++ Das Sicherheitsrisiko durch das grenznahe Uralt-Atomkraftwerk Krško nimmt täglich zu ++ Lokalaugenschein: Die „Krone“ und Global 2000 bekamen Zutritt zum Nuklearreaktor ++
Der Geigerzähler zeigt 0,14 Mikrosievert. „Alles im grünen Bereich, es hat offensichtlich gerade keinen Störfall gegeben“, gibt Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Experte von Global 2000, vor dem Stahltor Entwarnung.
Es ist tatsächlich kein „strahlender“ Tag in Krško. Dunkle, regenschwere Wolken hängen über dem mit Stacheldraht umgebenen Atomkraftwerk. Ähnlich finstere Mienen begegnen uns auch beim Security-Check. Das mulmige Gefühl im Magen ist noch nicht verflogen, allgemeine Nervosität liegt in der Luft. Ohne langwierige Anmeldungsformalitäten lange vor unserer Reise in den Osten Sloweniens hätten wir es nur bis zur Eingangstür geschafft.
Nachdem das frische PCR-Testergebnis vorgelegt ist, der strenge Portier Foto und Namen im Reisepass mit den vorausgefüllten Formularen abgeglichen hat, erhält man die Besucherkarte. Eine kleine Trophäe im Scheckkartenformat, denn sie öffnet die zweieinhalb Meter hohe Drehtür zum „Allerheiligsten“, dem Hochsicherheits-Areal des AKW Krško. Vorausgesetzt, die Scanner-Durchleuchtung zuvor hat keinen Rotlicht-Alarm ausgelöst.
Die „Krone“ mitten im Zentrum des Reaktors
Die Führung der Delegation von Global 2000 und Österreichs größter Tageszeitung leitet der Chef-Ingenieur des Atomreaktors, Janko Cerjak, höchstpersönlich. Weil das Sicherheitsrisiko durch den grenznahen Uralt-Reaktor täglich zunimmt, dürfen sich „Krone“ und besorgte Umweltschützer selbst ein Bild von der Lage vor Ort machen.
Freilich will das Management mit seinem Sanctus zum Fast-unmöglich-Vorhaben alle Bedenken ausräumen: „Wir arbeiten ständig an Verbesserungen der Sicherheit, investieren jährlich Millionen dafür“, versichert Cerjak mehrfach eindringlich. Sein Vortrag dauert zwei Stunden, alle Erklärungen sind penibel untermauert mit einer Unzahl an Powerpoint-Folien. Geschichte, Struktur, viele Adaptierungen und neue Sicherheitsmaßnahmen - da tut eine kleine Pause zwischendurch gut. Als wir vor die Tür des Besprechungsraumes gehen, bemerken wir erst, dass wir von zwei bewaffneten Security-Männern bewacht werden, die vor den Türen positioniert sind. Wo wir hin wollen, fragt einer - und heftet sich an unsere Fersen.
Auf Schritt und Tritt folgen uns Securitys
Von da an werden uns die Sicherheitsleute auf Schritt und Tritt folgen. Vor allem am Werksgelände, wo uns eine eigene Marsch-Route vorgegeben wird. Man zeigt uns den Ort, wo eine Trockenanlage aus dem Boden gestampft werden soll. Und zwar für bereits jahrelang in einem Nasslager (vorstellbar als riesiger Swimmingpool) dahindümpelnde und hoch radioaktive Brennstäbe.
Ein kurzer verstohlener Blick abseits der „schönen“, herzeigbaren Gebäude rund um den gewaltigen Kühlturm und den Reaktorblock genügt schon, um uns wieder auf „Linie“ zu bringen: „Go, go!“, herrscht uns der grimmig blickende Herr mit der Hand am Pistolenhalfter an. Er sieht nicht so aus, als ob mit ihm zu spaßen wäre. Wir stapfen gerne weiter.
AKW Krško liegt auf einer Erdbebenlinie
Die Aktivisten von Global 2000 stellen Techniker Janko Cerjak unbequeme Fragen. „Wie geht man damit um, dass Krško mitten auf einer Erdbebenlinie liegt?“, will Reinhard Uhrig wissen. Auch hier sei man sehr gut vorbereitet, beteuert Cerjak, das Risiko sei sehr gering, die Angst unbegründet.
Angst jedoch dürfte mittlerweile der Krško-Trupp haben. Und zwar davor, dass die Kraftwerksgegner aus Wien eine kleine Demonstration im Herzen des Schrott-Reaktors veranstalten: Denn unsere Aufpasser werden immer forscher, je länger die Tour dauert. Überraschenderweise bekommen wir jedoch noch Zutritt in den sogenannten Simulationsraum. Die Technikzentrale mit unzähligen Schaltern und Knöpfen, in der neue Operatoren ausgebildet werden, erinnert uns an Bilder aus dem 1986 in die Luft geflogenen Tschernobyl-Reaktor.
Die Kommandostation ist eine originalgetreue Kopie des „echten“ Steuerzentrums. „Fotografieren verboten“ heißt es übrigens auch hier wie fast auf dem gesamten AKW-Gelände. Auf der Heimfahrt entdecken wir im Ort Krško ein Restaurant, dessen Dach mit Solarzellen zugepflastert ist. Man verzichtet hier also auf Atomenergie. Offenbar hat ein Umdenken bereits eingesetzt - zumindest in der Bevölkerung...
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.