Die EU will aus der Krise heraus den Aufschwung schaffen. In Porto ist ein Sozialgipfel über die Bühne gegangen, die Union hat eine Konferenz zur Zukunft Europas gestartet und die Mittel aus dem 750 Milliarden schweren „Next Generation EU“-Fonds wollen an die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Zu all diesen Themen war der Vertreter der Europäischen Kommission in Wien, Martin Selmayr, zu Gast bei Damita Pressl im krone.tv-Studio. Das vollständige Interview sehen Sie im Video.
„Es ist jetzt die Zeit, zu der man wieder mehr über etwas anderes reden muss“, sagt Selmayr. Die schlimmste Phase der Pandemie sei bewältigt, jetzt gehe es um den Aufschwung. Man müsse überlegen, wie der Wirtschaftsaufbau und die ökologische und digitale Transformation zu schaffen sind. Das seien auch Themen, die den Menschen am Herzen liegen würden, erzählt er von seiner Radtour für Europa quer durch Österreich: „Die Menschen interessieren sich gar nicht so sehr für die großen, institutionellen Fragen. Es geht mehr um ganz konkrete Dinge. Wie können wir die Menschen, die jetzt in der Krise besonders gelitten haben, denen wir in der ersten Phase der Krise applaudiert haben, die Kassiererin im Supermarkt, die Pfleger in den Krankenhäusern - wie können wir denen jetzt etwas zurückgeben?“
Entsprechend wichtig, sagt Selmayr, sei auch die soziale Frage: „Der wirtschaftliche Aufbau wird nur stattfinden, wenn wir auch an diejenigen denken, die jetzt von der Corona-Krise besonders abgehängt worden sind.“ Das Thema sei „Kernbestand Europas“ und lang genug vernachlässigt worden; entsprechend wichtig sei der Sozialgipfel in Porto gewesen. Die jetzige Kontroverse um EU-weite Regeln zu Mindestlöhnen versteht Selmayr nicht: Schließlich sei dieser Grundsatz bereits vor vier Jahren in Göteburg beschlossen worden und hier habe auch Österreich unterschrieben. „Da geht es nicht um einheitliche Mindestlöhne, sondern um faire Regeln. Das kann auch für Österreich nur gut sein. Hier beschwert man sich ja meistens, dass an der Grenze Lohndumping stattfindet.“ An der Autonomie der Sozialpartner wolle man jedenfalls nicht kratzen, diese „steht im Vordergrund. Das prägt auch alle Initiativen der Kommission.“
Dass die EU auch in der Krise zu bürokratisch aufgestellt wäre und zu langsam gearbeitet habe, sieht Selmayr nicht: „Wir sind eine Demokratie - das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen Beschlüssen zustimmen. Das geht deutlich schneller, als in der Vergangenheit. Wir sind nicht China, wo alles ganz schnell geht, da entscheidet einer. Dafür ist man dort auch etwas schneller im Gefängnis. Seien wir also froh darüber, dass es bei uns manchmal etwas länger dauert, aber im diskursiven, demokratischen Prozess.“
Von der Konferenz zur Zukunft Europas erhofft sich Selmayr mehr Bürgerbeteiligung und einen gemeinsamen gestalterischen Prozess: Man wolle „Menschen ermutigen, dass sie das nicht als etwas Fernes, Digitales, in Brüssel oder Straßburg ansehen, sondern dass wir sie ermutigen, dass sie ihre guten Ideen teilen“.
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