Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!
Bachelor - Doomin‘ Sun
Nichts könnte unseren vom ständigen Schlechtwetter geschundenen Seelen besser behagen, als eine Prise musikalischer Trost. Eine klangliche Umarmung, die bessere Tage verheißt und uns aus dem schier endlosen Trott der Düsternis rausholt. Danken wir also den beiden Damen Melina Duerte und Ellen Kempner, die mit ihrem Projekt Bachelor und dem feingliedrigen Album „Doomin‘ Sun“ wieder Sonne in die Herzen bringen. In der Künstler-Hippie-Kommune nahm das Duo mit Freundinnen und Freunden zehn Songs in nur zwei Wochen auf und mäandern dadurch geschickt zwischen verträumtem Art-Pop-Chic, sanftem Indie-Gestus und einer poppigen Zugänglichkeit. Besonders schön gelungen sind Tracks wie die Hippie-Elegie „Spin Out“ oder „Sand Angel“. Wunderschön. 8/10 Kronen
Lou Barlow - Reason To Live
Kaum erschien ein neues Dinosaur-Jr.-Album mit seinem Lieblingsfeind J. Mascis hat sich der amerikanische Indie-Held Lou Barlow während Corona auch Zeit für sein erstes Solowerk nach fünf Jahren genommen. „Reason To Live“ ist, wie es der Titel schon andeutet, ein ungemein persönliches, intimes und durchaus ernstes Album geworden, das sich klanglich weniger im Sonic-Youth-Flanellhemden-Kosmos seiner Hauptband befindet und lieber die leisen Töne in den Vordergrund rückt. Mit sehr viel Folkwind im Rücken wirft Barlow auf dem Album aber mehr Fragen auf als er Antworten gibt und bleibt damit der kryptisch, etwas unzugängliche Zeitgenosse, als den man ihn kennt und schätzt. Verschrobenheit als Superkraft, sozusagen. Schöner Ausflug in die Selbstständigkeit. 7,5/10 Kronen
The Baseballs - Hot Shots
Der allergrößte Rockabilly-Hype ist auch längst wieder vorbei und während The BossHoss immer mehr in den deutschen Seichtpop abrutschen, probieren es die Berliner The Baseballs wenigstens weiterhin mit schöner Huldigung an die 50er-Jahre. Vier Jahre sind seit dem letzten Album ins Land gezogen und der siebente Rundling „Hot Shots“ liegt auch schon ewig fertig daheim herum, aber Corona und Timing und so weiter. Ist ja alles nicht so einfach. Jetzt, wo Liveshows wieder realistisch werden macht der Release der neuen Cover-Scheibe natürlich Sinn. Von Falco („Rock Me Amadeus“) über „Jump“ von Van Halen bis hin zu The Cures „Boys Don’t Cry“ wird alles mit Pomade eingefettet, was in den Playern der einzelnen Mitglieder über all die Dekaden so rotierte. Das ist kurzweilig und macht Spaß - mehr erwartet man sich ja ohnehin nicht. Ohne Bewertung
Blackberry Smoke - You Hear Georgia
Aus dem US-amerikanischen Country-/Rock-Segment sind Blackberry Smoke längst nicht mehr wegzudenken und im Roster der immer weicher gespülten Ex-Extremer-Metaller Earache Records auch durchaus gut aufgehoben. Der neueste Output „You Hear Georgia“ verlässt sich wieder auf Althergebrachtes und ist nicht wirklich offen für Progressives oder große Überraschungen. So plätschert das Werk meist im Southern-Rock-Mid-Tempo dahin, langweilt durch ausgefeiltes Songwriting und die Liebe zum Detail aber nur selten. Im Gegensatz zu den immer weichgespülteren Black Stone Cherry (schwere Verwechslungsgefahr!) sitzt der Stetson hier aber immer noch akkurat. Eine Liebe zum Kitsch muss man für das Werk aber natürlich schon mitbringen. 7/10 Kronen
Brodka - Brut
