Die Klinische- und Gesundheitspsychologin Sabrina Steiner ist seit 2015 bei der „Eule“ tätig. Mittlerweile leitet sie drei Standorte: Reutte, Zams und Imst. „Das Angebot in ganz Tirol wird sehr gut angenommen – und zwar speziell von jenen Familien, die es wirklich schwer haben. Einer der Gründe dafür ist, dass unser Angebot sehr niederschwellig ist und wir unsere kleinen Klienten und deren Eltern vom Erstgespräch bis zum Ende der Therapie betreuen“, weiß die Tirolerin. Sie steht hinter dem „Eule“-Angebot, kämpft unermüdlich für den Erhalt des Zentrums und untermauert dies mit handfesten Argumenten.
„Wir arbeiten mit sehr komplexen Fällen“
„90% unserer Klienten benötigen Mehrfach-Maßnahmen, wir arbeiten mit sehr komplexen Fällen. Wir behandeln Klienten mit Entwicklungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten und sozioemotionalen Problemen. Wir haben auch Kinder, bei denen es um die Erhaltung ihrer jetzigen Funktionen geht“, betont Steiner.
Es wenden sich immer wieder Familien an die „Eule“, die früher bei anderen Anlaufstellen waren. „Unser Vorteil ist, dass bei uns alle Therapieeinrichtungen – Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychotherapie, klinisch psychologische Behandlung – unter einem Dach sind und wir mit vereinten Kräften gemeinsam arbeiten. Die Therapeuten helfen sich gegenseitig. Wir können bei Bedarf in Krisensituationen sofort Elterngespräche initiieren, ohne dass die Betroffenen lange darauf warten müssen. In der Selbstständigkeit wird es diese Möglichkeiten meist nicht geben“, mutmaßt Steiner. Zudem fallen bei einer Schließung der „Eule“ wertvolle Ausbildungsstellen sowie Praktikumsplätze weg.
„Folgekosten sind um ein Vielfaches höher“
Ein weiterer Aspekt: „Wenn derart schwer betroffene Kinder nicht durchgehend ihre Therapien erhalten, sind die Folgekosten um ein Vielfaches höher. Diese Kinder können vielleicht nie einer Arbeit nachgehen, bleiben somit lange Teil des Sozialsystems und haben nicht die Chance, sich ein eigenständiges Leben zu ermöglichen“, sagt die Psychologin.
Bei niedergelassenen Therapeuten liege der Selbstbehalt bei rund zehn bis 15 Euro pro Therapiestunde. In der „Eule“ seien die Therapiestunden bei Inanspruchnahme über die ÖGK oder die Kuf kostenlos, bei Abrechnung über das Land Tirol falle ein Selbstbehalt von 450 Euro jährlich an – egal, wie viele Therapien ein Klient oder die Familie benötigt. Und in Notfällen gibt es eine Reduzierung oder gar Befreiung vom Selbstbehalt“, klärt Steiner auf.
"Bei diesem ganzen Prozess bemüht sich das Land Tirol eigentlich nur um rund 450 Landkinder. Doch wenn es die ,Eule’ ab Ende Oktober nicht mehr gibt, dann haben auch rund 780 Kassenkinder keinen Platz mehr."
Sabrina Steiner, Leiterin von drei Zentren im Tiroler Oberland
Angst, dass Qualität massiv darunter leidet
Die neuen Pläne der Politik „drängen die Mitarbeiter der ,Eule‘ in die Selbstständigkeit“. Viele können sich damit nicht anfreunden. „Wir haben einen hohen Frauenanteil. Etliche Frauen sind teilzeitbeschäftigt, da sie selbst Familien haben. Andere arbeiten zwölf bis 16 Stunden. Würden sie selbstständig arbeiten, bringe das viel Verunsicherung mit sich und werfe viele Fragen auf. Das ist alles nicht so lustig“, schildert die Tirolerin.
„Es geht mir um die Kinder und Therapeuten“
Von den Schließungsplänen habe sie über die Medien erfahren. „Dass die ,Eule‘ finanzielle Probleme hat, darüber wird bereits seit Jahren diskutiert. Und auch eine Tarifanpassung wird seit Langem gefordert. Es gibt Differenzen zwischen Land Tirol und Kasse. Doch diese Altlasten sind mir egal, denn mir geht es um die Kinder und Therapeuten. Ich habe die Sorge, dass es eine derartige Versorgung nach der Schließung nicht mehr in diesem Ausmaß geben wird“, verdeutlicht Steiner.
Was wäre ihr Lösungsvorschlag? „Es benötigt auch weiterhin beides – das Angebot der ,Eule‘ sowie niedergelassene Therapeuten. Beide Varianten müssen zudem ausgebaut werden, weil die Wartelisten insbesondere in der Peripherie extrem lang sind“, erklärt Steiner.
„Jede Gefühlslage ist bei den Mitarbeitern dabei“
Wie geht es den Mitarbeitern? „Manche befinden sich noch in Schockstarre. Andere sind euphorisch, dass sich alles noch zum Guten wenden wird. Wiederum andere sind deutlich pessimistischer. Man merkt, dass diese Entwicklung mit den Menschen viel macht“, gewährt die Leiterin ehrliche Einblicke, „wir versuchen, die Verantwortlichen aufzurütteln und sie dazu zu bewegen, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Die Erhaltung der ,Eule’ würde maximal eine Million Euro mehr im Jahr bedeuten, das sind wahrlich keine Unsummen.“
Eltern haben eine Petition gegen die Schließung realisiert. Mehr als 7200 Unterschriften zählt sie mit Stand gestern Nachmittag. Link: https://mein.aufstehn.at/petitions/therapien-fur-kinder-sicherstellen-jetzt-gegen-die-schliessung-von-therapiezentren
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