Brandstetter-Rücktritt

Erschütterung der Justiz und heftiges Politbeben

Politik
05.06.2021 06:02

Ex-Justizminister Wolfgang Brandstetter ging nach einer Anfrage der „Krone“ in die Offensive. Der Schritt, den er setzte, heißt: Rückzug als Höchstrichter beim VfGH. Nachdem Chats zwischen ihm und dem suspendierten Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek offenbart worden waren, drohte ein Amtsenthebungsverfahren.

Eine Anfrage der „Krone“ an den Anwalt Brandstetters zum Rapport bei VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter war offenbar Katalysator. Unseren Infos zufolge wurde Brandstetter entweder zum freiwilligen Rücktritt gedrängt, oder ihm drohte ein Amtsenthebungsverfahren. Danach ging der ÖVP-nahe Ex-Justizminister in die Offensive, indem er am Donnerstag der „Krone“ seinen Rückzug verkündete. Die Chats offenbaren Bedenkliches zu VfGH, Korruptionsstaatsanwaltschaft, Frauen (inklusive rassistischer und sexistischer Untertöne von Pilnacek, denen Brandstetter nicht widersprach). Zudem habe Brandstetter Kumpel Pilnacek verbotenerweise über ein Sterbehilfe-Urteil des VfGH informiert. Brandstetter sagte, dass er dem VfGH am besten diene, „indem ich mich von meiner Funktion zurückziehe“.

Weg von der Tafelrunde
Grabenwarter zeigte sich „erschrocken und bestürzt. Derartige herabwürdigende Aussagen haben in einer demokratischen Debatte keinen Platz.“ Auch wies der Präsident Pilnaceks Äußerungen über einen „vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat“ aufs Schärfste zurück. Brandstetter ist mit 1. Juli weg von der höchstrichterlichen Tafelrunde.

VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter (Bild: APA/Georg Hochmuth)
VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter

Aufgeheizte Stimmung in der Innenpolitik
Die Reaktionen der Politik entsprachen der aufgeheizten Stimmung rund um Ibiza-Ausschuss und Justiz-Streit. Die ÖVP schickte Bulldozer Andreas Hanger aus. Der schoss scharf gegen Leaks persönlicher Chats durch die Opposition. Tatsächlich gestanden die NEOS, die bedenklichen Inhalte an Medien transferiert zu haben. „Im Sinne der Republik. Es handelte sich um öffentliches Interesse“, so Generalsekretär Nikola Donig. Zuspruch gab es von SPÖ („Die ÖVP führt Krieg gegen den Rechtsstaat“) und FPÖ. Die Türkisen zeigen den Vorfall bei der Parlamentsdirektion an.

Apropos: Abseits der Chat-Affäre ermittelt die Justiz gegen Wolfgang Brandstetter und Christian Pilnacek wegen Verdachts auf Weitergabe vertraulicher Infos zu Hausdurchsuchungen. Beide bestreiten die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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