Am Freitag gab Österreichs amtierender Riesentorlauf-Staatsmeister Magnus Walch seinen Rücktritt vom aktiven Rennsport bekannt. Bereits im Vorfeld sprach er im großen Interview mit „Krone Vorarlberg“-Sportchef Peter Weihs über die Gründe für sein Karriereende, woran es am Ende lag, dass er seine erträumten Ziele nicht erreichen konnte, den Unterschied zwischen nationalen Verbandsteams und privaten Trainingsgemeinschaften und vieles, vieles mehr.
Krone: Magnus, am 30. März gewannen Sie am Glungezer in Tirol bei den österreichischen Riesentorlauf-Meisterschaften den Staatsmeister-Titel. Wie geht es in der kommenden Saison weiter?
Magnus Walch: Ich hatte jetzt doch zwei Monate mir darüber Gedanken zu machen. Zudem habe ich noch auf Entscheidungen des österreichischen Skiverbandes gewartet, welche Strategien zukünftig verfolgt werden sollen. Nach Gesprächen mit Cheftrainer Andreas Puelacher und dem sportlichen Leiter Patrick Riml habe ich mich dazu entschlossen, dass ich meine Karriere als aktiver Skirennläufer beenden werde und dass etwas Neues auf mich zukommen wird.
Hätten Sie nach dem Gewinn des Staatsmeistertitels geglaubt, dass Sie diesen Schritt setzen werden, setzen müssen?
Das hat sich schon in den Tagen vor dem Rennen ein wenig abgezeichnet. Die ÖSV-Trainer gaben mir in Gesprächen zu verstehen, dass es in der kommenden Saison sehr schwierig werden wird, noch Chancen auf Weltcupstarts zu bekommen. Mir war auch klar, dass selbst ein Staatsmeistertitel da nicht viel daran ändern wird. Ich hatte mich sehr auf dieses Rennen gefreut und bin auch in dem Bewusstsein gestartet, dass es mein letzter Riesentorlauf sein könnte. Darum ist es aber auch umso schöner, dass ich meine Karriere mit einem Sieg – und noch schöner – mit einem österreichischen Meistertitel beenden konnte.
Wenn ich die Chancen bekommen würde, ich fix wüsste, dass es eine Qualifikation für den Weltcupauftakt in Sölden gibt, wäre ich zu einhundert Prozent motiviert weiterzumachen.
Magnus Walch
Ist auch ein wenig Erleichterung dabei, dass es vorbei ist?
Nein, Erleichterung ist es nicht. Wenn ich die Chancen bekommen würde, ich fix wüsste, dass es eine Qualifikation für den Weltcupauftakt in Sölden gibt, wäre ich zu einhundert Prozent motiviert weiterzumachen. Ich habe auch bis jetzt ganz normal weitertrainiert, meine Vorbereitung im Olympiazentrum Vorarlberg absolviert. Zudem habe ich mit meinen Ausstattern und Sponsoren geredet und ihnen mitgeteilt, dass ich möglicherweise weiterfahre, es aber auch so sein könnte, dass ich aufhöre. Ich wäre im Moment noch bereit, dass es weitergeht… Darum: Erleichterung ist es keine… Es ist eher so, dass ich sage: „Ich hatte die Zeit, mir über das ganze Thema Gedanken zu machen.“ Darum ist es auch keine Entscheidung vom einen auf den anderen Tag, die mir richtig schwerfällt. Ich hatte doch fast zwei Monate Zeit mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass es nicht mehr weitergeht als aktiver Skirennläufer.
Wenn man ihnen zuhört, merkt man aber auch, dass das Feuer noch brennen würde. Oder täuscht das?
Das Feuer brennt auf jeden Fall noch und der Skisport ist definitiv etwas, das mich mein Leben lang begleiten wird. Ich fahre extrem gerne Ski und es macht mir unheimlich viel Freude. In Zukunft wird mein Skifahren nur eben etwas weniger kompetitiv ausfallen. (schmunzelt)
Ich habe meine Chancen gehabt. Einige davon konnte ich auch nützen. Allerdings hätte ich gerne noch ein wenig mehr Zeit gehabt, mich zu entwickeln.
