Am 5. Mai erschoss der Detektiv Gottfried O. seine Freundin und deren Mutter. Hatte er das Verbrechen von langer Hand geplant? War der 51-Jährige schon seit Langem eine „tickende Zeitbombe“? Die „Krone“ recherchierte die Vorgeschichte der Gräueltat von Wals.
„Ich bin am Wolfgangsee, und ich erschieß mich dann gleich. Ist die Mutter tot? Ich will’s wissen. Und die Helga – die lebt hoffentlich. Oder? Das ist alles ein Wahnsinn. Ich will kein Mörder sein und lebenslang ins Gefängnis kommen ...“ Es war am 6. Mai gegen 1.30 Uhr, als Gottfried O. diese Sätze in sein Handy schrie, bei einem Gespräch mit einem Verhandlungsteam der Kripo. Immer wieder drohte er seinen Suizid an: „Ich steh im Wasser, ich geb mir einen Kopfschuss.“ Und immer wieder beteuerte er: „Ich hab niemanden umbringen wollen.“ Seine fürchterliche Tat, sie sei „einfach passiert, in einer Art Affekt“. Seine fürchterliche Tat ...
Eineinhalb Stunden davor hatte er im Haus seiner Freundin in Wals bei Salzburg ein grauenhaftes Blutbad angerichtet, Helga B. (50) und ihre Mutter Ingrid (76) im Vorraum der Villa regelrecht hingerichtet; auf die beiden Frauen zahlreiche Kugeln abgefeuert, aus einer Glock-Pistole.
Gottfried O., er hat sich danach nicht – wie zunächst angekündigt – getötet, widerstandslos ließ er sich schließlich auf einem Campingplatz am Wolfgangsee, wohin er nach dem Verbrechen mit seinem VW Golf geflüchtet war, festnehmen.
„Er hat meine Schwester übelst gestalkt“
Und nun sitzt der 51-Jährige in der Justizanstalt Puch in Untersuchungshaft, und er bleibt bei seiner Version: „Ich weiß nicht, wie ich zu solch Schrecklichem fähig sein konnte. Denn ich habe Helga ja geliebt.“ In krassem Gegensatz dazu stehen die Angaben des Bruders beziehungsweise Sohns der Opfer.
„Gottfried O. weiß, dass er ein fürchterliches Verbrechen begangen hat. Ich bin nun mit Hochdruck dabei – auch mithilfe einer von mir engagierten Kriminologin –, die Motive für sein Handeln zu ergründen.“
Anwalt Andreas Schweitzer
Bereits seit Monaten, berichtet er der „Krone“, habe er Gottfried O. für eine „tickende Zeitbombe“ gehalten. Weil der Mann seine Schwester auf übelste Weise gestalkt habe. „Ich hielt ihn für gefährlich, weswegen ich am 19. Jänner eine Anzeige gegen ihn erstattet und die Polizei dringend darum ersucht habe zu kontrollieren, ob er im Besitz von Schusswaffen ist.“ War das entsetzliche Drama also vorhersehbar? Was ist seine Vorgeschichte? Wie sind Helga B. und Gottfried O. überhaupt in Verbindung zueinander gekommen?
Sie kannten einander schon seit ihrer Jugend
Fest steht: Die zwei kannten sich bereits seit über 23 Jahren, beide waren einst Stammgäste in einem Sauna-Betrieb im deutschen Freilassing. Der Täter spricht heute davon, dass es „schon damals zwischen Helga und mir ,ziemlich gefunkt‘ hat, aber wir uns auf keinen echten Flirt einließen, weil wir ja fix an andere vergeben waren“.
Wie auch immer: Der Kontakt zwischen ihnen sei angeblich „nie abgerissen, wir telefonierten mitunter miteinander“. Während ihre Leben in völlig unterschiedliche Richtungen verliefen. Die Frau aus wohlhabenden Verhältnissen machte Karriere bei einer Bank, blieb unverheiratet, verbrachte viel Zeit mit ihrer Familie.
Der Mann führte hingegen ein eher unstetes Dasein. Nach der Pflichtschule schloss er eine Verkäuferlehre ab, übte dann Jobs in anderen Berufssparten aus, „obwohl ich sehr gerne Polizist oder Bundesheer-Soldat geworden wäre“. Doch sämtliche seiner Aufnahmeversuche scheiterten, „irgendwann ließ ich mich daher zum Privatermittler ausbilden“. 2005 der Schritt in die Selbstständigkeit, 2008 ging seine Firma in Konkurs.
