Boom bei DNA-Testungen

Jedes zwölfte Kind bei uns ist vom „Kuckuck“

Österreich
16.06.2021 06:00

Ein 45-Jähriger bezahlte jahrelang für ein Kuckuckskind. Nun gewann er einen Rechtsstreit. Ein emotionales Thema. Und es stellt sich heraus: Jedes zwölfte Kind ist nicht vom vermuteten Vater.

Susanne Haas hat viel Bewegendes zu berichten. Die Mikrobiologin leitet das Institut Confidence für DNA-Analysen zu Vaterschaftstests. „Vor rund 20 Jahren gab es einen speziellen Fall. Ein älterer reicher Bauer erfuhr von mir, dass alle seine drei Kinder nicht von ihm waren. Da läuft dir kalter Schauer über den Rücken.“

Susanne Haas, Mikrobiologin (Bild: Susanne Haas)
Susanne Haas, Mikrobiologin

DNA-Tests sind eindeutig
Rund sieben bis acht Prozent, also fast jedes zwölfte Kind, sei vom Kuckuck. 1000 Tests pro Jahr analysieren Haas und ihr Team. „Für Private. Aber auch für Gerichte als Sachverständige.“ DNA-Tests sind eindeutig. „Ausnahmen sind eineiige Zwillinge. Da sagen wir scherzhaft, die Mutter kann sich den Vater aussuchen.“ Humor bei viel Trauer. „Einmal haben wir festgestellt, dass der Bruder leiblicher Vater ist. Fürchterlich. Ein anderer hatte Krebs und erfuhr, dass alle seine vier Kinder nicht von ihm waren. Das ist wie psychischer Mord.“

„Jede Schwangere trägt DNA des Kindes in sich“
Genetikerin Haas plädiert für Vaterschaftstests bei der Geburt. Das aber sei aus Datenschutzgründen nicht erlaubt. Ihr Labor biete als einziges in Österreich pränatale Vaterschaftstests an. „Jede Schwangere trägt DNA des Kindes in sich.“ So könne man schon vor der Geburt feststellen, ob der offizielle Erzeuger auch der tatsächliche ist. Das Gute in Österreich sei, dass der Vater bei gemeinsamer Obsorge jederzeit auf eigene Faust testen lassen kann.

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Ich bin für Tests bei der Geburt. Das ist rechtlich nicht möglich. Man könnte auch sagen: Eine Frau, die ihren Mann liebt, schenkt ihm den Vaterschaftstest.

Mikrobiologin Susanne Haas

Hermann Schwarz ist Rechtsanwalt, spezialisiert auf solche Fälle. Zur aktuellen Causa jenes 45-Jährigen, der nun Rückerstattungen sowohl von der Mutter, vom Kindsvater als auch der Tochter erhält, sagt er: „Ein spezieller Fall. Das Kind erhielt auch noch nach Vorliegen eines negativen Abstammungsgutachtens Unterhalt. Durch das Gutachten ist jedoch die Gutgläubigkeit, die sonst zum Tragen kommt, weggefallen.“ Normalerweise werden Kinder nicht zur Kassa gebeten, eben weil sie im guten Glauben Unterhalt erhalten.

Bei der Vaterschaftsanfechtung stellte sich heraus, dass Jörg Kirschner nicht der Vater ist. (Bild: Jörg K., Gerhard Bartel, Krone KREATIV)
Bei der Vaterschaftsanfechtung stellte sich heraus, dass Jörg Kirschner nicht der Vater ist.

Obacht bei Ehebruch
Schwarz betont überdies einen wesentlichen Aspekt: „Wird das Kind im Ehebruch empfangen, ist die Mutter dem Scheinvater klar ersatzpflichtig.“ Kniffliger sei es bei außerehelicher Geburt. „Schadenersatzansprüche gegen die Kindesmutter kommen nur in Betracht, wenn sie das Vaterschaftsanerkenntnis durch bewusst wahrheitswidrige Angaben veranlasst hat. Es muss Täuschungsabsicht im Spiel gewesen sein.“ Das muss man einmal nachweisen können.