Magnus Walch
Gab es vom ÖSV eine nähere Begründung, warum Sie diese Quali-Chancen für den kommenden Winter nicht mehr bekommen werden?
Ich werde bald 29 Jahre alt. Der ÖSV hat das Ziel ein Riesentorlauf-Team aufzubauen, in dem die jungen Läufer möglichst früh im Weltcup eingebunden werden. Ich habe meine Chancen gehabt. Einige davon konnte ich auch nützen. Allerdings hätte ich gerne noch ein wenig mehr Zeit gehabt, mich zu entwickeln. Aber es ist jetzt leider so, dass ich mit meinem Alter etwas zu alt für das System bin.
Sie hegen aber keinen Groll gegen den Verband?
Nein, absolut nicht. Ich bin auch kein Mensch, der böse auf jemanden ist. Oder nachtragend. Ich habe da auch keine schlechte Energie. Mir ist es einfach extrem wichtig, dass ich jetzt zurückschauen kann und Dankbarkeit verspüre und auf niemanden böse bin. Ich würde nie sagen, dass mir irgendwer irgendetwas verbaut hat, keine Chancen gegeben hat. Ich gehe mit einem 100 Prozent guten Gefühl in Skipension und kann mir auch nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ich mein Leben lang ein Gefühl der Unzufriedenheit mit mir herumtragen würde. Da bin ich eigentlich sehr froh ein Mensch zu sein, der dieses Kapitel einfach so abschließen kann. Der sagen kann: „Ok, diese Entscheidung passt für mich so. Ich bin auf niemanden böse und hatte eine richtig, richtig lässige Zeit.“ Dafür bin ich einfach dankbar.
Es gab Siege, die völlig überraschend kamen. Es gab aber auch Siege, auf die ich hart hingearbeitet habe - wie etwa den Erfolg bei den Staatsmeisterschaften
Magnus Walch
Wenn Sie zurückschauen: Der Sieg bei den Staatsmeisterschaften war ihr 30. Erfolg auf FIS-Ebene. War dies - rückblickend - ihr schönster Sieg?
(lacht) Erst kürzlich habe ich mir meine FIS-Biographie durchgeschaut. Da kamen dann zu jedem Erfolg verschiedenste Gedanken - Erinnerungen, wie ich mich an den Tagen gefühlt habe. Es gab Siege, die völlig überraschend kamen. Es gab aber auch Siege, auf die ich hart hingearbeitet habe - wie etwa den Erfolg bei den Staatsmeisterschaften. Der ÖM-Titel ist schon etwas ganz etwas Besonderes für mich. Ganz besonders eben auch, weil Stefan Brennsteiner dabei war. Wir hatten ein supercooles Gespräch danach. Stefan ist ein wirklich, wirklich guter Freund von mir. Er wollte den Titel unbedingt selbst gewinnen, da es auch sein erster gewesen wäre. Von dem her war mir klar, dass dieser Titel auch einiges für mich wert ist. Sehr gerne denke ich aber auch an Neuseeland 2019 zurück. Ich bin damals dorthin gereist mit dem klaren Ziel, dass ich den Australian-New Zealand-Cup gewinnen möchte. Ich konnte dann auch zwei der Riesentorläufe gewinnen und kam im Gelben Trikot zurück. Das war auch etwas wirklich Besonders für mich, da ich mir ganz klar dieses Ziel gesetzt hatte – im Wissen, dass die Chancen auf diesen Sieg nicht unbedingt riesig sind. Dass ich es dann dennoch geschafft habe, hat mir sehr viel Stärke und Selbstvertrauen gegeben. Ich habe damals gemeinsam mit meinem Team Global Racing auf dieses Ziel hingearbeitet, habe es erreicht und das war auch ein sehr schöner Moment.
Was war der überraschendste Sieg Ihrer Karriere?
