Als solcher kurve ich durch die Walachei – pardon, das Weinviertel. Leute am Straßenrand lächeln mir zu, der Duster lächelt mit einem seitlich ins Blech gestanzten Lächeln zurück. Ja, es ist ein freundliches Auto. Und ein ehrliches. Sogar ein schonungslos ehrliches, denn hier ist alles, wie es scheint, what you see is what you get; mehr nicht. Mit dem Komfort verhält es sich wie mit mürrischem Personal in Ländern des ehemaligen Ostblocks. Vesna, Kellnerin am Schwarzen Meer, sagt: "Ich werde für meine Arbeit bezahlt, nicht für mein Lächeln."
Kampfpreis für ein Allrad-SUV
Beim Duster bekommt man also genau das, was man bezahlt. Das ist in der Grundausstattung sehr wenig: 11.990 Euro. Da werden die Fenster noch gekurbelt, Klimaanlage ist nicht erhältlich, ESP schon gar nicht, angetrieben sind die Vorderräder. Der Testwagen reißt da schon ein etwas größeres Loch ins Konto bei der Dorfbank: 20.441, 68 Euro werden fällig, allerdings mit beinahe allem, was die Aufpreisliste hergibt. Viel mehr als Leder bleibt nicht unangekreuzt. Die Liste ist aber überhaupt eher kurz.
Mein Allrad-Test-Duster hat 110 Diesel-PS und ein Lederlenkrad (140 Euro extra). Beides ist Voraussetzung dafür, dass man um 378 Euro das Antischleuderprogramm ESP mitbestellen kann. Diese Vorgehensweise ist zu verurteilen, aber immerhin ist der Duster der erste Dacia, in dem ESP überhaupt angeboten wird.
Je gröber, desto besser
Im Preis dabei ist ein solides Auto mit richtig viel Platz für Passagiere und Gepäck (443 bis 1.604 Liter Kofferraum inkl. dem zerklüfteten Fach unter dem doppelten Boden). Die Rücksitzlehne ist geteilt umklappbar, die Bank an sich nur am Stück. Der Allradantrieb kommt von Nissan und wird z.B. im Murano verwendet. Dadurch kommt der Duster auch in den Genuss einer Mehrlenkerhinterachse, was dem Fahrverhalten guttut (der Fronttriebler mit Verbundlenkerachse soll im Elchtest heikel sein). Per Drehschalter wählt der Fahrer zwischen Frontantrieb, variablem Allradantrieb und 50-50-Sperre (nur bis 80 km/h), wenn's mal ganz arg wird.
Damit wühlt sich der Duster durch den Dreck, dass es eine Freude ist. Als wenn es ihm Spaß machen würde, sich über und über mit Gatsch zu bespritzen wie ein Bub, der mit Gummistiefeln durch die Drecklacken hüpft. Und der Fahrer hat zu jedem Zeitpunkt ein gutes Gefühl dabei, weil er in einem Auto sitzt, bei dem er sich "nix sch***en" muss. Der Duster ist fürs Grobe gemacht. Je gröber, desto besser, dann weiß man wenigstens, warum das Fahrwerk poltert. 21 Zentimeter Bodenfreiheit und beachtliche Böschungs- (vorne 30, hinten 36 Grad) und Rampenwinkel (23 Grad) lassen einiges zu.
Gewöhnungsbedürftige Übersetzung
Fürs Gelände ist auch das Getriebe übersetzt. Der erste der sechs sehr gut zu schaltenden Gänge ist so kurz, dass man ihn im steilen Gelände als Kriechgang einsetzen kann. 1.000/min. entsprechen knapp 6 km/h. Auf der Straße ist das eher lästig und man gewöhnt sich an, im zweiten Gang anzufahren. Der ist dafür allerdings eine Spur zu lang. Und oben raus fehlt dann paradoxerweise ein siebter Gang, weil der Motor da recht laut wird. Der zieht aber ganz gut und sorgt in dem 4,32 Meter langen 1,3-Tonner für angemessenen Vortrieb (0-100 in 12,5 Sekunden, 168 km/h Spitze). Weniger überzeugen können die schwammige Lenkung und das Fahrwerk, das deutliches Wanken zulässt.
Trotz aller Grobschlächtigkeit macht der Duster mit seinem Design eine erfreulich gute Figur; es gibt deutlich hässlicher Fahrzeuge, die viel mehr kosten. Angedeuteter Unterfahrschutz vorn und hinten, seitliche Trittbretter und überhaupt eine sehr gefällige Form. Das hat nichts mehr von der Augenschaden verursachenden Albtraumkarosserie des Dacia Logan mit Stufenheck (der hierzulande inzwischen nicht mehr verkauft wird). Auch innen kann man von Design sprechen, auch wenn die Materialien natürlich billig sind, das sieht man sogar den Klavierlackflächen an. Die Sitze sind nicht unbequem, Tacho und Drehzahlmesser hervorragend abzulesen, der Bediensatellit fürs Radio verströmt einen Hauch Komfort. Aber wirklich nur einen Hauch.
Wer keinen Komfort braucht, ist hier richtig
Nach und nach merke ich erst, was ich in einem modernen Auto alles schon voraussetze, hier aber nicht finde: ein Intervallschalter für den Heckscheibenwischer (immerhin gibt es einen Wischer), ein Tippkontakt für den Frontscheibenwischer (immerhin – ach, egal), ein nicht nur höhenverstellbares Lenkrad, eine aufrollbare Gepäckraumabdeckung, die nicht durchhängt, eine Außentemperaturanzeige. Dazu kommt, dass es aus dem Armaturenbrett dröhnt, dass man beim Öffnen der Heckklappe keine langen Fingernägel haben sollte (nach dem Öffnen ist zumindest einer sonst kürzer) und die Heizung sehr lange braucht, bis sie die Zehen auftaut. Sitzheizung ist natürlich nicht erhältlich.
Und da sind wir schon wieder bei einem positiven Aspekt des Dacia Duster: Er setzt ein Zeichen gegen den Trend, dass Autos immer teurer, immer komfortabler, immer übertriebener ausgestattet werden. Er hat keinen Regensensor, sondern eine Intervallschaltung für den Scheibenwischer. Die funktioniert besser als die meisten Sensoren. Das Handschuhfach ist dreimal so groß wie im BMW X5. Eingeparkt wird noch per Hand und nach Augenmaß. Der Duster ist ein Gebrauchsgegenstand, der eine Menge mitmacht. Und nüchtern betrachtet ein unschlagbares Angebot. Allrad ist sonst nur für deutlich mehr Geld zu bekommen, nicht zuletzt weil 4x4 bei anderen Herstellern (etwa bei Skoda der Yeti) nicht für die Einstiegsmotorisierungen erhältlich ist. Geiz ist zwar nicht geil, aber Übertreibung auch nicht notwendig.
Stephan Schätzl
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