Die Krönung blieb Belgiens „Goldener Generation“ bisher verwehrt. Seit die „Roten Teufel“ vor knapp zehn Jahren aus der zwischenzeitlichen Versenkung zurück in den Fokus gerückt sind, rennen sie einem Titel hinterher. Seither reisen sie als Geheimfavoriten zu Turnieren, Platz drei bei der WM 2018 war das Höchste der Gefühle. Seit Jahren verliert der Weltranglisten-Erste kaum mehr ein Spiel. Eden Hazard und Co. sind überreif für Großes. Die Zeit scheint aber zu drängen.
Die einst junge Mannschaft ist noch nicht überaltert, der eine oder andere Spieler scheint seinen Zenit jedoch schon überschritten zu haben. Jan Vertonghen, Toby Alderweireld, Thomas Vermaelen, Dries Mertens, Eden Hazard und Axel Witsel sind über 30, Thibaut Courtois, Kevin de Bruyne und Romelu Lukaku knapp darunter. Die Belgier stellen mit einem Durchschnittsalter von 28,7 Jahren mittlerweile den ältesten und auch erfahrensten Kader aller EM-Teams. Sie stehen unter Erfolgsdruck.
Mourinho: „Jetzt oder nie“
„Ich denke, es lautet ‘jetzt oder nie‘ für sie. Viele der Spieler haben nun das perfekte Alter, um es zu schaffen“, sagte Star-Coach Jose Mourinho im britischen Sportradio „talkSPORT“ über die Belgier. Deren Weg zur EM war mit zehn Siegen in zehn Qualifikationsspielen bei 40:3 Toren praktisch makellos. Bei der EM sollte die Gruppe mit Dänemark, Russland und Finnland für den Titelkandidaten noch kein Gradmesser sein. Die Dänen werden wohl härtester Konkurrent.
Unter dem seit fast fünf Jahren als Nationaltrainer tätigen Roberto Martinez hat Belgien nur vier von 56 Spielen verloren. Weh tat das Aus im WM-Halbfinale 2018 gegen den späteren Champion Frankreich als bessere Elf. Bei der Weltmeisterschaft vier Jahre davor war für Hazard und Co. im Viertelfinale gegen Argentinien Endstation, bei der EM 2016 ebenfalls im Viertelfinale überraschend gegen Wales. Danach übernahm Martinez.
Der Spanier vertraut auf seinen bewährten Kader. Von den acht Belgiern mit den meisten Länderspielen in der Geschichte des Landes stehen nicht weniger als sechs im EM-Kader. Auch die besten beiden Torschützen des Landes, Rekordtorjäger Lukaku (60 Tore) und Hazard (32), sind noch aktiv. Gerade Hazard zeigt das Problem der Belgier aber auf: wichtige Stützen gehen nicht unbedingt in Bestform ins Turnier.
Der Real-Star plagt sich seit seinem Wechsel von Chelsea nach Madrid mit Verletzungen herum. Erst im Mai kam Hazard wieder regelmäßig zum Einsatz. Für Martinez kein Grund, an ihm zu zweifeln. Im letzten EM-Test, einem 1:0 gegen Vizeweltmeister Kroatien, kam der Offensivstar nach eineinhalb Jahren Pause im Teamtrikot aber nur zu einem achtminütigen Kurzeinsatz. „Es kommt nicht darauf an, wie lange Eden spielt, sondern dass er spielt. Das ist mental ein großer Schritt“, meinte Martinez. „Wann Eden wieder für 90 Minuten bereit ist? Das ist schwer zu sagen“, sagte der Trainer.
Sorgen um De Bruyne
De Bruyne zog sich im Champions-League-Finale Brüche im Gesicht zu und droht in den ersten Partien auszufallen. Mit dem Profi von Manchester City plant Martinez wohl erst in der K.o.-Phase richtig. Dortmunds Witsel hat nach einem Achillessehnenriss seit Jänner kein Spiel mehr bestritten. Positiv für die Belgier: Mit dem 24-jährigen Mittelfeldmann Youri Tielemans von Leicester City oder dem 19-jährigen Flügelstürmer Jeremy Doku von Stade Rennes stehen auch junge Kräfte parat.
Eine Bank ist Romelu Lukaku. Der 28-Jährige von Inter Mailand ist für gegnerische Verteidiger schier unstoppbar. 60 Tore in 93 Länderspielen sprechen für die Qualitäten des 1,90-m-Manns. Lukaku soll Garant dafür sein, dass Belgien der große Wurf gelingt. Der Torschütze selbst meinte nach dem Erfolg gegen Kroatien: „Nun geht es darum, fokussiert zu werden und alle Spieler zu hundert Prozent fit zu bekommen. Dann ist viel möglich.“
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