Sicher der bei den deutschen Riesentorlaufmeisterschaften 2012 am Arber vor Felix Neureuther und Fritz Dopfer. Ich hatte während der gesamten Saison nur fünf, sechs Tage Riesentorlauf trainiert und war primär wegen des Slaloms dort. Als ich nach dem ersten Lauf Dritter war, dachte ich mir: „Cool, ich bin ja gar nicht schlecht dabei…“ Im zweiten Lauf fuhr ich Bestzeit und gewann. Das war sehr unerwartet, aber extrem lässig, da Felix und Fritz große Vorbilder für mich waren.
Waren sie das zu dem Zeitpunkt für Sie noch?
Doch auf jeden Fall. Das ist ja auch schon einige Zeit her. Neun Jahre… Damals war ich noch nicht mal zwanzig und da war das schon etwas Besonderes mit zwei Skigrößen wie Felix und Fritz am Podest zu stehen.
Gibt es eigentlich einen Punkt, von dem Sie sagen, dass könnte der Grund sein, weshalb es am Ende – auch im ÖSV – nicht so funktioniert hat, wie Sie es gerne gehabt hätten?
(Überlegt) Gute Frage...
Sie haben gewusst – und das haben sie auch immer wieder gesagt – dass ich ein extrem schneller Skifahrer bin und sie mir auch zutrauen, dass ich um Topplatzierungen im Weltcup mitfahren kann
Magnus Walch
Oder war das ein Prozess?
Es war schon auch ein Prozess. Was man mir, vonseiten des ÖSV, unter Anführungszeichen vorgeworfen hat, war meine fehlende Konstanz. Sie haben gewusst – und das haben sie auch immer wieder gesagt – dass ich ein extrem schneller Skifahrer bin und sie mir auch zutrauen, dass ich um Topplatzierungen im Weltcup mitfahren kann. Aber die Konstanz fehlte ihnen eben. Im Nachhinein betrachtet ist das sicherlich der Punkt, der mir gefehlt hat, um wirklich erfolgreich zu sein und dorthin zu kommen, wo ich in den letzten Jahren eigentlich hinwollte.
So wie ich Sie kennenlernen durfte, kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie dieses Thema nicht in Angriff genommen hätten…
Natürlich. Ich habe im Training sehr viel probiert. Früher, also vor acht, neun Jahre, bin ich eigentlich immer am Limit gefahren, habe eigentlich nur darauf geschaut, dass ich schnell fahre. Egal ob ich Fehler mache, einfach immer weiterkämpfen. Da war das mit der Konstanz wirklich ein extremes Thema. Da gab es am einen Tag einen Sieg und dann wieder fünf Ausfälle in Folge. Da war es auch im Training so, dass ich nur die Hälfte der Läufe zu Ende gefahren bin. Bereits da haben wir sehr intensiv daran gearbeitet, dass ich es schon im Training umsetzen kann, konstanter werde. Das ist mir auch wirklich gut gelungen. Aber in den Rennen wollte es noch nicht wirklich so sein. Ich habe da viele Sachen ausprobiert. Habe am Material und an der Abstimmung getüftelt, versucht möglichst unanfällig auf unterschiedliche Schneearten zu sein. Ich habe mit Mentaltrainern an Herangehensweisen und Einstellungen gearbeitet. Da hatte ich dann oft das Gefühl, dass es passen würde und wurde dann von mir selber überrascht, dass es eben doch nicht funktioniert. Ich habe an diesem Thema sehr intensiv gearbeitet, den Schlüssel aber einfach nicht gefunden.
Sie haben die vergangen beiden Saisonen, auch schon davor, mit dem Global Racing Team von Paul Epstein trainiert. Es scheint, als ob solche privaten Teams in Zukunft eine noch viel stärkere Rolle spielen könnten. Täuscht das oder stimmen Sie mir zu?
