Die in der Politik entbrannte Debatte über mögliche weitere Öffnungsschritte kommt für den Virologen Norbert Nowotny „zu früh“. Die Zeit zur seriösen Beurteilung der kürzlich erfolgten Lockerungen sei noch zu knapp. Ob dabei nun der 10. oder erst der 17. Juni schlagend werden, mache laut dem Simulationsexperten Niki Popper jedenfalls „keinen Unterschied“. Wenig Einigkeit gibt es in der Diskussion unter den einzelnen Bundesländern.
Der Vorstoß von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), bereits ab 17. Juni weitere Öffnungsschritte zu planen, führte zu einem koalitionsinternen Zwist. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) kritisierte den Kanzler dafür, in derlei Überlegungen nicht eingebunden gewesen zu sein - und priorisierte überraschend sogar ein noch früheres Öffnungsdatum.
Nowotny: „Österreicher wollen klare Vorgaben“
Kaum Verständnis für die Diskussion zeigte am Dienstag der Virologe Norbert Nowotny gegenüber „Puls 24“. Man werde erst Ende Mai sehen, wie sich die Öffnungsschritte tatsächlich auswirken: „Ich gehe auch davon aus, dass es in die richtige Richtung geht“, derzeit seien konkrete Überlegungen aber „noch zu früh“, so der Experte.
Sollten sich die derzeitigen Prognosen bestätigen, sei er ab Juni „für alle weiteren Schritte zu haben“. „Die Österreicher wollen klare Vorgaben haben“, kritisierte er zudem, dass es keine einheitliche Botschaft der Bundesregierung gibt.
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Situation nicht gefährden
Ähnlich äußerte sich der Komplexitätsforscher Peter Klimek: Den sehr starken Abschwung der Zahlen, den man zuletzt bemerkt habe, gebe es nicht mehr. „Ob es nun einen Anstieg, generell oder in bestimmten Gruppen, geben wird, muss man sich anschauen“, so der Experte zu den bereits in Kraft getretenen Öffnungen.
Das Wetter und die Zahl der Impfungen würde innerhalb einer Woche nur einen geringen Unterschied machen. Man müsse aber schauen, generell nicht in eine Entwicklung zu kommen, die die Situation gefährdet, meinte Klimek.
Popper: „Händewaschen wäre schon noch gut”
Man habe schon vorher gewusst, dass die Situation mit den Impfeffekten ab Mitte Mai sehr stabil sein werde. Und das werde auch so bleiben, erklärte Popper. Man dürfe jetzt aber auch nicht zu unvorsichtig agieren. „Überspitzt gesagt: Händewaschen wäre schon noch gut“ - damit auch im Herbst alles stabil bleibt.
Länder uneins
Sehr unterschiedlich beurteilen die Landeshauptleute die aktuelle Lage. Während etwa mit Markus Wallner (Vorarlberg, ÖVP), Johanna Mikl-Leitner (Niederösterreich, ÖVP) und Günther Platter (Tirol, ÖVP) weitere Lockerungen befürworteten, wollte sich Salzburgs Wilfried Haslauer (ÖVP) noch „gar nicht” auf die Diskussion einlassen.
Durchaus konträr wird dies auch in den SPÖ-Ländern Wien und Burgenland eingeschätzt. Während sich Hans Peter Doskozil für Öffnungen „mit Hausverstand“ aussprach, wollte Michael Ludwig noch abwarten - es brauche zudem ein „koordiniertes Vorgehen vom Bund“, forderte der Wiener Bürgermeister. Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) plädierte dafür, bei weiteren Lockerungen Vorsicht walten zu lassen.
NEOS wollen mehr Tempo
Wenig Freude mit der zaghaften Vorgangsweise zeigten die NEOS, die am Dienstag auf weitere, sofortige Lockerungen pochten. Insbesondere bei der Sperrstunde, dem Mindestabstand sowie die Maskenpflicht im Freien und in Schulen sieht man dringenden Handlungsbedarf.
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