Was wusste Merkel?
Wirbel um „gefälschte“ Intensivbetten-Zahlen
Wurde die deutsche Corona-Notbremse aufgrund falscher Annahmen erlassen? Seit Tagen wird bei unseren Nachbarn über mögliche Schummeleien mit Intensivbett-Kapazitäten in den Spitälern debattiert. Wie Untersuchungen des Bundesrechnungshofes zeigen, meldeten die Krankenanstalten nämlich weniger freie Intensivbetten, als sie tatsächlich gehabt hätten. Als Grund werden finanzielle Anreize vermutet, denn im November des Vorjahres trat ein neues Gesetz zur Finanzierung von Kliniken in Kraft, das Unterstützungszahlungen für den Aufbau neuer Intensivkapazitäten vorsieht, wenn nur mehr maximal 25 Prozent der Betten in dem jeweiligen Spital frei sind. Experten sind zudem überzeugt, dass zu viele Patienten auf den Intensivstationen gelandet seien.
Die Vorwürfe wiegen schwer. Laut bild.de wusste die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel „seit Monaten über die Manipulation Bescheid“. Doch den Bürgern habe sie nichts gesagt. Der Rechnungshofbericht enthält auch ein Schreiben des Robert-Koch-Instituts, das als Leitforschungseinrichtung der deutschen Bundesregierung wichtige Daten für die Bundesregierung bei der Beurteilung der Corona-Situation liefert. Darin wies das RKI auf mögliche Probleme bei der Meldung der freien Intensivkapazitäten hin. An einer Stelle war davon die Rede, dass diese Zahlen „nicht mehr für eine Bewertung der Situation geeignet“ seien.
Warnung des RKI ignoriert?
Doch diese Warnungen im Jänner wurden von Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn offenbar ignoriert. Denn auch danach wurden neue Horror-Zahlen von Intensivmedizinern als einer der Gründe für Lockdowns und andere Beschränkungen des öffentlichen Lebens genannt. Am 24. April trat dann die Corona-Notbremse in Kraft, die beim Erreichen einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 gelten automatisch eine nächtliche Ausgangssperre oder strenge Kontaktregeln zur Folge hatte.
Die Regierung in Berlin weist die Vorwürfe zurück, es habe bewusste Schummeleien gegeben und betont, dass auch im Schreiben des RKI die Befürchtungen „nicht mit Daten oder Analysen“ habe belegt werden können. Gegenüber bild.de betonte das Gesundheitsministerium am Freitag, dass man aber sehr wohl auf die Verdachtslage reagiert und man „auf mehreren Ebenen entgegengewirkt“ habe.
Spitäler wehren sich: „Es gibt keine belegbaren Vorwürfe“
Auch die Spitäler wehren sich gegen die Kritik. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft erklärte am Freitag: „Es gibt weder konkrete Hinweise noch belegbare Vorwürfe gegen ein Krankenhaus.“ Zudem seien für die Unterstützungszahlungen neben der Auslastung auch der Inzidenzwert maßgeblich. Außerdem sei die extreme Überlastung des Spitalspersonals ein weiterer Beweis dafür, dass die Pandemie keineswegs zu dramatisch dargestellt wurde.
Der Verdacht, dass womöglich zu viele Patienten in Deutschland intensivmedizinisch behandelt wurden, wird seit Wochen in Expertenkreisen lanciert. In einem Thesenpapier zeigen die Autoren rund um den Mediziner Matthias Schrappe, dass in keinem anderen Land so viele Covid-19-Patienten im Verhältnis zu den Fallzahlen intensivmedizinische betreut würden. Das Thesenpapier ist aber von anderen Gesundheitsexperten bereits als fragwürdig dargestellt worden. Denn valide Daten würden bei diesen Überlegungen fehlen.
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