Top-Virologe Drosten:
Herdenimmunität klappt nicht, Laborthese abwegig
Seit 20 Jahren sind Coronaviren das Spezialgebiet des deutschen Top-Virologen Christian Drosten. In einem Interview mit dem Schweizer Online-Portal „Republik“ hat der renommierte Mediziner jetzt erläutert, warum die oft zitierte Herdenimmunität beim Menschen nicht funktioniert und warum er nicht glaubt, dass der Erreger SARS-CoV-2 aus einem Labor in China entwichen ist.
Für Drosten, der Institutsdirektor an der berühmten Charité in Berlin ist und dort einen Lehrstuhl hat, ist die von Politikern und auch Experten immer wieder erwähnte und angestrebte Herdenimmunität (der Begriff stammt ursprünglich aus der Nutztier-Haltung; Anm.) ein großes Missverständnis. Das werde nicht funktionieren, relativiert er im Interview mit dem Online-Portal „Republik“.
Menschen leben nicht wie Nutztiere in abgeschlossenen Gruppen, so Drosten. Sie reisen, bewegen sich in Nachbardörfer, an ihre Arbeitsplätze in anderen Orten und dadurch werde der Covid-19-Erreger verbreitet. Selbst wenn in einigen Jahren hundert Prozent der Bevölkerung entweder geimpft oder infiziert worden sein werden, würden sich weiter Menschen mit SARS-CoV-2 infizieren. Allerdings werden das keine Erstinfektionen mehr sein, so der Virologe. Covid-19 werde wahrscheinlich „so eine Art, ja, ich will mal sagen, Erkältung werden“.
Zweifel an These, das Virus könnte in Labor entstanden sein
Die immer wieder ventilierte Idee, dass das gefährliche Coronavirus SARS-CoV-2 bei einem Forschungsunfall mit dem SARS-Erreger aus einem Labor in China entwichen sein könnte, hält Drosten, der zugibt, dass er „vom jetzigen SARS-2 überrascht“ wurde, für „ausgesprochen unwahrscheinlich“. Hätte man dort ein modifiziertes, ansteckenderes SARS-Virus entwickeln wollen, dann hätte man das nicht derart umständlich gemacht, sagte er.
„Wenn ich wissen will, ob ein neues Autoradio den Klang verbessert, dann nehme ich ein bestehendes Auto und tausche da das Radio aus. Dann vergleiche ich. Ich baue dafür nicht ein komplett neues Auto. Genau so war das aber bei SARS-(CoV-)2: Das ganze Auto ist anders“, wird Drosten von „Republik“ zitiert.
Erreger vermutlich von Tier auf Menschen übergesprungen
Viel wahrscheinlicher ist für Drosten, dass das Coronavirus bei der Zucht von Marderhunden (Bild oben) oder Nerzen auf den Menschen übergesprungen ist. 2003 und 2004 seien große, in China gemachte Studien veröffentlicht worden, die für SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom, Anm.) die Verbindung zu Marderhunden und Schleichkatzen belegt hätten, so der Virologe. An SARS waren 2002/2003 in Festlandchina und Hongkong knapp 650 Menschen gestorben.
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