Der einstige Lieblingsenkel von Queen Elizabeth ist kaum wiederzuerkennen. Seit Monaten packt er aus. Und teilt aus - gegen den englischen Hof. Nun darf auch der gesamte Erdball regelmäßig dabei zuschauen, wie der 36-jährige Prinz versucht, sein Seelenheil zu finden. Für mehr positive Schwingungen setzt er auch auf Esoterik.
Wir befinden uns mitten in einem aufwühlenden Shakespeare’schen Königsdrama mit zwei Schauplätzen, mit Prinz Harry als Hauptdarsteller - und rundum vielen Verwundeten. Doch die Schlacht ist noch lange nicht ausgefochten. Wer hätte geahnt, dass der Abnabelungsprozess des Herzogspaares von Sussex, das im Jänner 2020 seinen Rückzug von allen royalen Pflichten bekannt gegeben hat, zu solch einem brutalen Kampf ausarten würde?
Ratloses Haus Windsor
Der Zweitgeborene von Thronfolger Charles startete unter der Sonne Kaliforniens einen verbalen Feldzug gegen seine Kernfamilie, der dazu führte, dass die geografische Distanz von 9000 Kilometern nun auch annähernd der menschlichen Entfernung gleicht. Zwischen den beiden Schauplätzen herrscht Funkstille, doch in London und an der US-Westküste gärt es. Hier jammern die verzweifelten Exilierten in ihrer 13-Millionen-Villa am Rand von Hollywood. Dort hat sich das zunehmend ratlose Haus Windsor hinter den Palastmauern seiner viktorianischen Schlösser verschanzt und versucht, die Contenance zu wahren. Wie konnte es so weit kommen?
Weltberühmtes Interview
Vor drei Monaten nahm die Auseinandersetzung richtig Fahrt auf mit dem mittlerweile weltberühmten Interview. Talk-Grande-Dame Oprah Winfrey plauderte mit Meghan und Harry vor laufender Kamera, scheinbar spontan und zwanglos in Weiß gepolsterten Korbsesseln auf einer mondänen Terrasse im Promi-Küstenort Montecito. Millionen Menschen in aller Welt durften miterleben, wie sich H & M als Opfer einer kalten, steifen und rücksichtslosen Monarchen-Familie inszenierten, der sie überdies noch Rassismus und Unterdrückung vorwarfen.
Doch das sollte erst die Ouvertüre des Klagelieds sein. Der nächste Akt folgte umgehend. Bei dem US-Podcast „Armchair Expert“ attackierte Harry wenig schmeichelhaft ganz direkt Prinz Charles, indem er ihm vorwarf, ein schlechter Vater gewesen zu sein. Die Erklärung für Daddys Fehlverhalten lieferte Harry gleich mit: Schuld daran seien Charles’ eigene Eltern, also Queen Elizabeth, 95, und der erst kürzlich verstorbene Prinz Philip. Durch die beiden hat Charles sehr viel „genetischen Schmerz und Leid erfahren“, was dieser eben wiederum an die nächste Generation weitergegeben habe. Damit sich das nicht neuerlich wiederholt, sondern „dieser Zyklus unterbrochen wird“, ist der einst wilde Harry mit seiner Ehefrau Meghan, 39, und Sohn Archie, heute 2, in ein anderes Land emigriert.
Briten wenig angetan
Der Befreiungsschlag inklusive Schuldzuweisungen und Seelenstriptease eines blaublütigen Mitglieds eines Königshauses kam nicht überall gut an. In Großbritannien reagierte man ziemlich genervt. Mit der in Amerika gelebten Gefühlskultur „Let it all hang out“ - also: Lass alles raus aus dir, das führt zur Katharsis und macht dich frei - haben es die Briten nicht so. Sie witterten Nestbeschmutzung, warfen dem Prinzen Unehrlichkeit, Bigotterie und mangelnden Respekt gegenüber der Krone vor. Vor allem die Tatsache, dass Harrys zur Schau gestellte Leidensgeschichte vor einem Millionenpublikum auch direkt in Bares umgewandelt wird - immerhin kassiert er für seine Performance Millionen -, stößt vielen sauer auf.
Aber es kam noch dicker. In der Apple+-TV-Doku „Das Ich, das Du nicht siehst“ erfuhr der Zuschauer noch mehr Details über Harrys Innenleben. Dieser erzählte etwa, wie ihn der Verlust seiner Mutter Diana und die Paparazzi traumatisiert haben, er berichtete von Wutanfällen, Depressionen, Panikattacken und Angstzuständen, die er einst mit Alkohol und Drogen zu bekämpfen versuchte. Erst als Meghan in sein Leben trat, bemerkte er, dass er sich seiner Vergangenheit stellen müsse.
Und das anscheinend in aller Öffentlichkeit. Jeder, der wollte, konnte an einer seiner Therapiesitzungen teilhaben. Beide Hände verschränkt über der Brust, dabei die Augen geschlossen - das war das Setting, als beim Rotschopf die EMDR-Methode angewendet wurde. EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing - auf Deutsch „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung“. Für Außenstehende sieht das ein bisschen gruselig aus, aber so werden tatsächlich Folgestörungen von Traumata behandelt.
„Keine gute Entscheidung“
Doch wie klug ist es, dass der mittlerweile 36-jährige Familienvater seine persönlichen Krisen mit aller Welt teilt? „Das halte ich für keine gute Entscheidung“, meint die Psychotherapeutin Martina Leibovici, „weil da bei dem Publikum auch viel Sensationslust dazukommt.“
Zwar lässt sich verstehen, warum Harry Zeugen haben möchte: „Ein Opfer will oft vor einer großen Gesamtheit seinen Schmerz bekennen, weil damit die Vorstellung einhergeht, dass es Anteilnahme erfährt.“ Der Nachteil besteht aber darin, dass der Betroffene zugleich in seiner Rolle verharrt, warnt Leibovici: „Der Opferstatus wird damit fixiert, er bleibt Opfer.“
Noch sind Harry und seine Ehefrau Meghan ohnehin Suchende. Und auf diesem Weg zeigen sie sich für alles empfänglich, was zum eigenen Ich führt. Bei einer dieser Lockerungsübungen hilft ihnen nun auch ein in Hollywood verehrter Guru: Michael Beckwith. Er ist spiritueller Lehrer und Pastor, der täglich mehrere Messen und Meditationen abhält. Seine Gebetsketten aus Schwefelkies, der als „Stein voller männlicher Energie“ beworben wird, kann man um je 88 Euro in seinem Fanshop kaufen. Vielleicht steigen Harry und Meghan ja schon bald ins nächste große lukrative Geschäft ein?
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