Dass Monika Brodka vor sieben Jahren die polnische Ausgabe der berühmten Castingshow „Idol“ gewann, kann man sich aus heutiger Perspektive kaum vorstellen. Verbindet man mit dem Mainstreambewerb doch in erster Linie gute Stimmen mit wenig Innovation, aber von der Breitenwirksamkeit hat sich die talentierte Künstlerin auf ihrem neuen Werk „Brut“ extrem weit entfernt. Ihr fünftes Werk ist in gewisser Weise eine Neuerfindung ihres eigenen Selbst. In etwas schrägen, aber nie zu komplexen Indie- und Post-Punk-Songs besingt sie die Gesellschaft, Geschlechterrollen und das oft so überkritische Selbstbild und umarmt dabei mit Ehrlichkeit und Authentizität all jene, denen es nicht immer so gut geht. Eine sehr schöne Botschaft. 7/10 Kronen
Burning Witches - The Witch Of The North
Zu hilf, die fünf wilden Hexen aus dem schweizerischen Aargau fliegen wieder durchs Land. „The Witch Of The North“ ist die bereits vierte Klischeepalette des in Leder gezwängten Gespanns aus unserem Nachbarstaat, das sich auch nicht von der Pandemie und fehlenden Auftritten unterkriegen lässt. Fans des erdigen Heavy Metal mit True-Metal-Anleihen werden hier wieder ihre helle Freude haben, denn mit so viel Leidenschaft und echter Hingabe sind nicht viele Bands in diesem klassischen Segment unterwegs. Zwischen den fetten Riffs und polternden Drums dominiert die dicke Grätsche - die kann man auch als Frau vollführen, freilich! Etwas mehr Abwechslungsreichtum wäre aber schön, doch damit werden die Burning Witches wohl auch künftig nicht dienen. 6/10 Kronen
Cirith Ungol - Half Past Human EP
Das Gedöns um die Rückkehr der kalifornischen True-Metal-Legenden Cirith Ungol war zurecht laut, denn ihr 2020er Comebackalbum „Forever Black“ war ein würdiges Werk, dass die Stärken der kultigen 80er-Jahre mit einer modernen Kante verband. Weil es mit Livekonzerten weiterhin noch nicht weit her ist, gibt’s jetzt noch eine 4-Track-EP als Nachschlag. Wirklich neues Material lässt sich auf „Half Past Human“ nicht finden, doch die harte Wartezeit wird dadurch doch erheblich erleichtert. Es gibt aber genug Zeit für Sänger-Legende Tim Baker, um stimmlich zu glänzen, Riffs und Atmosphäre in den Vordergrund zu stellen und mit epischen Songteilen ein wohliges Gefühl der Nostalgie heraufzubeschwören. Es wird jetzt wirklich Zeit für ein Live-Stelldichein! Ohne Bewertung
Culcha Candela - Top Ten
Himmelherrgott, geben die überhaupt nicht auf? Culcha Candela, der unkaputtbare Reggae- und Dancehall-Spaßexpress aus Berlin hat seinen künstlerischen (höhö) und kommerziellen Zenit längst schon hinter sich, braucht sich mit einer erklecklichen Fanbase im Rücken aber auch keine großen Sorgen um finanzielle Probleme machen. Das neue Album „Top Ten“ wird die Gemüter wieder spalten, denn wer auf anspruchslose Partysause samt akustischer Restlverwertung zum Restlkübelsaufen auf der Unterhaltungsmeile in Lloret setzt, findet hier sein klangliches El Dorado. Alle anderen laufen ob der Ideen- und Innovationslosigkeit schreiend davon, denn wie Party mit Anspruch geht, hat uns unlängst erst Jan Delay gezeigt. Danke, aber nein, danke. 2/10 Kronen
The Datsuns - Eye To Eye
Dort unten am fünften Kontinent und direkt daneben ist man nicht nur relativ Corona-autark, sondern auch meist kompromisslos, was die musikalische Attitüde anbelangt. Man denke nur etwa an die australischen Rock-Wirrköpfe King Gizzard & The Lizard Wizard. Ganz so verrückt geht es bei den Neuseeländern von The Datsuns nicht zu, ihre klangliche Gonzo-Attitüde können und wollen sie auf dem angriffslustigen „Eye To Eye“ dann aber auch nicht verbergen. Dem bekannten Garage-Rock-Sound haben die Insulaner nun auch eine kräftige Portion 70s-Attitüde inklusive Hammond-Orgel und Deep-Purple-Ehrerbietung beigemengt, wiewohl der Grundsound á la The Hives oder frühe The Strokes natürlich unangetastet bleibt. Ein kurzweiliges, flottes, aber auch ziemlich trendresistentes Vergnügen. Knackig, aber etwas aus dem Rahmen gefallen. 6,5/10 Kronen
