Es ist eine ebenso hitzige wie brisante Debatte, die derzeit in zahlreichen EU-Ländern geführt wird: Wie sozial darf die Europäische Union sein, und ist ein Mindestlohn der richtige Weg? Österreich, also zumindest die regierende ÖVP, gehört zu jenen, die den ambitionierten Vorstoß der Kommission ablehnen.
Im vergangenen Oktober hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag, der sicherstellen soll, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch angemessene Mindestlöhne geschützt sind, vorgelegt. Wie dieses Prestigeprojekt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen genau aussehen soll, ist noch lange nicht klar. Die Rede war von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Medianlohns.
Österreich eng mit Schweden und Dänemark abgestimmt
Aber von konkreten Ideen oder gar Beschlüssen ist Europa noch weit entfernt. Quer durch den Kontinent haben sich Allianzen gebildet, die den Vorschlag aus den unterschiedlichsten Gründen ablehnen. Österreich ist eng mit Schweden (dort sind auch die Opposition sowie die Gewerkschaften dagegen) und Dänemark, beide sozialdemokratisch regiert, abgestimmt. Beim gemeinsamen Frühstück vor dem EU-Gipfel am Montag argumentierten Minister Martin Kocher und seine Amtskollegen unisono: Die Einführung eines europäischen Mindestlohns würde das gut funktionierende Kollektivvertragssystem bedrohen und möglicherweise mehr schaden als nutzen. Und es geht auch um die Frage, inwieweit die EU in die nationalstaatlichen Regelungen eingreifen soll oder darf.
Wir wollen unser gut funktionierendes System der Sozialpartnerschaft absichern.
Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP)
Mückstein sieht die Sache anders als die ÖVP
Befürworter eines europäischen Mindestlohns, in Österreich etwa Arbeiterkammer und Gewerkschaft, halten den Kommissionsvorschlag für ein geeignetes Instrument, um die Lohnschere zwischen Männern und Frauen zu reduzieren. Und auch der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein sieht die Sache anders als die ÖVP. Bereits vor dem EU-Sozialgipfel in Porto Anfang Mai machte Mückstein klar, dass er für die Richtlinie der Kommission ist. Kocher hingegen will maximal eine - unverbindliche - Empfehlung. Anlässlich des jetzigen Gipfels verfassten nun grüne Minister, unter ihnen auch Wolfgang Mückstein, einen Brief mit dem Titel „Mutiger sozialer Ehrgeiz muss die Erholung vorantreiben“. Das Wort „Mindestlohn“ kommt darin zwar nicht vor, aber die Botschaft an die Arbeitsminister in Luxemburg war glasklar.
Das derzeitige Wirtschaftssystem gibt den ArbeitnehmerInnen nicht die Rechte, die sie verdienen.
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein in einem gemeinsamen Brief grüner Minister
Derzeit ist die Debatte eine typisch europäische, sie zieht sich in die Länge und macht wenig Fortschritte. Der estnische Arbeitsminister Tanel Kiik glaubt an eine Einigung „frühestens in einem halben Jahr“. Viele andere sind da nicht so optimistisch. Viel wird von Deutschland abhängen, das sich vor der Wahl sehr zurückhaltend gibt.
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