Gutachten beauftragt

Kurz: Experte zweifelt an Verurteilung

Politik
17.05.2021 06:55

Im Parlament treffen heute Opposition und Kanzler in der Causa um seine mögliche Falschaussage aufeinander. Zuvor weist ein Top-Jurist in einem vom ÖVP-Anwalt beauftragten Gutachten die Vorwürfe gegen Kurz zurück. Andere Rechtsexperten halten eine Anklage dagegen für wahrscheinlich. Die Angelegenheit dürfte das Land so oder so länger beschäftigen - denn mit einer Entscheidung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) über Strafantrag oder Einstellung der Ermittlungen dürfte erst im Herbst zu rechnen sein.

Was wäre, wenn erstmals ein Bundeskanzler unter Anklage stünde, ja gar verurteilt würde?

Sondersitzung im Nationalrat
Unter anderem diese Frage dürfte in der Sondersitzung des Nationalrates am Montag im Zentrum stehen - obwohl die Opposition bei der letztwöchigen Planung der Sitzung eigentlich noch Finanzminister Gernot Blümel in die Mangel nehmen wollte. In der Zwischenzeit aber beschuldigte die Staatsanwaltschaft Kanzler Sebastian Kurz der Falschaussage - womit nun wohl er eine „Dringliche Anfrage“ erhalten wird und im Parlament Stellung nehmen muss.

Bundeskanzler Sebastian Kurz wurde im Juni des Vorjahres von den Abgeordneten des Ibiza-U-Ausschusses befragt. (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Bundeskanzler Sebastian Kurz wurde im Juni des Vorjahres von den Abgeordneten des Ibiza-U-Ausschusses befragt.

ÖVP legt Gutachten vor: „Starke Zweifel“
Allein: Dass es überhaupt zu einer Verurteilung kommt, wurde zuletzt von mehreren Juristen öffentlich angezweifelt. Jetzt legt die ÖVP zusätzlich ein von ihrem Anwalt beauftragtes Gutachten des Salzburger Strafrechtsprofessors Hubert Hinterhofer vor: Und dieser glaubt so gar nicht an eine Verurteilung des Kanzlers; auch argumentiert der Uniprofessor gegen die von Kurz selbst erwartete Anklage. Hinterhofer hegt „starke Zweifel“ daran, dass Kurz „vorsätzlich falsch ausgesagt hat“ – was Voraussetzung für eine Strafe wäre.

Die Ermittler müssen Kurz für eine Anklage einen bedingten Vorsatz nachweisen können. (Bild: APA/Herbert Neubauer)
Die Ermittler müssen Kurz für eine Anklage einen bedingten Vorsatz nachweisen können.

Andere Experten halten Strafantrag für wahrscheinlich
Eine Entscheidung über einen Strafantrag könnte „schon sechs Monate dauern“, erklärte der Wirtschaftsstrafrechts-Experte Robert Kert (WU Wien) am Sonntag in der „ZiB 2“. Zuvor müsse Kurz vernommen werden und weitere Zeugen befragt werden. Kert meinte, eine Anklage sei „sehr wahrscheinlich“, „weil die Staatsanwaltschaft sagt, das sind Beweisprobleme und die hat ein Gericht zu klären“. Ähnlich sieht das Alois Birklbauer, Strafrechtsexperte der Johannes-Kepler-Universität Linz. Aus dem 58-seitigen WKStA-Papier ergebe sich „jedenfalls der Eindruck, dass nicht alles gesagt wurde, was er gewusst hat“ - und das würde für den Tatbestand der „falschen Aussage“ reichen.

Rücktrittsforderungen und Misstrauensantrag
Die Konsequenzen, die der Kanzler bei einer Anklage ziehen müsste, sind aus Sicht von SPÖ und NEOS eindeutig: Kurz müsse in diesem Falle zurücktreten, wurde bei der ORF-„Im Zentrum“-Diskussion am Sonntag klargestellt. Die Grünen wollen sich bei dieser Frage nicht festlegen. Die FPÖ dürfte in der Sondersitzung des Nationalrates am Montag mit einem Misstrauensantrag gegen den Kanzler vorpreschen - auch wenn dieser ebenso wenig eine Mehrheit finden wird wie jener gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Ibiza-U-Ausschuss-Fraktionsführer Christian Hafenecker betonte, aus Sicht der Blauen sei „die Grenze schon längst überschritten“.

Kronen Zeitung/krone.at

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