Unterstützt von Persönlichkeiten aus Justiz und Politik geht dieser Tage ein Volksbegehren gegen die „grassierende Korruption“ in Österreich an den Start. Darin werden umfangreiche Reformen gefordert. Den Anstoß dafür gaben augenscheinlich die aktuellen Vorkommnisse in der Innenpolitik. Getragen wird das Begehren etwa von Verfassungsrechtler Heinz Mayer, dem ehemaligen ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath und LIF-Gründerin Heide Schmidt. An Bord ist auch die ehemalige Ermittlerin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), Christine Jilek.
Die Initiatoren des Volksbegehrens „vereint die Sorge um mangelnde politische Kultur“ sowie die „Sorge um den Rechtsstaat“, sagte der Jurist und Compliance-Experte Martin Kreutner. Korruption unterhöhle diesen Rechtsstaat. Politiker müssten wieder Anstand und Achtung vor ihrem Amt zeigen und sich „nicht nur am Strafrecht orientieren“.
Strenge Regeln für Parteienfinanzierung gefordert
Im Begehren mit insgesamt 72 detaillierten Einzelmaßnahmen wird etwa gefordert, dass Politiker, die rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen ignorieren, ihr Amt verlieren. Zudem sollten alle Parteien verpflichtende Compliance-Regeln einführen. Bei der Parteienfinanzierung sollen die Regelungen deutlich verschärft werden: Bei illegalen Parteispenden sollen auch die Geber bestraft werden, der Rechnungshof soll uneingeschränktes Einsichtsrecht in die Parteifinanzen bekommen und entsprechende Berichte verpflichtend veröffentlichen.
Mayer: „Sand im Getriebe“ der Gewaltenteilung
Der Verfassungsjurist Heinz Mayer ortete „Sand im Getriebe“ bei der Gewaltenteilung, in der das Parlament die Aufgabe hat, die Regierung zu kontrollieren. Hier habe der Ibiza-Untersuchungsausschuss zuletzt gezeigt, „wozu er imstande ist, wenn es qualifizerte Abgeordnete gibt“. Mayer übte aber auch Kritik: Oft würden sich Abgeordnete nur als Vertreter ihrer Partei gebärden, nicht des Parlaments. Mayer präsentiert daher die im Volksbegehren enthaltene Forderung nach einem Wahlrecht, „das sicherstellt, dass Politiker im Interesse der Bürger handeln“.
Unabhängigkeit der WKStA soll garantiert werden
Am Podium stand auch die ehemalige Ermittlerin der WKStA, Christine Jilek. Sie hatte im U-Ausschuss „Störfeuer“ bei den Ibiza-Ermittlungen beklagt. Bei ihrer Arbeit habe sie Dinge gesehen, „die ich nicht für möglich gehalten habe“, sagte sie bei der Pressekonferenz. Das Volksbegehren fordert auch, dass die Unabhängigkeit der WKStA in der Verfassung festgeschrieben wird.
„Wenn die Politik von Korruptionsermittlungen betroffen ist, kann nicht die Politik diese Ermittlungen kontrollieren“, begründete Jilek die Forderung.
Ikrath: „Alarmglocken müssten ganz laut schrillen“
Ikrath kritisierte ein „seit Jahrzehnten bestehendes schlampiges Verhältnis zur Korruption“ in Österreich, das auch durch die schlechte Platzierung in aktuellen Rankings untermauert werde. Bei den verantwortlichen Politikern müssten die „Alarmglocken ganz laut schrillen“. Mit dem Volksbegehren wolle man den Ermittlungsbehörden „scharfe, spitze Zähne verleihen“.
„Ich habe den Eindruck, dass hier in Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsfragen vieles rutscht“, klagte auch Schmidt. Das Volksbegehren sei ein tauglicher Akt, hier eine Bewusstseinsbildung in Gang zu setzen.
Crowdfunding geplant
Das Volksbegehren wird von den Einreichenden aus eigenen Mitteln finanziert, deutlich weniger als 100.000 Euro sollen ausgegeben werden. Auch ein Crowdfunding ist geplant. Nachzulesen sind die Forderungen des Anliegens auf antikorruptionsbegehren.at. Erste Unterstützungserklärungen können in ein bis zwei Wochen abgegeben werden.
Kurz unterstützt Volksbegehren
Auf Regierungsseite wurde das Volksbegehren positiv aufgenommen, wobei Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor allem auf Anliegen auf der ÖVP-Agenda fokussierte. In einer schriftlichen Stellungnahme hob er etwa die „Stärkung der unabhängigen Justiz“ samt Schaffung einen unabhängigen Bundesstaatsanwalts hervor. Auch die „Stärkung der Persönlichkeitsrechte von Bürgern, wie des Datenschutzes in einem Untersuchungsausschuss“ nannte er. Er sei dafür, dass das Volksbegehren wie jedes andere seriös und ernsthaft diskutiert werde.
Vorbehaltloser war die Zustimmung der Grünen. „Ich habe den Eindruck oder den positiven Verdacht, dass ich das mit den Zielen, die ich persönlich verfolge, gut in Deckung bringen kann“, sagte Vizekanzler Werner Kogler am Rande einer Pressekonferenz. Noch positiver äußerte sich der Parlamentsklub der Grünen, wo vom „eindeutigen Auftrag, den Rechtsstaat zu stärken und eine unabhängige Justiz zu unterstützen“ die Rede war.
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