Elder Island - Swimming Static
Bristol, Epizentrum der modernen Popkultur. Unerschöpfliches Füllhorn der Kreativität unterschiedlichster Klangfarben. Dass eine Band wie Elder Island nur von dort kommen kann, versteht sich fast von selbst. Pop, House, etwas Soul, viel Elektronik und noch eine kräftige Portion Indie-Färbung ziehen sich durch „Swimming Static“. Die Ähnlichkeiten zum starken 2019er-Debüt „The Omnitone Collection“ sind stets erkennbar, doch die Weiterentwicklung des kongruenten Wohlfühlpops made in South-England ist das eigentliche Highlight des Werkes. Mehr Gefühl, mehr Pep, mehr Melodie, mehr Mainstream und auch mehr Underground - was der jeweilige Moment gerade verlangt. Ein modernes, flüssiges und sehr konziliantes Werk, das Lust auf mehr macht. Hoffentlich bald auch live bei uns. 7,5/10 Kronen
Ewig Frost - Ain’t No Saint
Was einst einmal als eine Art rotzige Black-Metal-Band ins Leben gerufen wurde, hat sich längst zu einem asseligen Bastard unterschiedlichster Krachstile entwickelte. Das Wiener Abrisskommando Ewig Frost rund um Szene-Tausendsassa Nino Del Carlo verbindet Motörhead-Kompromisslosigkeit mit 70er-Punk, eine kräftigen Kante Rock’n’Roll und - die wichtigste Zutat - ehrliche Spielfreude. Ach ja, und der Wiener Schmäh darf auch nicht fehlen. Dass das auch im härteren Segment gut klappt, haben nicht zuletzt schon die Bloodsucking Zombies From Outer Space bewiesen. Etwas mehr als eine knappe halbe Stunde könnte ein Album anno 2021 aber schon dauern, denn von „Ain’t No Saint“ kriegt man so schnell auch nicht genug. Zumindest live wird’s wohl bald wieder passen. 7/10 Kronen
Esa Holopainen - Silver Lake
Was tun, wenn die Welt um einen herum stillsteht und man plötzlich mehr Tagesfreizeit hat als geplant? Die einen backen Brot, andere gehen joggen, Amorphis-Mastermind Esa Holopainen hat sich um einen länger gehegten Traum eines Solowerks gekümmert und mit viel Leidenschaft und Detailverliebtheit „Silver Lake“ eingespielt. Der Auftrag dafür kam zwar von Produzent Nino Laurenne, aber die Handschrift des melodieverliebten Finnen lässt keine Zweifel darüber aufkommen, dass hier ein echtes Herzenswerk geschaffen wurde. Anstatt das epische Treiben rein instrumental zu gestalten, hat sich Holpainen mit Einar Solberg von Leprous, Jonas Renkse von Katatonia oder Anneke von Giersbergen zahlreiche Top-Stimmen ins Boot geholt. Runde Sache für Freunde der ausladenden Melodien. 7/10 Kronen
Ferdinand Hübl - A Time Called Now
Dass Mode und Musik eine gar wunderbar funktionierende Symbiose eingehen können, zeigt uns die Musikhistorie zuhauf. Der Wiener Techno-DJ Ferdinand Hübl kümmert sich gerne um das Äußere. Im Falle des Looks genauso wie wenn es um seine Beats geht. „A Time Called Now“ ist für ein Album zwar etwas kurz geraten, beglückt aber mit einer eklektischen und sehr kurzweiligen Mischung aus Disco, Soul, Jungle und House. Maschinelle Drum-Computer treffen dabei auf warme Stimmen (Aunty von Spitting Ibex), moderne Songtitel wie „404 Error - Future Not Found“ auf nostalgische Gefühle und unverklärte Rückblicke. Eine wundervolle Gemengelage des so hart vermissten Nachtlebens, das einmal mehr Hübls schlagkräftige Kreativität in den Vordergrund rückt. 7,5/10 Kronen
