Große Männer. Große Worte. Eine sprachlich eindrucksvolle Liaison durch die Jahrhunderte, geht es doch darum, sich Gehör zu verschaffen. Was aber, wenn die zu Sätzen geformten Gedanken nicht über die Lippen wollen, sich das Wort störrisch sperrt, und völlig unartikuliert im Munde des Redners kollert wie eine starre Murmel - jegliche Sinnhaftigkeit entbehrend? Wenn Stottern also den Redfluss lähmt und das Formulieren zur Höllenqual wird und sich der so gedemütigte an den Pranger gestellt fühlt... Und das, obschon sein Amt, seine Position nach sprachlicher Brillanz verlangt.
Das bewegende und pointierte Drama "The King's Speech" nimmt sich der historisch verbrieften blaublütigen Verbalfaiblessen von Albert - genannt Bertie, und Duke of York -, des späteren King George VI, an, ein König, der der Nachwelt vor allem als Vater von Queen Elizabeth II. in Erinnerung blieb, wobei der historische Rahmen hier nur Verpackung für einen grandiosen Film über menschliche Nöte - und eine wunderbare Freundschaft ist. Unter der Regie von Tom Hooper überzeugt Colin Firth als stotternder Regent.
"Bridget Jones" bis "A Single Man"
Firths schauspielerische Bandbreite ist legendär. So spannt sich sein cineastischer Bogen etwa von leichter Kost wie "Bridget Jones - Schokolade zum Frühstück", dem Vermeer-Künstlerdrama "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" oder dem Musical-Hit "Mamma Mia!" bis hin zu Tom Fords homoerotischem Melodram "A Single Man".
Als immens diffiziler Part erwies sich seine Interpretation des schüchternen Königs wider Willen, den Firth bravourös "unterspielt", geht es doch nicht um banale Imitation einer royalen Redeschwäche, sondern um die Verinnerlichung seiner dadurch bedingten Seelenqualen, verstärkt durch die technische Revolution des Radios als Massenmedium.
Firth: "Es war wohl Ironie des Schicksals, dass Bertie just in dem Moment König wurde, wo das Radio breitenwirksam wurde. Es funktionierte aber lediglich als Live-Medium, es gab also noch keine Aufzeichnungen, in denen man sein Stottern hätte herausschneiden können. Alle Regenten nach ihm hatten die Sicherheit, sich auf den Schnitt, die geschönte Akustik, verlassen zu können."
Helena Bonham Carter als Elizabeth
1936, innerhalb eines Jahres, muss Prinz Albert den Tod seines Vaters, King George V., verkraften, er sieht die britische Monarchie wanken (sein älterer Bruder David dankt nach einem kurzen königlichen "Gastspiel" ab, um die geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson zu ehelichen), und hat sich in die eigene Inthronisierung zu fügen. Es ist seine Frau Elizabeth - gespielt von Helena Bonham Carter -, die ihn hingebungsvoll unterstützt und die in dem kauzigen Australier Lionel Logue - Oscar-preisträger Geoffrey Rush - in der Harley Street einen Querdenker und unkonventionellen Sprachtherapeuten findet, dessen verblüffende Herangehensweise an das Stottern aus königlichem Munde bald Früchte tragen wird.
Doch die aufkeimende Freundschaft zwischen den ungleichen Männern wird wiederholt auf eine harte Probe gestellt. Als es gilt, das Volk mit einem Rede auf den Krieg gegen Hitler-Deutschland einzustimmen, bedarf der Regent, der als Kind brutal vom Links- zum Rechtshänder umerzogen und mit Eisenschienen gegen seine Krummbeinigkeit gequält wurde, mehr denn je der Hilfe seines Freundes. Mit seiner zögerlichen Rhetorik und seiner auch über den Äther spürbaren Menschlichkeit und Verletzlichkeit wird er die Zuhörer vor den Radiogeräten im Britischen Reich fesseln. Weil Wahrhaftigkeit jede Stimme adelt.
Als Theaterstück konzipiert
Ursprünglich als Theaterstück konzipiert - aus der Feder von Drehbuchautor David Seidler, der in Kindheitstagen selbst unter schwerem Stottern litt-, gelangte das Skript über Umwege zu Regisseur Tom Hooper. Für ihn war Colin Firth sogleich die Idealbesetzung für den Part des stammelnden Königs. Zudem waren bislang unveröffentlichte Tagebücher Logues von unschätzbarem Wert! Hooper: "Firth besitzt diesen außergewöhnlichen moralischen Kompass, diese Bescheidenheit und Herzensbildung, deren diese Rolle in ihrer historischen Komplexität bedarf."
Wie es ist, in Bedrängnis zu geraten und dieser Situation nicht ausweichen zu können, erfuhr der klaustrophobisch veranlagte Colin Firth, als er während der Dreharbeiten mit Helena Bonham Carter in Fahrstuhl steckenblieb. So musste sich King George VI. vor seinen Reden gefühlt haben - in die Enge getrieben! Im Nachhinein bemühte sich Colin Firth, das Ungemach charmant zu umschreiben. Firth: "Wenn es darum geht, mit jemandem in einem engen Fahrstuhl stecken zu bleiben, kann ich Helena nur empfehlen: Sie ist amüsant, attraktiv - und nimmt definitiv nicht viel Platz weg." Eine Oscar-Statuette würde das wohl auch nicht tun!
von Christina Krisch, Kronen Zeitung
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