Die estnische Präsidentin Kersti Kaljulaid und Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der seine Amtskollegin am Mittwoch mit militärischen Ehren in der Hofburg empfing, haben die von Weißrussland erzwungene Landung eines Flugzeugs und die anschließende Inhaftierung des Oppositionellen Roman Protassewitsch und seiner Freundin scharf kritisiert. Das sei eine „staatliche Entführung“ gewesen, sagte Van der Bellen bei einer Pressekonferenz (siehe Video oben). Weitere wichtige Punkte der Gespräche zwischen den Staatsoberhäuptern sind die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie und die Bekämpfung der Klimakrise.
Die „staatliche Entführung“ sei ebenso wie die Gewalt nach den offensichtlich gefälschten Präsidentschaftswahlen in Weißrussland „inakzeptabel“, betonte Van der Bellen. Das weißrussische Regime habe alle Dialogbemühungen bisher verweigert. „Es versteht sich von selbst, dass wir verlangen, dass die beiden sowie alle anderen Gefangenen unverzüglich freigelassen werden“, erklärte der Bundespräsident. Welche Alternativen es zu Sanktionen in personeller und wirtschaftlicher Hinsicht geben solle, sei eine heikle Frage. Man werde jedenfalls andere internationale Foren wie die Vereinten Nationen einbeziehen müssen.
„Müssen auch mit Russland sprechen“
Es könne jedenfalls nicht sein, „dass ein Flugzeug in Europa entführt wird und Leute dann eingesperrt und gefoltert werden“, konstatierte Van der Bellen. Österreich habe bisher versucht, zwischen dem weißrussischen Staatschef Alexander Lukaschenko und der Opposition zu vermitteln und werde dies auch weiter versuchen. Über die Entwicklung in Weißrussland müsse man jedenfalls auch mit Russland sprechen, so der Bundespräsident. Russland sei ein Teil Europas, doch das Verhältnis der EU zu Moskau habe sich in den vergangenen Jahren in eine negative Richtung entwickelt, was er sehr bedauere. Nun müsse die EU jedenfalls den Druck aufrechterhalten, dennoch dürfe der Dialog nicht aufgegeben werden.
„Es gibt kein Land, das enttäuschter ist über die Entwicklung“
Dieser Akt des Staatsterrorismus sei schockierend, sagte Kaljulaid bei der Pressekonferenz und forderte weitere Maßnahmen gegenüber Minsk. Die estnische Staatspräsidentin betonte, es sei zu früh, über eine gemeinsame Politik der Europäischen Union zu sprechen, klar sei aber, dass es einer gemeinsamen Strategie gegenüber Moskau bedürfe. „Es gibt kein Land in Europa, das enttäuschter ist über die Entwicklung bei unseren östlichen Nachbarn“, so Kaljulaid. Estland sei jedenfalls bereit, die Opposition in Weißrussland weiter zu unterstützen.
Estland als „Weltmeister der Digitalisierung Vorbild“
Die estnische Präsidentin betonte, einig seien sie und Van der Bellen sich auch, was die Beitrittsperspektive der Westbalkanländer betreffe, man dürfe dabei aber auch nicht auf Staaten der Östlichen Partnerschaft, wie die Ukraine und Georgien, vergessen. Ebenfalls große Einigkeit herrschte zwischen den zwei Staatsoberhäuptern dahingehend, dass die EU beim Kampf gegen die Klimakrise vorangehen müsse. „Rasche und entschlossene Schritte“ seien nun notwendig, so Van der Bellen. Estland könne als eine Art „Weltmeister der Digitalisierung“ hier auch als Vorbild dienen.
Am Donnerstag findet im Haus der EU dann noch ein virtuell verfolgbares Gespräch zwischen der Präsidentin und dem Bundespräsidenten statt. Themen sind die nächsten dringlichen Herausforderungen, mit denen Europa nach der Corona-Pandemie konfrontiert sein wird. Zuvor trifft die Präsidentin am Vormittag mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zusammen, auch ein Treffen mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ist geplant. Beides hätte bereits am Mittwoch stattfinden sollen.
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