Rücktritt denkt: Es sei „neu, aber nicht überraschend“, dass sich Kurz mit der Bewertung, er habe ein reines Gewissen, „gleichermaßen selbst die Absolution erteilt, also jedenfalls im Amt bleiben will“, meint Mitterlehner.
„Das finde ich schon im Hinblick auf den Ethik-Kodex der Partei nicht sonderlich stimmig.“ Eine Rücktrittsaufforderung kommt von Mitterlehner dennoch nicht. Im Fall einer Anklage würde er Kurz raten, sein Amt ruhen zu lassen. Es gelte die Unschuldsvermutung und „es wäre ja möglich, dass er freigesprochen wird“.
„Die Staatsanwaltschaft ist nicht die Opposition“
Das Argument, es handle sich bei dem Verfahren um eine Kampagne der Opposition, lässt der frühere ÖVP-Chef nicht gelten: Die Staatsanwaltschaft sei nicht die Opposition. Kurz habe „den Spieß in bewährter Form umgekehrt, sieht sich in der Opferrolle und behauptet, alle wollten ihn weghaben“, befand Mitterlehner. „Die Wahrheit ist eine andere: Noch ist die Justiz unabhängig, und sie ermittelt.“
Vorgänge „mehr als irritierend“
Den Vorschlag von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), die Wahrheitspflicht im U-Ausschuss abzuschaffen, sieht Mitterlehner mit Sorge. „Auch dass der Bundespräsident vom Verfassungsgericht um Unterstützung gegenüber dem Finanzminister angerufen werden muss, ist mehr als irritierend.“ Die aktuelle Regierung „hat ein problematisches Verhältnis zum Rechtsstaat“, findet der Ex-Vizekanzler.
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