Liebe auf den ersten Blick: Falco mit seiner vermeintlichen Tochter Katharina (Bild: zVg)
Liebe auf den ersten Blick: Falco mit seiner vermeintlichen Tochter Katharina

Fall Falco und Oberösterreicher mit 4 „falschen“ Kindern

Immer wieder werden hierzulande bewusst oder unbewusst Kuckuckskinder untergejubelt.

  • Der wohl bekannteste Fall ist der von Johann Hölzel alias Falco. Stolz präsentierte der Musiker 1986 Töchterchen Katharina Bianca der Öffentlichkeit. Doch ein Vaterschaftstest ergab 1993, dass das Baby nicht von ihm sein kann. Der Kontakt zwischen dem Popstar und seiner Katharina riss bis zu seinem Tod trotzdem nie ab. Auch die heute 35-Jährige zweifelte immer an der Richtigkeit des durchgeführten Tests.
  • Gleich vier Kinder, allesamt nicht von ihm, zog Albert S. aus Laussa (OÖ) groß. Dass sie nicht seine sind, erfuhr er bei der Trennung. DNA-Tests vor Gericht ergaben dann: Drei der Kinder stammten vom Vermieter der Familie, das vierte aus einer Affäre.
  • Dramatisch endete 2015 ein Fall in Niederösterreich: Erst teilte eine 20-Jährige ihrem Freund (24) mit, dass er nicht der Vater sei. Dann schloss sie sich in der Toilette ein, fügte sich Schnitte zu und stürzte sich aus dem Fenster im vierten Stock in den Tod.
  • Mit einer verheirateten Tschechin ließ sich ein Linzer auf eine Affäre ein. Plötzlich teilte sie ihm mit, ein Kind zu haben. Der Mann zahlte Alimente - bis sich herausstellte, dass das Baby vom Ehemann ist. Sie wurde 2012 zu zwölf Monaten teilbedingter Haft wegen Betrugs verurteilt.
  • Auch die Kuckuckskinder selbst haben es nicht leicht. Weiß die Mutter nicht, wer der Vater ist, dauert die Suche nach dem Papa oft ein Leben lang an. Immer wieder kommt es danach im Internet oder in Medien zu Suchaufrufen.

So läuft der DNA-Test ab
Beim Vaterschaftstest werden ausgesuchte genetische Merkmale zwischen angeblichem Papa und Kind verglichen. Experten können dann feststellen, ob eine Vaterschaft ausgeschlossen oder sehr wahrscheinlich ist. Kann man die biologische Mutter in die Analyse einbeziehen, steigert dies die Genauigkeit des Tests.

Zellen werden aus Mundschleimhaut entnommen
So läuft die Untersuchung des Erbguts ab: Mit einem sterilen Wattestäbchen werden Zellen aus der Mundschleimhaut entnommen. Je mehr von diesen Zellen auf dem Stäbchen haften bleiben, desto mehr DNA steht im Endeffekt für die Analyse im Labor zur Verfügung. Von Interesse dabei sind aber nicht die Gene an sich, sondern nur kurze Abschnitte, die sogenannten Short Tandem Repeats (STR). Diese tragen keine Erbinformation, unterscheiden sich aber dennoch deutlich zwischen einzelnen Menschen.

(Bild: ©H_Ko - stock.adobe.com)

Treten schließlich bei der Laboruntersuchung mindestens vier STR-Merkmale auf, die weder von der Mama noch vom möglichen Papa stammen, ist klar: Der Mann kann nicht mit dem Sprössling verwandt sein. Lassen sich jedoch alle STR-Merkmale des Kindes entsprechend zuordnen, ist dies noch immer kein hundertprozentiger Beweis für eine Vaterschaft, sondern es zeigt sich nach aufwendigen statistischen Berechnungen lediglich eine Wahrscheinlichkeit.

Mehr Infos unter: confidence.at; oder: vaterschaftstest-wien.at

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