Ein mysteriöser Selbstmord
Danach nahm er abermals diverse Arbeiten an; seit etwa einem Jahr war er für eine Detektei tätig, er bewachte mehrere Geschäfte. Und privat? Gottfried O. hat zwei Kinder, eine – erwachsene – Tochter aus einer eher kurzen Beziehung; und einen Sohn aus einer, die 18 Jahre andauerte und 2016, den Aussagen seiner Ex zufolge, „friedlich getrennt“ wurde.
Seitdem wohnte der Mann in einer Garçonnière in einem Salzburger Außenbezirk; seitdem habe er, wie Menschen aus seinem Umfeld erzählen, verbissen nach einer Freundin gesucht: „Nach einer mit Geld.“ In Lokalen, auf Singlebörsen. Einige Partnerschaften sollen teils unangenehm geendet haben, die Polizei ist gerade dabei, die betreffenden Frauen auszuforschen.
Und es kursieren Gerüchte, dass er 2017 ein Verhältnis mit Christiane A., einer Bekannten von Helga B. - ebenfalls ein Mitglied der ehemaligen „Freilassinger Saunarunde“ - gepflogen und er sie, nachdem sie mit ihm Schluss gemacht hätte, „verfolgt“ habe. Fakt ist: Die Frau beging im August 2019 Selbstmord. „Ich war nie in engem Kontakt mit ihr“, beteuert Gottfried O., und: „Ich habe erst von Helga über Christianes tragisches Ende erfahren.“
Eine unheilvolle Beziehung
Ein weiteres Telefonat mit der Walserin soll im März 2020 stattgefunden haben, nach dem Tod ihres Vaters: „Ich drückte ihr mein Beileid aus. Und ab da blieben wir in Verbindung.“ Umso häufiger, nachdem Helga B. dem Detektiv erzählt hatte, ihr Papa wäre vermutlich Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers geworden - und er sich anbot, den „Fall“ zu klären.
Rasch kam es in der Folge zu persönlichen Treffen, ab dem Herbst dürften die Bankerin und Gottfried O. - wie von der Kripo sichergestellte WhatsApp und Mails der beiden zu belegen scheinen - ein Liebesverhältnis eingegangen sein. Ein Umstand, der bei der Mutter und dem Bruder der Frau Argwohn hervorrief. Denn sie hielten den Privatermittler, der Helga B. heiraten und mit ihr ein Baby bekommen wollte, für einen unheimlichen „Schmarotzer“. Woraufhin laufend mehr die Situation zwischen dem 51-Jährigen und der Familie seiner Freundin zu eskalieren begann. Wilde Streits standen bald auf der Tagesordnung.
Noch mehr, nachdem es Hinweise dafür gegeben haben soll, dass Gottfried O. das Handy und das Haus der Bankerin verwanzt und von ihrem Computer Daten „heruntergezogen“ hätte. Fazit: Anfang 2021 beendete die Walserin die Beziehung. Doch der Detektiv ließ nicht locker: Er schickte der 50-Jährigen oft Blumen, Sekt und Pralinen; mit Briefen, in denen er seine unendliche Liebe zu ihr bekundete. Laut Gottfried O. habe er die Frau dadurch „zurückerobert“. Und es sei wieder zu Rendezvous gekommen. Auf Parkplätzen, in seiner Wohnung und manchmal, spätnachts, in ihrer Villa.
„Ich wollte mit ihr Prosecco trinken“
Den - von den Fahndern als unglaubwürdig eingestuften - Angaben des Täters zufolge hätte dort auch am Abend des 5. Mai ein „Date“ stattfinden sollen.
„Ich wartete mit einer Flasche Prosecco auf Helgas Grundstück. Bis sie aus dem danebenliegenden Haus ihrer Mutter heimkam.“ Die 76-Jährige habe ihn „beim Aus-dem-Fenster-Schauen“ entdeckt, sei in der Folge zu ihrer Tochter und ihm gelaufen: „Sie beschimpfte mich, sie schlug gegen meine Brust. Und dann hab ich wie in Trance nach einer meiner Pistolen gegriffen“
Warum er seine beiden Glocks und eine große Menge Munition bei sich getragen hat? „Ich hatte vergessen, sie nach Dienstschluss im Safe meiner Wohnung zu deponieren.“ Gottfried O. soll nun von Gerichtspsychiater Peter Hofmann untersucht werden. Der Prozess gegen ihn wird vermutlich im kommenden Herbst starten.
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