Impaled Nazarene - Eight Headed Serpent
Na endlich wieder Neues aus dem Hause der völlig irren Finnen von Impaled Nazarene. Die politisch inkorrekten und völlig abgedrehten Black-Metal-Urväter aus dem eiskalten Norden haben sich in den letzten Jahren - es sei ihnen vergönnt - auf das Touren mit ihrem alten Kultmaterial beschränkt, aber nach sieben langen Jahren Wartezeit gibt es mit „Eight Headed Serpent“ doch endlich wieder ein neues Album. Punkrock der besonders asseligen Sorte mit sehr viel Thrash-Feeling und zahlreichen Black-Metal-Elementen stehen ganz klar im Vordergrund und machen aus dem 13. Studioalbum ein kurzweiliges, satanisches und zutiefst derbes Vergnügen, das beweist, dass auch alte und gediegene Herren noch ordentlich auf die Scheiße hauen können. 7,5/10 Kronen
Jeremias - Golden Hour
Eine brandneue Popband aus Hannover schickt sich an, mit dem Debütalbum „Golden Hour“ den Nerv einer ganzen Generation zu treffen. Das könnte Jeremias durchaus gelingen, denn das Freundesquartett aus Niedersachsen fällt nicht nur in ihrer Heimat immer schwerer auf, sondern bahnt sich langsam seinen Weg über die Landesgrenzen hinaus. Die Twenty-Somethings verarbeiten typische Altersprobleme wie Unsicherheiten, Herzschmerz, Orientierungslos und die Reiselust in ferne Länder. Das alles präsentiert man sehr leichtfüßig und poppig, was nicht nur der Zielgruppe gut die Kehle runterrutschen sollte. Mit „Golden Hour“ begründen Jeremias wohl eine große Karriere - die Bahn dafür ist bereitet. 7/10 Kronen
K.I.Z. - Rap über Hass
Das ganz groß geplante Comeback nach sechs Jahren Wartezeit haben sich die Berliner K.I.Z. vor Weihnachten mit dem Mixtape „Und das Geheimnis der unbeglichenen Bordellrechnung“ selbst zerschossen. Im Endeffekt tut es aber auch nichts zur Sache, denn „Rap über Hass“, im Titel und bei der Eröffnung angelehnt an die Vorkommnisse rund um das legendäre und vieldiskutierte Chemnitz-Konzert von 2018, bietet all das, wofür man die Rap-Proleten seit 20 Jahren kennt: Peniswitze, harscher Seximus und dicke Hose. Alles verpackt in einem überflatternden Mantel der Ironie und Doppelbödigkeit, dessen Ernsthaftigkeit hinterfragt werden kann. Political Incorrectness mit fetten Beats und tiefen Zeilen. Wie gehabt eben. Mag man oder hasst man. Spannend ist jedenfalls anders. 5,5/10 Kronen
Birgit Minichmayr - As An Unperfect Actor
Anstatt sich im #allesdichtmachen-Dschungel so mancher Kollegen zu verheddern hat die Linzer Schauspielgröße Birigit Minichmayr die Corona-Zeit lieber zum Arbeiten und Kreativsein genützt. Für ihr erstes Album „As An Unperfect Actor“ vertonte sie Sonette des großen William Shakespeare, die das Thema Liebe ins Zentrum des Geschehens stellen. Nachdem sie auf der Bühne immer wieder die Untiefen seiner Tragödien erforschte, tut die 44-Jährige das nun auch akustisch. Gemeinsam mit Pianist Bernd Lhotzky und der Gruppe Quadro Nuevo mäandert man zwischen Tango, Chanson, Weltmusik und Jazz, ohne dabei den Faden zu verlieren. Die zur Schau gestellt Bescheidenheit ist freilich nicht nötig, steht ihr aber gut zu Gesicht. Ein schönes Stück Kunst. 7,5/10 Kronen
Ernst Molden & das Frauenorchester - Neiche Zeid