Mir würde es taugen, wenn sich der Skisport in Richtung einer Art Werksracing, so wie man es auch aus anderen Sportarten kennt, entwickeln würde. Starke Verbände haben oft ein Problem mit der Anzahl ihrer Startplätze. Ein Problem, das jetzt im Endeffekt auch mich trifft. Man will einerseits verständlicherweise junge Athleten heranführen. Andererseits hat man bei den routinierteren Fahrern einen relativ guten Stock an Athleten. Wenn ich mir die letzte Slalom-Saison anschaue: Da hatte der ÖSV acht Athleten, die konstant in die Punkte gefahren sind. Da sind die meisten in einem Alter, wo man nicht davon ausgehen kann, dass sie in den nächsten drei, vier Jahren aufhören werden. Das kann ruhig noch sechs, sieben Jahre so weitergehen. Wenn die acht noch sechs, sieben Jahre weiterfahren, dann sind die jungen Athleten sechs, sieben Jahre lang fast ohne Chance einen Weltcupeinsatz zu bekommen. Weil: Warum sollten sie die bekommen, wenn die anderen regelmäßig ihre Punkte machen? Das würde ich doch irgendwie schade finden.
Starke Verbände haben oft ein Problem mit der Anzahl ihrer Startplätze. Ein Problem, das jetzt im Endeffekt auch mich trifft.
Magnus Walch
Aber kann das im Umkehrschluss nicht auch eine Motivation sein, um noch härter zu arbeiten? Oder ist das leicht dahergeredet?
Das ist wirklich leicht daher gesagt. Natürlich kann man das nicht verallgemeinern, aber grundsätzlich arbeiten wir alle sehr, sehr hart für und an unseren Zielen.
Täuscht der Eindruck oder hat man in so einem privaten Team wie Global Racing einfach mehr Spaß? In einem nationalen Team ist es ja zu einem gewissen Grad auch immer ein Arbeiten gegeneinander, oder?
Das ist richtig. Ich habe extrem viel Freunde im österreichischen Skisport, habe mich mit allen ÖSV-Teamkollegen richtig, richtig gut verstanden. Dennoch ist es so, dass man gegeneinander um einen Startplatz kämpft, auch im Training immer diesen Konkurrenzkampf hat. Das ist bei einem Team wie Global Racing nicht so. Da pusht man sich im Training, da alle für ihre jeweilige Nation beim nächsten Weltcuprennen am Start stehen und so viele Weltcuppunkte wie möglich holen wollen. Konkurrent ist man erst dann, wenn man am Start des Rennens steht und nicht schon davor im Training. Das ist definitiv ein Unterschied, auch was das Zusammenleben betrifft. Wenn man mit Global Racing unterwegs ist, finanziert man sich ja auch alles selber. Da wohnt man nicht in den Top-Hotels, sondern nimmt sich oft ein Appartement. Man kocht gemeinsam, man hat einfach ein engeres Zusammenleben. Und, ja: Es ist auch mehr Spaß. Man muss sich viele Sachen selbst organisieren. Ein Erlebnis ist mir besonders gut in Erinnerung geblieben, als wir einmal im Sommercamp von Neuseeland nach Australien geflogen sind. Ein großer nationaler Verband bucht sich da einfach mal zehn zusätzliche Skisäcke beim Flug dazu. Wir dagegen sind davor im Appartement gesessen und habe überlegt, wie wir am besten das Gewicht unseres Gepäcks optimieren können. Wir sind dann – das darf man den Fluglinien gar nicht sagen – auf die Idee gekommen die Bindungen von unseren Rennskiern abzumontieren und in unser Handgepäck zu geben. Das Handgepäck hatte dann zwar 40 Kilogramm, aber wir sparten uns 300 bis 400 Euro. (lacht) Solche Erlebnisse schweißen ein Team natürlich auch nochmals ganz anders zusammen. Da entsteht schon nochmals eine etwas engere Beziehung zwischen den Athleten, aber auch den Trainern.
Provokante Frage: Geht es den Läufern im ÖSV zu gut?
