Die Bombe tickt nur 80 Kilometer von der steirischen Grenze entfernt: Der Lokalaugenschein von „Krone“ und der Umweltorganisation Global 2000 im Zentrum des Uralt-Reaktors von Krsko hat viele Steirer am Pfingstwochenende wachgerüttelt. Sofort gab es auch einen Aufschrei der steirischen Landtagsopposition. Der allgemeine Tenor: Jetzt besteht die realistische Möglichkeit, dem Hochrisiko-AKW ein für alle Mal den „Strom abzudrehen“!
Denn scheitern die Betreiber mit der aktuell laufenden Umweltverträglichkeitsprüfung, muss die Anlage in zwei Jahren dichtgemacht werden. Kommt Slowenien jedoch bei den Behörden durch, läuft der auf 30 Jahre angelegte Meiler, der allerdings bereits fast 40 Jahre auf dem „Buckel“ hat, noch 20 lange Jahre. Und damit hätte das Atomkraftwerk die doppelte Laufzeit wie in den 1980er-Jahren geplant. „Eine Verlängerung ist ein unverantwortliches Zocken mit dem Sprödewerden sensibler Teile“, mahnt Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Experte von Global 2000.
Aber es sind nicht nur die Steirer, die sich ernste Sorgen um Krsko machen: Zusammen mit den slowenischen Partnern von „Friends of the Earth“ hat Global 2000 vergangenes Jahr überhaupt die grenzüberschreitende Prüfung der Anlage vor der Verlängerung erkämpft. „Zusammen, auch mit unseren kroatischen und italienischen Partnern, sammeln wir Unterschriften dafür, dass unsere Politiker aktiv werden - gegen die Verlängerung und für die sofortige Stilllegung“, so Uhrig.
AKW-Nachrüstung wäre aufwendig und teuer
Jetzt bestehe die Chance, so die Anti-AKW-Aktivisten, im Zuge der Umweltprüfung die großen Risiken und massiven Bedenken auf den Tisch zu legen. „Die Nachrüstung des altersschwachen Reaktors wird so aufwendig und teuer, dass Abschalten und Ersetzen durch die längst viel billigeren erneuerbaren Energien in Kombination mit Energiesparen die bessere Wahl sind“, sagt Experte Reinhard Uhrig.
Brisante Informationen zur Erdbebengefahr
Nun liegen der „Krone“ weitere brisante Informationen der Atomgegner von Global 2000 vor: Wie bereits berichtet, liegt Krsko auf einer Erdbebenlinie - und ist das am stärksten erdbebengefährdete AKW in ganz Europa. Neue geologische Forschungen jedoch zeigen, dass das Risiko noch viel höher ist als beim Bau vor Jahrzehnten einkalkuliert!
In den 1970er-Jahren wurde die sogenannte maximale horizontale Spitzenbeschleunigung bei Erdbeben auf 0,3 g geschätzt (g-Kräfte stehen für Belastungen). Nach weiteren Untersuchungen wurde dieser Wert auf 0,55 g angehoben. Allerdings: Auch dieser Wert wird von Wissenschaftern jetzt als zu gering angesehen: „0,85 g sind realistisch - doch dafür ist der veraltete Krsko-Reaktor ganz und gar nicht ausgelegt“, schlägt Global 2000 Alarm.
Bei schwerem Erdbeben droht Kernschmelze
Was würde im slowenischen Schrott-Meiler passieren, wenn es zu größeren Erdstößen käme? „Bei einer Erdbeben-Beschleunigung dieser Größenordnung wird es wahrscheinlich zu einer Beschädigung des Reaktorkerns kommen. Sogar eine Kernschmelze ist möglich, wie eine Untersuchung im Zuge von EU-Stresstests ergeben hat“, erklärt Reinhard Uhrig. Das schwere Erdbeben (Stärke 6,4) vom Dezember 2020, dessen Epizentrum nur 85 Kilometer von Krsko entfernt war, war ein direkter „Schuss vor den Bug“: Der Nuklearreaktor wurde vom Schutzsystem notabgeschaltet!
„Man hat noch einmal viel Glück gehabt“
„Man hat wieder einmal Glück gehabt. Das kann bei schwereren Beben aber ganz anders aussehen. Was geschieht, wenn es im AKW direkt vor unserer Haustür kracht, will man sich nicht vorstellen - sondern lieber rechtzeitig den Aus-Schalter drücken“, appelliert der Aktivist an die Politik. Gott sei Dank läuft der europaweite Trend klar Richtung AKW-Ende: Deutschland steigt im kommenden Jahr 2022 aus, Belgien schaltet seine Reaktoren bis 2025 ab, in der Schweiz ist es im Jahr 2034 so weit.
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