Kaum haben die Kulturbetriebe wieder geöffnet und die Bühnen sind entstaubt, ist Ernst Molden auf selbigen omnipräsent. Doch Ehre, wem Ehre gebührt, denn der Wiener Vollblutmusiker hat sich den Applaus verdient. Nur wenige Tage nach dem famosen Album mit Resetarits, Soyka und Wirth und wenige Wochen nach seiner Zusammenarbeit mit dem Nino aus Wien erscheint im Moldener Festspielfrühling mit „Neiche Zeid“ auch sein zweites Werk mit dem fantastischen Frauenorchester. Das Ergebnis sind zehn wilde Lieder, eingespielt und aufgenommen und besonderen und schwierigen Corona-Umständen. Hört man leichtfüßigen Nummern wie dem Titeltrack, „Da Guggug“ oder „Mei Madl“ gar nicht an. Am Sonntag, 30. Mai, live im Wiener Stadtsaal. 7/10 Kronen
Mustafa - When Smoke Rises
Als Mustafa The Poet hat sich der 23-jährige Kanadier im Netz schon längst einen Namen gemacht. Aufgewachsen im brutalen Toronter Regent Park erzählte er intensiv, schockierend und authentisch über seinen gewalttätigen Alltag als Jugendlicher mit all dem Rassismus und den Stereotypen, die einem das Leben madig machen können. Auf dem sehr kurzen, aber feinen Debütalbum „When Smoke Rises“ packt Mustafa diese Erfahrungen nun in von Jamie xx produzierte, warmherzig-elektronische Songs, die eine Art folkloristisch anmutenden Unterbau für seine harschen Geschichten bieten. Mit Gästen wie Sampha oder James Blake ist natürlich auch der musikalische Unterbau gelegt. Guter Einstand für einen noch besseren Geschichtenerzähler. 7/10 Kronen
Kele Okereke - The Waves Pt. 1
Der übermächtige Schatten der 00-Jahre-Indie-Helden Bloc Party thront unablässig schwer über dem Haupt des Vollblutkünstlers Kele Okereke und trotz zahlreicher Eigenalbum und verstärktem Fokus auf seine Solokarriere hat er das mittlerweile wohl auch so akzeptiert. Das tut seinen weiteren Ambitionen aber keinen Abbruch, wie man dem fünften Solowerk „The Waves Pt. 1“ nun ansieht. Von Corona in die eigenen vier Wände gezwungen und in seiner Vaterrolle aufblühend konzentrierte sich der Sänger auf seine emotionale und melancholische Seite. Aus dem Plan, ein Instrumental-Album zu machen wurde dann doch nichts. „The Waves“ ist manchmal etwas zu zurückgelehnt, etwas mehr Pep hätte dazwischen gutgetan. Doch allein das Cover des Bronski-Beat-Klassikers „Smalltown Boy“ entschädigt gut für etwaige Schwächen. 6,5/10 Kronen
Perturbator - Lustful Sacraments
Zwischen Gothic-Keller und Frequency-UFO-Bühne passt James Kent aka Perturbator, auch wenn ihm Letzteres nicht besonders gut gefiel, wie er uns einst im Interview verraten hat. Der Peak der Synthwave-Szene scheint mittlerweile überschritten und ähnlich wie bei allen Trends bleibt nun das übrig, was Qualität hat. Perturbator zeigt auf „Lustful Sacraments“ geschickt, wie man den Weg aus der eigenen Redundanz findet, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Nun vermischen sich 80er-Gothic-Süße und Industrial der Marke Nine Inch Nails mit Sci-Fi-Filmsoundtracks und etwas Dungeon-Soundfeeling. Alles in allem ist das neueste Album bekömmlicher und zugänglicher, ohne aber sich und seine Wurzeln zu verraten. Der Tanz auf dem schmalen Grat ist durchaus gelungen. 7,5/10 Kronen
Die Prinzen - Die Krone der Schöpfung
