Zuerst die Finanzkrise, dann das Coronavirus und immer wieder Erdbeben. Viele Bürger in Griechenland leben am Existenzminimum oder darunter. Seit Herbst 2012 beliefert der Salzburger Erwin Schrümpf griechische Krankenhäuser und Sozialeinrichtungen mit Hilfsgütern. Die vier Busse, die am Samstag von Salzburg zur 100. Fahrt der „Griechenlandhilfe“ in das Mittelmeerland aufbrechen, sind mit 2.800 Kilogramm Medikamenten, medizinischem Zubehör und Hygieneartikeln vollgepackt.
„Ich fahre jeden Monat nach Griechenland. Seit neun Jahren, mit dem Bus“, schildert der 57-Jährige. Fast jedes Mal sind auch 1.800 Kilogramm Nudeln mit dabei, die eine Firma aus Tirol spendet. Diesmal sitzen sechs ehrenamtliche Helfer in den Transporter-Bussen. Jedes Fahrzeug hat rund 700 Kilogramm Waren geladen. Die Hilfsgüter, darunter auch Lebensmittel, haben Unternehmen und Einzelpersonen gespendet.
Zuerst geht es über die Autobahn von Salzburg nach Venedig und von dort mit der Fähre nach Patras am Peloponnes. Von dort werden Städte und Dörfer im ganzen Land angefahren und die Waren an Spitäler und Sozialkliniken, die Unversicherte behandeln, an Kinderheime, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und Sozialküchen verteilt. Drei bis vier Mal im Jahr liefert ein Sattelzug eine noch größere Warenmenge nach Athen. Dort werden sie von Freiwilligen abgeholt und an Bedürftige gebracht.
Im Jahr 2010 stürzte Griechenland in eine jahrelange Finanzkrise. Nachdem Kyriakos Mitsotakis im Juli 2019 zum Ministerpräsident von Griechenland vereidigt worden war, sei ein Aufwärtstrend im Land spürbar gewesen, erzählt Schrümpf. „Man hat gemerkt, es geschieht etwas. Die staatliche Hilfe ist auch besser geworden.“ Doch mit der Coronapandemie habe sich die finanzielle Situation vieler Einheimischen wieder drastisch verschlechtert.
„Den Leuten geht das Geld aus. Sie verkaufen Wohnungen und Häuser am Meer zu Spottpreisen.“ In den Tourismusgebieten, vor allem auf den beliebten Urlaubsinseln, ist die Hoffnung auf baldige Besserung der prekären wirtschaftlichen Lage groß, doch „am Festland ist die Situation ganz schwierig.“ Eine Sozialküche im Zentrum von Athen kochte vor der Pandemie 400 bis 600 Mahlzeiten pro Tag. „Der Andrang ist noch größer geworden. Jetzt sind es 2.600 Essen“, veranschaulicht der Salzburger die gestiegene Not in der Bevölkerung.
Verstärkt geliefert werden seit Ausbruch der Pandemie auch Mund-Nasen-Schutzmasken, Schutzhandschuhe und Desinfektionsmittel. Obwohl es hier anfangs auch in Österreich zu Engpässen kam, gelang und gelingt es dem Flachgauer aus Seekirchen am Wallersee, Firmen in Österreich und auch Deutschland aufzutreiben, die diese begehrten Produkte für die Griechenlandhilfe kostenlos zur Verfügung stellen. Mit Geldspenden werden auch Lebensmittel für die Sozialküchen angekauft.
Babywindeln werden immer benötigt. Eine Filialleiterin eines Supermarktes in Salzburg habe 60 Packungen Windeln, die wegen einer Umetikettierung nicht mehr angeboten wurden, zum Einkaufspreis gekauft und der Griechenlandhilfe geschenkt, hebt ein 64-jähriger Salzburger, der am Samstag mit an Bord des Hilfskonvois ist, hervor. Er ist einer von 46 Freiwilligen, die dem gemeinnützigen Verein tatkräftig unter die Arme greifen. Er erzählt von einem Arzt aus Tirol, der seine Praxis aufgelassen und die medizinischen Instrumente nun kostenlos zur Verfügung stellt. „Die Griechenlandhilfe ist deshalb so erfolgreich, weil die Hilfsgüter direkt an die Bedürftigen übergeben werden.“
Hilfe vor Ort gibt es auch für die Erdbebenopfer auf der Insel Lesbos im Osten der Ägäis. Im Juni 2017 hat das Beben mit Stärke 6,1 zahlreiche Häuser zerstört. Zuletzt bebte dort die Erde im Februar 2021. Die Griechenlandhilfe versorgt 136 betagte Einheimische mit dem Nötigsten. Sie leben im Dorf Vrisa noch immer in den Abbruchhäusern.
Schwere Schäden an Gebäuden hat auch ein Erdbeben Anfang März in Larisa und Damasi in Mittelgriechenland angerichtet. „Eine Menge an Häusern ist eingestürzt. Der Gouverneur hat uns angerufen und um Hilfe gebeten“, erzählt Schrümpf. Rasch wurden Babynahrung, Lebensmittel, Kleidung und Schuhe gesammelt. Die obdachlos gewordenen Bewohner mussten zunächst in Zelten hausen. Vier Wochen später ließ die Regierung ein kleines Containerdorf errichten. „Für sieben Familien suchen wir noch dringend größere Container mit zwei Wohnräumen.“
Der Verein unterstützt auch mittellose Studenten. „Elf haben von uns ein Stipendium erhalten. Drei sind schon fertig und haben einen Job in Griechenland bekommen.“ Das sei erfreulich, betont Schrümpf, denn viele junge Griechen würden wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten ins Ausland ziehen.
Auf die Idee, die Griechenlandhilfe zu gründen, kam der Salzburger nach einem Fernsehbericht im Jahr 2012 über die Finanzkrise. Der Leiter eines Spitals in Athen schilderte, dass er keine einzige Einwegspritze mehr hat. Der TV-Beitrag hat Schrümpf aufgerüttelt. „Ich rief bei der Firma Sandoz in Tirol an und bat um Hilfe.“ So kam der Stein ins Rollen.
„Für mich ist wichtig, dass man immer etwas tun kann, auch jetzt, trotz Coronapandemie“, lautet die Devise des 64-jährigen Salzburgers, der am Samstag nun schon zum zweiten Mal nach Griechenland fährt, um Hilfsgüter zu verteilen. Das „unbändige Engagement“ von Erwin Schrümpf hat ihn beeindruckt und angespornt, sich selbst für Bedürftige einzusetzen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.