Provoziert Marokko?
Flüchtlingsansturm löst diplomatische Krise aus
Seit Wochenbeginn haben über 8000 Migranten aus Marokko die beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla gestürmt. Während die Sicherheitskräfte laufend Menschen aus diversen afrikanischen Ländern wieder abschieben, braut sich eine schwere diplomatische Krise zwischen den Regierungen Spaniens und Marokkos zusammen. Der Ansturm auf Spanien dürfte nämlich von den marokkanischen Grenzbehörden geduldet worden sein.
Ceutas Regionalchef Juan Jesus Vivas sprach von einer regelrechten „Invasion“ und „Ausnahmezustand“ und machte für die Situation direkt Marokko verantwortlich. Auch Augenzeugen und spanische Fernsehteams belegten die Tatenlosigkeit der marokkanischen Polizei, die Migranten nicht beim Versuch hinderten, illegal die Grenze zu Spanien zu überschreiten.
Grenzöffnung offenbar auch angekündigt
Anscheinend hatte Marokko in der Nacht von Sonntag auf Montag nicht nur die Grenzkontrollen ausgesetzt, sondern dies bewusst angekündigt, damit möglichst viele Menschen mit Migrationswillen Bescheid wussten. „Wir hörten bereits am Sonntagmorgen von Migranten, dass es am Abend keine Grenzkontrollen mehr zu Ceuta geben würde“, erklärte Helena Maleno von der im marokkanischen Tanger stationierten spanischen Flüchtlingsorganisation Caminando Fronteras der Zeitung ABC.
Dass der Flüchtlingsansturm von Marokko provoziert wurde, gab indirekt sogar die marokkanische Botschafterin in Spanien, Karima Benyaich, zu. Bevor Benyaich am Dienstag ins Madrider Außenministerium zitiert wurde, wo ihr die „Verärgerung“ Spaniens über die Aussetzung der Grenzkontrollen übermittelt wurde, erklärte sie öffentlich, Spanien habe „mit den Konsequenzen seiner Taten“ zu leben. Damit bezog sich die Diplomatin auf den „Fall Brahim Ghali“. Ghali ist Chef der Unabhängigkeitsbewegung Polisario, die in der Westsahara südlich von Marokko für einen eigenen Staat kämpft.
Westsahara-Konflikt als Hintergrund
Marokko beansprucht und kontrolliert das Gebiet, das bis 1975 spanische Kolonie war, entgegen einer UNO-Resolution für sich. Es kommt regelmäßig zu Kämpfen zwischen der marokkanischen Armee und den Polisario-Milizen. Spanien hatte Milizenführer Ghali vor Kurzem allerdings die Einreise erlaubt, um sich in einem spanischen Krankenhaus wegen einer Erkrankung behandeln zu lassen. Madrid gewährte die Einreise aus humanitären Gründen. Die marokkanische Regierung sah es als Affront an.
„Bei diplomatischen Krisen setzt Marokko stets den Migrationsdruck auf Spaniens Grenzen als Druckmittel ein“, erklärt auch der spanische Politologe Carlos Echeverria im Gespräch mit der APA. Zwischen Spanien und Marokko kommt es immer wieder zu territorialen Streitigkeiten. So fordert Marokko auch die Rückgabe der Exklaven Ceuta und Melilla.
Ceuta und Melilla, die einzigen Landgrenzen zur EU
Ceuta und Melilla haben die einzige Landgrenze der Europäischen Union mit dem afrikanischen Kontinent. Migranten nutzen die Exklaven deshalb immer wieder als Sprungbrett, um von dort nach Europa zu gelangen, wo sie sich ein besseres Leben erhoffen.
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