Ganz ehrlich? Ich hätte den Prinzen sogar mehr als das 30-jährige Jubiläum gegeben. Doch die Leipziger A-Cappella-Truppe, die schon einige Jahre unter „ferner liefen“ formieren, wollen es mit „Die Krone der Schöpfung“ noch einmal probieren. Darauf hat man neben neuen Songs auch ein paar neu eingespielte Hits, berühmte Gäste von Jenner Weist (Jennifer Rostock) über Mine bis hin zu den Doofen und eine Wagenladung Spaß, was man dem Album durchaus anhört. Das bewusst ironisch und größenwahnsinnig anmutende Album, das sich über die Unzulänglichkeiten der Menschen lustig macht, ist bemüht, hat manchmal aber auch einen ziemlich langen „Ok, Boomer“-Bart. Nächstes Jahr auch live in Wien und Klagenfurt. Für eine Nostalgiereise sind die Ostdeutschen noch immer gut genug. 5,5/10 Kronen
Salvador Sobral - bpm
Wohl kaum ein Song-Contest-Sieger war im Laufe der Geschichte des prestigeträchtigen Bewerbs so wenig glücklich über seinen Sieg wie 2017 Salvador Sobral. Obwohl er erstmals überhaupt den Sieg in seine Heimat Portugal holte, fühlte sich der im Jazz ausgebildete Sänger auf der großen Kommerzbühne alles andere als wohl. Nach seiner überstandenen Herztransplantation hat sich Sobral nun musikalisch in sein altes Leben zurückgewagt und veröffentlicht mit „bpm“ ein persönliches, intimes und vor allem sehr verletzliches Album. Die konzeptionelle Grundlage bieten die titelgebenden Pulsschläge, die Musiker, Band, Crew, Familie, Freunde und Fans verbinden. Ein Album voller Zärtlichkeit und Liebe - und ein wichtiges Statement für das Miteinander. 7,5/10 Kronen
Justin Sullivan - Surrounded
Ein weiteres Soloalbum hatte New-Model-Army-Kopf Justin Sullivan gar nicht geplant, schließlich hatte er sich 2003 mit „Navigating By The Stars“ diesen persönlichen Traum schon zu seiner Zufriedenheit erfüllt. Aber im Lockdown war es dann doch ungewohnt fad und so machte sich der Brite an die Arbeit und zeigte einmal mehr, dass er ein wunderbarer Geschichtenerzähler ist. „Surrounded“ beinhaltet gleich 16 Songs, die er reduziert und oft sehr akustisch ganz mit der Kraft seiner Stimme exerziert. Streicher und allerlei weiteres Instrumentarium dürfen trotzdem nicht fehlen, wenn er mit rauchigem Timbre über die von ihm so geliebten Polarabenteuer längst verblichener Helden singt. Eine Platte wie aus der Zeit gefallen. 7/10 Kronen
Tents - Limbo
Einheimische Pop-Maulwürfe erinnern sich bestimmt noch an das Debütalbum der Tents. Clemens Posch und Paul Stöttinger frönten darin vor allem dem Post-Punk britischer Prägung und brachten ein bisschen industrielles Manchester-Feeling in die österreichische Bundeshauptstadt. Für den Nachfolger „Limbo“ hat das Duo aber kräftig an den Stellschrauben gedreht und sich von den Gitarren stärker verabschiedet, um dichten Synthieflächen und der so inflationär eingesetzten 80er-Atmosphäre mehr Raum zu geben. Das kann man Art-Pop oder eine Nostalgiereise nennen, das Ergebnis bleibt im Großen und Ganzen dasselbe. Mehr Breite erreichen die Tents damit sicher, ihr fein aufgebautes Merkmal der sperrigen Düsternis gibt man dafür aber ziemlich her. Zwiespältige Angelegenheit. 6/10 Kronen
Texas - Hi
Ach was haben uns die Schotten von Texas vor allem in den 90er-Jahren für Hits beschert, die nie mehr aus den Gehörgängen gehen. „I Don’t Want A Lover“, „Say What You Want“, „Summer Son“ oder „Inner Smile“ - das Gespür für knackige und vor allem zeitlose Pophits hat die Glasgower rund um die charismatische Frontfrau Sharleen Spiteri zum Glück nie verlassen. Auch wenn Texas seit dem Millennium außerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen nicht mehr für sonderlich viel Aufregung sorgen konnten, zeigt das neue Studioalbum „Hi“, das dem zu Unrecht so ist. Der Titelsong mit dem Wu-Tang Clan ist eine Klasse für sich, doch auch „Moonstar“, „Dark Fire“ oder „Sound Of My Voice“ wissen völlig unpeinlich zu überzeugen. Texas trotzen allen Trends und erzeugen gerade deshalb eine wunderbar heimelige, ganz und gar entspannende Atmosphäre. Schön ist das. 7,5/10 Kronen
