Durch Krise befeuert
Verschwörungsmythen in Europa auf dem Vormarsch
Verschwörungsideologien erfahren in Europa immer größeren Zuspruch. Angetrieben durch die weltweite Corona-Krise, eint ihre Anhänger die Ablehnung der staatlichen Institutionen und deren Maßnahmen im Kampf gegen das Virus.
Vor allem in den sozialen Netzwerken bekommen die Verschwörungs-Accounts Zuwachs. Die sogenannten DeQodeurs in Frankreich haben auf ihrem Telegram-Kanal rund 30.000 Follower, dem deutschen Verschwörungsideologen Attila Hildmann folgen auf Telegram mehr als 110.000 Menschen. In den Niederlanden ist der Podcast des Rappers Lange Frans beliebt - und das, obwohl sein YouTube-Kanal immer wieder gesperrt wird, wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtet.
Das Themenspektrum ist breit: Neben Corona, Pädokriminalität und Ufos diskutiert Lange Frans vor allem gerne über die Reizfigur der Szene: Bill Gates. „Ich denke, viele Leute sehen ihn als jemanden, der sich Macht gekauft hat, und die Leute mögen es nicht, von jemandem kontrolliert zu werden, der sich Macht gekauft hat.“
Virus als Werkzeug der Eliten
Ebenfalls gerne vertreten wird von Bewegungen wie QAnon aus den USA, die auch in Europa vermehrt Anhänger von Verschwörungsmythen inspiriert, die Ansicht, der Staat nutze die Pandemie, um dunkle Ziele zu verfolgen: „Das Virus, wissen Sie, es ist ein Werkzeug, um ihre Macht zu nutzen. Es ist die globale Elite, die das organisiert, und sie arbeiten seit über 20 Jahren daran!“, zitiert die AFP eine Demonstrantin in Den Haag. Sie glaubt auch daran, dass durch die Impfung die menschliche DNA verändert wird - ein Thema, das oft bei Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auftaucht.
„Man kann es nicht einmal einen Impfstoff nennen, es ist eine experimentelle chemische Substanz, und ich lebe zufällig hier in dieser Gegend, wo sie Tomaten und Gurken genetisch manipulieren, und sie haben mir gesagt, dass das die gleiche Technologie ist, und sie verwenden das bei uns. Ich verstehe nicht, was unsere Regierungen mit uns machen“, empört sich eine weitere Demonstrationsteilnehmerin.
Querdenker und Co. unter Beobachtung
Kundgebungen wie diese sind längst keine Ausnahme in Europa. Proteste gegen die Corona-Maßnahmen ziehen systematisch eine große Anzahl von Verschwörungsideologen an - meist ohne Mindestabstand oder Masken. Letztere sind auch bei Kundgebungen von Christina Baum, Mitglied der AfD in Baden-Württemberg, selten. Die 65-Jährige wird dem rechten Spektrum der Partei zugerechnet - und fiel zuletzt durch ihre unkritische Distanz zu Verschwörungsideologien auf.
„Durch diese Corona-Problematik ist ja jetzt noch so viel rausgekommen, aus der Bevölkerung. Theorien, von denen ich vorher noch nie etwas gehört hatte, sind jetzt ans Tageslicht gekommen. Und ich finde es eigentlich spannend, muss ich sagen“, zitiert die AFP Baum. Der deutsche Verfassungsschutz sieht das anders. Seit Dezember 2020 steht die Organisation „Querdenken 711“ in Baden-Württemberg unter Beobachtung. Die Behörde kam zu dem Schluss, dass die „Querdenken“-Agenda über die reine Mobilisierung zu Corona-Protesten hinausgeht. Es würden Verschwörungsmythen wie QAnon, antisemitische und rechtsextremistische Ressentiments bemüht.
Radikale Corona-Leugner planten Terror-Krieg
Dass das Gewaltpotential in der Szene hoch ist, zeigen auch die Razzien des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bei mutmaßlichen Mitgliedern einer bewaffneten Untergrund-Miliz von Corona-Leugnern, die diese Woche in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark und Vorarlberg stattfanden.
Die entschlüsselten Chats, die über den Messenger-Dienst Telegram geführt wurden, offenbaren erschreckende Terror-Fantasien. So sollten Attentate mit Splitterbomben, gefüllt mit Nägeln und Glasscherben, auf Polizisten verübt werden. Außerdem plante die Verschwörer-Gruppe auch den Kauf berüchtigter russischer Kalaschnikow-Sturmgewehre.
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