Nein, zu gut glaub ich nicht. Die Betreuung ist einfach etwas, woran man sich gewöhnt. Vielleicht tun sich Athleten schwerer, die von Anfang an und immer in einem ÖSV-Kader waren und nie etwas in Eigenregie machen mussten. Da tun sich Athleten, die im Jugendalter noch nicht gut genug für den ÖSV waren und sich vieles selber erarbeiten mussten – so wie es bei mir der Fall war – schon leichter. Egal ob es organisatorische Dinge sind, die Beschaffung von Startplätzen oder die Skipräparierung. Wie gesagt, ich glaube nicht, dass es ihnen zu gut gehen. Das ist ja schließlich auch das, was einen Verband ausmacht. Dass man sagen kann: Wir haben einen Physiotherapeuten, wir organisieren euch die Hotels, wir haben Serviceleute. Ihr müsst euch einfach nur aufs Skifahren konzentrieren. Das ist schon etwas, was die Arbeit sehr erleichtern kann. Wenn du als Rennfahrer nicht überlegen musst, was du am Abend kochen wirst oder du darauf hoffen musst, dass der Supermarkt noch offen hat, wenn du vom Training zurückkommst… Darum ist es schon gut, dass dir in den nationalen Verbänden all das abgenommen wird. Andererseits: Wenn man nie erlebt hat, was es heißt, selbst etwas zu organisieren, auf sich selbst gestellt zu sein, dann tut man sich viel schwerer, wenn man in eine Situation kommt, in der es gar nicht anders geht…
Der finanzielle Aspekt ist sicherlich einer der Hauptgründe, warum man aufhört. Wäre das kein Thema, dann wäre auch ein Karriereende überhaupt kein Thema.
Magnus Walch
Dass Sie Skirennen bestreiten wollen, haben Sie spätestens vor der Saison 2019/20 bewiesen, als Sie erneut keinen ÖSV-Kaderplatz mehr bekommen haben und mittels Crowdfunding ein Rennbudget gesammelt haben. Gab es da im Vorfeld schon Gedanken es bleibenzulassen, weil ihnen auch bewusst war, was an finanziellem Aufwand dahintersteht?
Der finanzielle Aspekt ist sicherlich einer der Hauptgründe, warum man aufhört. Wäre das kein Thema, dann wäre auch ein Karriereende überhaupt kein Thema. Dann könnte ich sagen: „Ok, für mich persönlich tue ich alles.“ Egal ob es Kondi- oder Skitraining ist, ob es das Tüfteln am Material ist. Da kann und werde ich mich zu einhundert Prozent reinhängen. Aber wenn es so ist, dass man dann extrem viel Geld aufbringen muss… (überlegt). Es ist ja dann für die Sponsoren auch nicht so einfach. Sie wissen auch, dass sie nicht den absoluten Top-Athleten haben, der für sie eine Super-Werbung macht. Von ihrer Seite ist es ja auch viel „good will“. So gesehen steht man als Athlet auch immer ein bisschen in deren Schuld. Man ist extrem froh um die ganzen Sponsoren. Man weiß auch, dass sie einen gerne unterstützen – ansonsten würden sie es ja nicht tun. Aber trotzdem möchte man ihnen etwas zurückgeben. Das alles ist schon auch etwas, das als Druck auf einem lastet. Man möchte den Leuten, die einen unterstützen, hinter einem stehen, ja etwas zurückgeben, in dem man Ergebnisse erreicht und den Weg zurück in einen Verband schafft. Wenn man das Skifahren professionell betreibt, ist es einfach ein sehr, sehr großer finanzieller Brocken, der da auf einen zukommt.
Was hätte es gekostet, wenn Sie eine weitere Saison angehängt hätten?
Ich habe die letzten beiden Saisonen immer mit 40.000 Euro an Kosten kalkulieren müssen, die auf mich zukommen.
Und wieviel davon mussten Sie aus ihrer eigenen Tasche zahlen, sprich konnten nicht durch Sponsoren und Unterstützer abgedeckt werden?
Ich habe es in den vergangenen zwei Saisonen mit dem Crowdfunding, der Unterstützung meiner Sponsoren, sowie Förderungen vom Ski Club Arlberg und vom Land Vorarlberg geschafft, eben auszusteigen.
