Wer den russischen Bären reizt, sollte sich nicht wundern, wenn er einem letztlich den Arm abbeißt - so geschehen, wenn auch im übertragenen Sinn, beim heutigen EM-Schlager der Gruppe B, Finnland gegen Russland, im St. Petersburger Stadion! So hoffnungsfroh die Finnen nach ihrem Auftakt-Sieg gegen Dänemark auch gewesen sein mögen, die Russen-Elf von Teamchef Stanislaw Tschertschessow holte die Nordländer mit einem 1:0-Sieg auf den harten Boden der Realität zurück ...
Seit dem 30. Juni 1912, also seit fast genau 109 (!) Jahren, waren die Russen nicht mehr als Verlierer gegen die finnischen Nachbarn aus einem Fußball-Spiel gegangen - und die Elf von Tschertschessow ließ gleich ab dem Anpfiff durch Schiri Danny Makkelie keinen Zweifel daran aufkommen, dass der 15. Juni 2021 nicht der Tag des nächsten Finnland-Sieges werden würde. Wie aus der Pistole geschossen nahm die „Sbornaja“ das Heft in die Hand, schnürte als nominelle Gastmannschaft in St. Petersburg die echte Gastmannschaft tief in deren Spielhälfte ein.
Was allerdings auch so zu erwarten war, zählen doch schnelle Konter aus einer gesicherten Abwehr ohnehin zur bevorzugten Spielweise der Finnen. Und tatsächlich sorgten die Gäste mit einem derartigen Konter auch ganz früh für den ersten Aufreger der Partie: Jukka Raitala zog nach einem Ballgewinn rechts zielstrebig nach vorne, flankte seinem Stürmer Joel Pohjanpalo perfekt auf den Kopf und der Mann, der bereits zum Auftakt gegen Dänemark getroffen hatte, traf ins russische Gehäuse (4.). Die finnische Jubeltraube löste sich aber schnell wieder auf, der Stürmer war haarscharf im Abseits gestanden - richtige VAR-Entscheidung!
An der grundsätzlichen Charakteristik des Spiels änderte dieser Beinahe-Schock für die Russen freilich nichts - sie blieben überaus dominant, ließen die Finnen kaum aus ihrer Hälfte ausbrechen und kamen zeitweise auf bis zu 75 (!) Prozent Ballbesitz. Doch Ballbesitz alleine bringt keine drei Punkte, mit dem Tore-Schießen haperte es bei den nach dem Ausmerzen des 0:3 gegen Belgien gierenden Artyom Dzyuba und Co. In Minute 10 hätte es allerdings im Tor der Finnen klingeln müssen, als eine flüssige Aktion der Tschertschessow-Elf über Aleksey Miranchuk bei Magomed Ozdoev landete: Der bei Zenit St. Petersburg spielende 28-Jährige schoss den Ball aber aus knapp acht Metern drüber.
Wenig später traf zudem Dzyuba mit einem Schüsschen die Stange (13.) - aber ein Treffer hätte wegen Abseits ohnehin nicht gezählt. Grundsätzlich ließen die Finnen allerdings nur wenig Gefährliches zu - um den Preis, dass sie selber auch nicht groß für Tor-Gefahr sorgen konnten. Pohjanpalo (14., 20., 28.) und Teemu Pukki (18.) deuteten zwar an, dass sich die Russen-Abwehr ihrer Sache nicht zu sicher sein sollte, aber einen Aufreger wie in Minute 4 brachten sie vorerst nicht mehr zustande. Sehr wohl für einen Schreckmoment sorgte Mario Fernandes (RUS), der nach einem Luftkampf hart mit dem Rücken am Boden aufprallte - und verletzt ausgewechselt wurden musste.
Die Russen ließen sich davon allerdings nicht entmutigen und setzten die Finnen weiterhin vehement unter Druck - zumindest bis zum Sechzehner! Als bereits alles mit einem 0:0 zur Pause rechnete, schlug die „Sbornaja“ dann aber doch noch zu: Nach Doppelpass mit Dzyuba ließ Miranchuk im Strafraum erst zwei Finnen aussteigen, ehe er den Ball ins linke Kreuzeck zirkelte (45.+2).
Mit Wiederanpfiff änderte sich das Match insofern, als Teamchef Markku Kanerva seine Finnland-Elf deutlich mutiger auftreten ließ - und sich die Russen zudem für eine etwas passivere Herangehensweise entschieden. Zumindest zwischen Minute 45 und Minute 60 - denn da korrigierte Tschertschessow die Taktik seiner Elf wieder in Richtung vermehrten Ballbesitz. Aus gutem Grund! Alleine Pukki hatte erst im letzten Moment vom Tor-Schuss abgehalten werden können (48./Igor Diveev grätschte noch dazwischen) und dann sogar Tormann Matvey Safonov aus 15 Metern zu einer Parade gezwungen (53.).
Generell zeigte sich, dass die russische Abwehr mehr oder weniger hüftsteif und langsam mit schnellen Angriffen der Finnen ihre Probleme hatte. Mit der Rückkehr zur Taktik der ersten Spielhälfte ging das Momentum wieder auf die Russen über - und sie kamen auch wieder zu Chancen. Rifat Zhemaletdinov verpasste nach Steilpass von Dzyuba das 2:0 (66./knapp rechts vorbei) genauso wie Daler Kuzyaev nach Zuspiel von Dzjuba mit einem Schlenzer an Hradecky scheiterte (72.). Eine Viertelstunde vor dem regulären Ende überraschte Kanerva dann mit der Auswechselung des neben Pohjanpalo gefährlichsten Finnen - Teemu Pukki musste aus unerfindlichen Gründen vom Platz.
Was auch immer der Teamchef Finnlands damit bezweckt haben sollte, es ging sportlich gesehen schlichtweg nicht auf! Seine ohnehin nicht gerade vor Offensiv-Kraft strotzende Elf strahlte in den Schlussminuten kaum mehr ernsthafte Gefahr aus - die Russen hatten letztlich keine Probleme mehr, den Heimsieg in trockene Tücher zu bringen ...
Das Ergebnis:
Finnland - Russland 0:1 (0:1)
St. Petersburg Stadium, 24.540 Zuschauer, SR Makkelie/NED
Tor: 0:1 (45.+2) Miranchuk
Gelbe Karten: Kamara, O‘Shaughessy bzw. Barinow, Osdojew, Dschikia
Finnland: Hradecky - Toivio (84. Jensen), Arajuuri, O‘Shaughnessy - Raitala (75. Soiri), Schüller (67. Kauko), Lod, Kamara, Uronen - Pohjanpalo, Pukki (75. Lappalainen)
Russland: Safonow - Fernandes (26. Karawajew), Diweew, Dschikia, Kusjajew - Sobnin, Barinow, Osdojew (61. Schemaletdinow) - Mirantschuk (85. Muchin), Dsjuba (85. Sobolew), Golowin
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