Tygers Of Pan Tang - Majors & Minors
Bitte nicht zu früh freuen! Bei „Majors & Minors“ handelt es sich leider um kein weiteres neues Studioalbum der längst reaktivierten und im Karriereherbst wirklich gut klingenden NWoBHM-Helden Tygers Of Pan Tang, sondern „nur“ um eine Best-Of der letzten 13 Jahre. Das macht für all jene, die die Band eh immer oder auch in der neueren Phase verfolgt haben wenig Sinn, für Abkömmlinge aber wird hier wunderbar zusammengefasst, warum die Tygers Of Pan Tang noch immer gehört werden sollten. Dass die neueren Tracks deutlich Hardrockiger ausfallen schadet nicht, denn genau dort haben die Briten mittlerweile ihr musikalisches Seelenheil gefunden. Bitte so weitermachen - aber nächstes Mal mit neuem Material. Ohne Bewertung
The Veronicas - Godzilla
Die Single „In My Blood“ liegt mittlerweile geschlagene fünf Jahre zurück - nur um ein bisschen ein Gespür dafür zu kriegen, wie lange Fans der eineiigen Zwillingsschwestern Lisa und Jessica Origliasso auf neues Material ihrer Lieblinge warten mussten. Sieben Jahre sind seit dem letzten Album vergangen, mit „Godzilla“ und „Human“ legt man dafür gleich zwei innerhalb nur eines Monats vor. „Godzilla“ beschränkt sich dabei auf die bekannten Stärken der beiden Australierinnen. Breitflächiger Electro-Pop mit Rock-Zitaten und einer selbstbestimmten, emanzipierten Zugangsweise, die sich mit hedonistischen Texten vermischt. Alle Stärken, die man von den Veronicas kennt, vereinen sich kongruent zu einem Album, das vor allem laut und offensiv ist. „Human“ soll das Gegenteil werden - wir werden berichten. 7/10 Kronen
The Voo - Dream Rock’n’Roll
Ben Gaillers und Andrew Krell haben vielleicht alles, aber sicher keinen Stress. Das deutsch-britische Duo aus dem wundervollen Hamburg firmiert unter dem Namen The Voo und bietet auf dem Album „Dream Rock’n’Roll“ eine besonders zähflüssige Mischung aus Garage Rock, 50s-Rock’n’Roll, Psychedelic Rock und Stoner-Rock-Feeling. Die Liebe zur handgemachten Gitarrenmusik exerziert man am liebsten sehr entspannt und in Überlänge, was den einzelnen Kompositionen noch zusätzliche Dramatik verleiht. Konzeptionell erzählt man grob die Geschichte vom Kontrollverlust, der uns allen mehr oder weniger gut bekannt ist. Die in der Presseinfo angekündigten Surf-Referenzen erschließen sich zumindest mir nicht unbedingt, aber macht ja auch nix. Hier kann man sich auch so in einen unbekannten Orbit paralysieren lassen. 6,5/10 Kronen
Verena Wagner - Nirgendwohin
Es ist eine gemeine und unfairer Zuschreibung der Moderne - alles was Mundart ist, ist eben nicht automatisch Schlager oder Volkstümlich, auch wenn die Parallelen nie ganz von der Hand zu weisen sind. Verena Wagner fühlt sich im Dialekt wohl und versucht sich auf ihrem Debütalbum „Nirgendwohin“ klanglich doch lieber am internationalen Markt. Soll heißen, große Singer/Songwriter-Momente, etwas Blues, Rock und klassischer, dem zeitgeistigen Trend trotzender Pop haben die Oberhand. Der kleinste gemeinsame Nenner ist das Gefühl, dass die einzelnen Songs zu transportieren vermögen. Die Kärntnerin mit Wahlheimat Wien erzählt Persönliches offen genug, um es auch außerhalb ihrer Seelenwelt zugänglich zu machen. Guter Einstand! 6,5/10 Kronen
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