Trudeau zu Internat:
Unvorstellbar, wenn „Kinder weggenommen werden“
Kanadas Premierminister Justin Trudeau hat sich nach dem Fund sterblicher Überreste von mehr als 200 Ureinwohner-Kindern auf einem ehemaligen Internatsgelände erschüttert gezeigt und „konkrete Schritte“ zur Unterstützung der indigenen Bevölkerung angekündigt. Als Vater könne er sich nicht vorstellen, „wie es sich anfühlt, wenn mir die Kinder weggenommen werden“, sagte Trudeau am Montag.
Auf dem Gelände eines ehemaligen Internats für Kinder von Ureinwohnern waren die sterblichen Überreste von 215 Kindern gefunden worden. Die Überreste seien mit einem speziellem Sonargerät entdeckt worden, erklärte die indigene Gemeinschaft Tk‘emlups te Secwepemc am Donnerstag. Das katholische Heim nahe der Kleinstadt Kamloops im westkanadischen British Columbia war vor über hundert Jahren eröffnet worden, um Kinder von Ureinwohnern zwangsweise in die Gesellschaft der europäischen Einwanderer zu integrieren.
Premier: „Kinder gestohlen“
„Als Premierminister bin ich erschüttert von der beschämenden Politik, die den indigenen Gemeinschaften ihre Kinder gestohlen hat“, sagte Trudeau. Er kündigte an, mit dem Kabinett über die nächsten Schritte zu beraten, die zur Unterstützung überlebender Internatsbewohner und der Ureinwohner eingeleitet werden müssten. Das Abtragen von weiteren Schulfriedhöfen in Kanada, wie es von vielen gefordert wurde, sei „ein wichtiger Schritt, um die Wahrheit zu erkunden“, erklärte Trudeau und sicherte den indigenen Gemeinschaften Unterstützung zu, „während wir das Ausmaß dieses Traumas aufdecken“.
Als Premierminister bin ich erschüttert von der beschämenden Politik, die den indigenen Gemeinschaften ihre Kinder gestohlen hat.
Kanadas Premierminister Justin Trudeau
Der Fund hatte landesweit Trauer ausgelöst, am Wochenende wurden die Flaggen auf Regierungsgebäuden auf halbmast gesetzt. Vor dem Parlament in Ottawa und vor Kirchen und offiziellen Gebäuden in mehreren Städten wurden Kinderschuhe aufgereiht.
Untersuchungsbericht im Sommer erwartet
Einige der toten Kinder seien erst drei Jahre alt gewesen, sagte die Leiterin der Gemeinschaft Tk‘emlups te Secwepemc, Rosanne Casimir, vergangene Woche. Der Tod der Kinder sei von der damaligen Schulleitung nie dokumentiert worden, obwohl ihr Verschwinden von Mitgliedern der Gemeinde gemeldet worden sei. Wie die Kinder ums Leben kamen, ist noch unklar. Die Gemeinde will mit Gerichtsmedizinern und Museen in der Gegend zusammenarbeiten, um die Umstände aufzuklären. Die vorläufigen Ergebnisse sollen im Juni in einem Untersuchungsbericht veröffentlicht werden.
Das ehemalige Internat, das von der katholischen Kirche im Auftrag der kanadischen Regierung betrieben wurde, war eines von 139 solcher Einrichtungen, die gegen Ende des 19. Jahrhundert in Kanada errichtet wurden. Es wurde 1890 eröffnet und hatte in den 1950er-Jahren bis zu 500 Schüler. Erst 1969 wurde das Internat geschlossen.
Nach Angaben der indigenen Gemeinde beschwerte sich der Schulleiter des Heims in Kamloops im Jahr 1910 darüber, dass die Regierung nicht genug Geld zur Verfügung stelle, um „die Schüler angemessen zu ernähren“.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.