Will ich wirklich für ein Land starten, zu dem ich keinen persönlichen Bezug habe? Eine andere, als die rot-weiß-rote, Flagge neben meinem Namen stehen haben?
Magnus Walch
War ein Nationenwechsel nie ein Thema für Sie?
Natürlich war es ein Thema. Man macht sich über viele Sachen Gedanken, wenn man auf die Situation zusteuert, dass es in Österreich nicht weitergeht. Ich habe mich rein interessehalber schon informiert, was es für einen Nationenwechsel brauchen würde und rasch festgestellt, dass es schwer ist, wenn man keinen Bezug zu einem anderen Land hat. Es gibt inzwischen sehr strenge FIS-Regeln, was dieses Thema angeht. Das finde ich auch gut. Ich halte nichts davon, wenn Athleten quasi eingekauft werden, damit sie bei Olympischen Spielen für China fahren. Unabhängig von der Möglichkeit eines Nationenwechsels habe ich mir aber auch die Frage gestellt, ob ich das überhaupt wollen würde. Also für eine andere Nation als Österreich an den Start zu gehen. Will ich wirklich für ein Land starten, zu dem ich keinen persönlichen Bezug habe? Eine andere, als die rot-weiß-rote, Flagge neben meinem Namen stehen haben? Ich fühle mich meiner Heimat doch sehr stark verbunden, fühle mich als Österreicher. Aber ich bin am Ende nie an den Punkt gekommen, wo ich mir diese Frage ernsthaft gestellt habe, weil ich einfach gesehen habe, dass ein Nationenwechsel für mich praktisch nicht möglich ist. Allerdings wäre es cool, wenn die FIS die Startplätze-Regelungen generell ein wenig überdenkt. Dann müsste man sich auch keine Gedanken über Nationenwechsel machen.
Damit könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits den jungen Läufern eine Chance geben sich zu qualifizieren, andererseits arrivierte Läufer nicht aufgrund der Aussichtslosigkeit in Sachen Startplatz in einen Nationenwechsel zu treiben
Magnus Walch
Inwiefern? Durch größere Nationenkontingente? Oder durch eine Regel, dass die Punktebesten – egal welcher Nation – im Weltcup starten dürfen?
Im Moment ist es so, dass die großen Nationen maximal acht Startplätze haben. Natürlich will man ein kleines Starterfeld, damit die gesamten TV-Übertragungen nicht zu lange dauern. Das finde ich auch absolut in Ordnung. Man könnte aber zum Beispiel hergehen und sagen, dass die Top-30 – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft – einen Fixplatz haben. Davor wird aber ein Qualifikationsrennen mit einer Nationenquote gefahren, bei dem „große“ Nationen wie Österreich dann beispielsweise zehn Plätze bekommen. Zu den 30 fix Qualifizierten kommen aus dem Quali-Rennen nochmals 30 Leute dazu, sodass am Ende 60 Läufer am Start sind. Von den 30, die sich qualifizieren, können dann im Endeffekt auch zehn aus Österreich kommen, wenn sie schnell genug sind. Dann kann es sein, dass fünf Österreicher bei den fix Qualifizierten dabei sind und nochmals zehn dazu kommen und am Ende 15 der 60 Starter aus Österreich kommen. Damit könnte man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits den jungen Läufern eine Chance geben sich zu qualifizieren, andererseits arrivierte Läufer nicht aufgrund der Aussichtslosigkeit in Sachen Startplatz in einen Nationenwechsel zu treiben. Dann braucht es auch keine internen Qualis oder Trainerentscheide mehr. Ich kann mir wirklich gut vorstellen, dass so eine Regelung funktionieren könnte. Klar kann es mit so einem Modell auch passieren, dass insgesamt nur fünf Österreicher am Start sind. Wenn die anderen zehn nicht gut genug sind, hatten sie aber zumindest ihre Chance. Das betrifft ja alle Nationen, die Schweizer und die Norweger genauso...
