Polizisten sollen verstärkt auf Antisemitismus sensibilisiert werden. Dafür hat der Bildungsexperte Daniel Landau ein neues Ausbildungsmodul erarbeitet, das acht Stunden umfasst und ab Herbst starten soll. Es gehe um ein „Rüstzeug“, um Antisemitismus rechtzeitig zu erkennen, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP). Judenfeindliche Parolen waren vergangene Woche bei Corona-Demos und Anti-Israel-Kundgebungen zu hören.
Schon derzeit ist der Besuch der Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen Teil der Polizeiausbildung. Künftig soll es zusätzlich acht Einheiten, zur Hälfte online, geben, die sich auf verschiedene Arten mit dem Thema Antisemitismus auseinandersetzen, wie Landau, der selbst jüdische Wurzeln hat, erklärte. So geht es etwa um konkrete Biografien aus der Zeit zwischen 1939 und 1945, um Opfer wie Täter, aber auch Schattierungen sichtbar zu machen.
Ein weiteres Modul befasse sich mit Verantwortung im polizeilichen Handeln. Zudem sollen die angehenden Polizeibeamten jungen Juden begegnen, um zu erfahren, „was heißt jüdisches Leben im 21. Jahrhundert“.
„Brauchen Schulterschluss gegen Antisemitismus“
Weil er bereits Workshops zu NS-Zeitzeugen gemacht habe, sei er vor etwa einem Jahr gefragt worden, ob er ein solches Modul für die Polizeiausbildung übernehmen möchte, erzählte Landau im Gespräch mit krone.at. „Ich habe gerne zugesagt, obwohl ich vieles, was die ÖVP tut, auch kritisch sehe. Ich bin aber überzeugt, dass es bei einem Thema wie Antisemitismus einen Schulterschluss braucht, um klar zu sagen: ‘Das ist ein No-Go in unserem Rechtsstaat.' Da bin ich auch froh, wenn die Polizei intern etwas beitragen möchte.“
Aufklärung über problematische Phrasen
Geplant ist für das Ausbildungsmodul auch ein Skript, das über problematische Begrifflichkeiten und Phrasen aufklärt. Dabei betonte Landau, dass man hier „gleichermaßen in alle Richtungen die Augen offenhalten müsse“, schließlich gebe es auch den muslimischen importierten Antisemitismus. Zuletzt waren bei den jüngsten Anti-Israel-Demonstrationen in Wien judenfeindliche Slogans zu sehen und zu hören (siehe Tweet unten).
Daniel Landau verweist darauf, dass die Antisemitismus-Schulung noch in Entwicklung ist, im September soll der Probebetrieb starten. Die Module sollen nicht nur im Rahmen der Grundausbildung, sondern auch der Fortbildung absolviert werden können.
„Antisemitische Straftaten rechtzeitig erkennen“
Die jungen Polizisten sollen damit „das Rüstzeug bekommen, um antisemitische Straftaten rechtzeitig zu erkennen und die negative Vielfalt des Antisemitismus auch kennenlernen und begreifen“, meinte Nehammer. Es geht dem Minister dabei auch um „komplexe Einsätze“ wie die Demonstrationen von Corona-Leugnern, wo es unter anderem auch judenfeindliche Parolen gab.
Kritik, die Polizei gehe hier teils zu lasch vor, wies Nehammer einmal mehr zurück. Man habe Dokumentationsteams vor Ort und greife sehr wohl ein - in welcher Form, sei aber immer eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit. Auch Bildungsexperte Landau verteidigte hier das Vorgehen der Polizei: „Es werden antisemitische Übergriffe zur Anzeige bracht, auch wenn sie vielleicht nicht sofort unterbunden werden können. Das bleibt nicht ohne Konsequenzen, das darf man nicht vergessen.“
Nehammer: Antisemitismus bei Polizei weniger verbreitet
Was Antisemitismus innerhalb der Polizei betrifft, glaubt der Minister, dass dieser weniger verbreitet sei als im Durchschnitt der Gesellschaft, weil bereits im Auswahlverfahren darauf geachtet werde, ob es sich um geeignete Kandidaten handle. Aber, betont der Minister, „wenn es das gibt, dann muss es abgestellt werden, dann braucht es eben auch diese Kultur des Benennens“. Die neue Ausbildung solle auch auf dieser Ebene dazu führen, „dass man sensibilisiert wird für das Thema“.
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