Man merkt, dass Sie mit dem Skisport noch lange fertig sind. Gibt es eine Idee, weiterhin im Skisport zu bleiben?
Der Skisport hat mich mein bisheriges Leben lang erfüllt und das ist sicherlich etwas, dass ich nicht einfach so zur Seite legen kann und werde. Aber ich kann es mir im Moment noch nicht wirklich vorstellen als Trainer zu arbeiten. Vielleicht kommt das in ein paar Jahren, wenn ich etwas Abstand gewonnen habe. Momentan ist es noch nicht das, was ich wirklich zu einhundert Prozent machen will. Meine Entscheidung zum Aufhören ist doch noch sehr frisch und während meiner aktiven Zeit gab es noch nicht so viele Gedanken an die Karriere danach. Einfach schon nur deshalb, weil ich zu einhundert Prozent Skifahrer war. Die nächsten Wochen möchte ich jetzt dafür nutzen, intensiv zu überlegen, was mich wirklich interessiert. Ich kann mir wirklich gut vorstellen auch mit Skifirmen zusammenzuarbeiten – etwa mit meinem Ausrüster Völkl, der mich in der letzten Saison unterstützt hat. Das ist eine extrem lässige Firma, die wirklich etwas weiterbringen will. Mit dem Ziel das Team zwar kleinzuhalten, dafür aber Topqualität zu haben.
War es eine gute Entscheidung für Ihre – wie wir jetzt wissen – letzte Saison nochmals einen Materialwechsel von Rossignol zu Völkl vorzunehmen?
Ja, auf jeden Fall. Das hat mir im letzten Winter richtig getaugt. Als Ende der vorigen Saison feststand, dass ich zu Völkl wechseln werde, verspürte ich eine Motivation zum Skifahren wie nie zuvor. Das neue Material testen, die Zusammenarbeit mit neuen Leuten… Alle waren richtig heiß darauf Dinge weiterzubringen. Das war definitiv nochmals ein zusätzlicher Motivationsschub.
Das Bedürfnis nach Weiterbildung hat sich bei mir in den vergangenen Wochen ganz stark herauskristallisiert. Wobei ein Leben als Vollzeitstudent für mich nicht infrage kommt...
Magnus Walch
Sie sagten, dass Sie noch ausloten wollen, was die Zukunft für Sie bringen könnte. Sie haben die Ski-Tourismusschule in Bad Hofgastein besucht, ihre Eltern bewirtschaften das Lecher Hotel Theodul ab Sommer wieder selbst – eine Option, dass sie das Hotel übernehmen?
Mein Bruder Linus und ich haben gesagt, dass wir unsere Eltern auf jeden Fall nach Kräften unterstützen werden. Wir sind aber beide im Moment noch nicht an dem Punkt, dass wir das Hotel übernehmen und daheim einsteigen. Ich möchte jetzt einfach noch etwas Anderes lernen, etwas Anderes erfahren, etwas Anderes machen. Wer weiß, vielleicht ist es in ein paar Jahren so, dass ich motiviert bin und es übernehmen will. Aber wie gesagt: Linus und ich werden sie so gut unterstützen wie es nur eben geht. Jetzt habe ich mich auf jeden Fall schon einmal für ein berufsbegleitendes BWL-Studium am MCI Innsbruck eingeschrieben. Das Bedürfnis nach Weiterbildung hat sich bei mir in den vergangenen Wochen ganz stark herauskristallisiert. Wobei ein Leben als Vollzeitstudent für mich nicht infrage kommt.
Gibt es vielleicht auch etwas, das Sie aufgrund ihrer Skikarriere in den vergangenen Jahren nicht machen konnten und jetzt nachholen wollen?
Gerade wenn ich an den nächsten Winter denke, freue ich mich schon richtig darauf, mal hier am Arlberg Tiefschneefahren zu gehen. Als Rennsportler kommst du da nicht wirklich dazu. Da bist du doch eher auf der Trainingspiste unterwegs. Ich freue mich schon darauf, wenn ich es wirklich ausnutzen kann hier am Arlberg zu leben und die schönsten Tiefschneegebiete direkt vor der Haustüre zu haben. Ich freue mich aber auch darauf, mit Freunden – abseits des Skisports – Zeit zu verbringen, Sachen zu machen. Generell bin ich sehr gerne in der Natur, beim Wandern oder Radfahren. Sehr oft passte das in den letzten Jahren aber nicht so in den Trainingsplan. Auch wenn es Sport ist, standen zu gewissen Zeiten andere Belastungen im Vordergrund, weil man gezielter arbeiten muss. Von dem her freue ich mich darauf, ohne Trainingsplan Sport zu betreiben. Und: Ich habe durch das Skifahren sehr viel gesehen von der Welt – allerdings in erster Linie von den Skigebieten, nicht von den Länder wo ich war. Reisen würden mir auf jeden Fall auch sehr viel Freude machen und da möchte ich mir auch ein paar Sachen anschauen. Also nicht nur in den Urlaub gehen und an den Strand liegen, sondern wirklich ein paar Sachen sehen und erleben. Das war bisher auch nicht wirklich so möglich…
Eine spezielle Destination im Kopf?
Ja, mein Bruder war letztes Jahr alleine mit dem Auto in Norwegen unterwegs. Da war die Natur schon sehr beeindruckend. Das ist etwas, was auch mir sehr taugt. So etwas möchte ich auf jeden Fall machen. Ganz im Norden dann auch Skitouren gehen. In Spitzbergen. Mir haben auch die zwei Urlaube in den US-amerikanischen Nationalparks, die ich mit Linus gemacht habe, sehr viel Freude bereitet und ich kann mir gut vorstellen dort noch ein paar Sachen mehr anzuschauen.
Sie sind 28, sind mit der ehemaligen Tiroler Skirennläuferin Teresa Lamprecht liiert. Ist Familie ein Thema bei Ihnen?
Stress haben wir diesbezüglich keinen. Meine Freundin wird jetzt mit ihrem Physiotherapie-Studium fertig und will dann auch in diesem Bereich arbeiten. Wir wollen aber beide einmal Familie haben, werden uns da aber sicher noch ein paar Jahre Zeit lassen. Zumal wir uns bislang noch nicht darauf einigen konnten, wo wir gemeinsam leben wollen. Teresa kommt vom Tiroler Achensee und kann sich derzeit nicht vorstellen in Vorarlberg zu leben. Umgekehrt kann ich mir derzeit nicht vorstellen nach Tirol zu ziehen. (lacht) Dass könnte noch lustig werden.
Lebe den Skisport mit voller Begeisterung und Einsatz. Sieh es als ein Privileg an, dass du das machen darfst.
Magnus Walch
Abschließend: Was würden Sie einem 17-Jährigen, der den Traum hat Skirennläufer zu werden, raten? Oder anders gefragt: Was würden Sie dem 17-jährigen Magnus Walch heute mit auf den Weg geben?
Lebe den Skisport voller Begeisterung und Einsatz. Genieße die Zeit, nimm nicht immer alles so ernst. Das heißt nicht, dass du nicht alles für den Sport, für deinen Traum tun sollst. Man kann alles dafür tun und dennoch Freude haben. Halte nicht zu verkrampft an gewissen Dingen fest – da gibt es auch Phasen in meiner Karriere wo ich jetzt zurückblicke und mir heute denke, dass ich da einfach zu wenig locker war und mir damit selber im Weg gestanden bin. Die Lockerheit habe ich erst in den letzten Jahren mit der Routine und dem Alter ein wenig mehr bekommen. Wenn ich diese Lockerheit schon früher gehabt hätte, wäre wahrscheinlich einiges noch leichter und einfacher gegangen. Kämpfe für dein Ziel, solange du die Begeisterung dafür aufbringst. Auch wenn du nicht alle Ziele erreichen wirst, ist es wert dafür zu kämpfen, den Lebenstraum zu verfolgen. Sieh es als Privileg an, dass du das machen darfst.
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