„Krone“-Interview

Giovanni Zarrella: „Man muss Liebe geben können“

Musik
18.06.2021 06:00

Platz eins in den Charts mit dem aktuellen Album „Ciao!“, eine Platin-Auszeichnung für den Vorgänger „La Vita é bella“ und eine eigene Fernsehsendung ab Herbst - die Karriere von Ex-Bro*sis-Musiker Giovanni Zarrella verläuft weiterhin auf der Überholspur. Im Zuge seines Auftritts bei der „Gartenparty der Stars“ bei den Kittenberger Erlebnisgärten in Langenlois gab uns der italienisch-deutsche Überflieger ein Interview zu den Themen Liebe, Familie, Wertigkeiten im Leben und natürlich Fußball.

(Bild: kmm)

„Krone“: Giovanni, die schlimmste Phase von Corona scheinen wir endlich überstanden zu haben. Das ist auch für dich aus der künstlerischen Perspektive heraus alles andere als irrelevant.
Giovanni Zarrella:
 Das ist für mich natürlich sehr relevant. Ich hatte das große Glück, dass meine beiden Alben „La vita é bella“ und „Ciao!“ so gut funktioniert haben. „La vita é bella“ erschien 2019 und die Tourtermine mussten dann mehrmals verschoben werden. Es ist verrückt, dass ich 30 Titel habe, die viele Leute gehört haben, die ich aber noch nie live spielen durfte. Fernsehauftritte sind schön, im Studio Songs aufnehmen ist schön und Promotion machen ist auch schön, aber auf die Bühne zu gehen ist die Kür. Gemeinsam mit den Menschen zu feiern und versuchen, einen unvergesslichen Abend zu kreieren. Das ist für mich der Lohn. Der Applaus und nicht die Gage. Als ich bei Papa vor 50 Menschen im Restaurant gesungen hatte, war der Nervenkitzel wegen der Leute hoch. Wie ist die Reaktion, wenn der letzte Ton gesungen ist? Klatschen sie? Sind sie glücklich? Dieser Applaus fehlt uns Künstlern mittlerweile seit fast eineinhalb Jahren.

Wer sich ins Rampenlicht begibt, ist auch Kritik ausgesetzt. Inwiefern kannst du damit umgehen?
Ich musste lernen, dass Kritik ein Teil der Show ist. Anfangs habe ich mich gewundert, dass Medien auf Gerüchte aufspringen. Oder warum gewisse Titel so böse sind, um die Auflage zu steigern, obwohl im Text dann aufgelöst wird, dass Dinge oft ganz anders gemeint sind. Heute habe ich zu 100 Prozent akzeptiert, dass Kritik Teil meiner Arbeit ist. Alles was ich mache, mache ich auch zu 100 Prozent. Ich liebe es zu singen, zu moderieren, auf der Bühne zu stehen und als Gastgeber durch den Abend führen zu dürfen. Jeder Job hat ein paar Elemente, die einen nicht ganz erfüllen. Bei mir ist es manchmal die Kritik, aber damit kann ich wunderbar leben.

(Bild: Andreas Graf)

Du hast unlängst dem Pixar-Animationsfilm „Luca“ deine Synchronstimme geliehen. Springst du gerne ins kalte Wasser?
Ich brauche das. Kurz nach Bro*sis hatte ich ein Management, dass mir sagte, ich würde zu viele verschiedene Dinge machen. Das würde nicht gehen und ich müsste mich festlegen. Am Tag danach habe ich dort direkt gekündigt. Ich will alles machen. Singen, Tanzen, Steppen, Fußballspielen oder Filmsynchronisieren. Ich will mich nicht in eine Schublade stecken lassen. In Italien haben wir Rosario Fiorello, der genau das alles macht und auch nicht in Schubladen denkt. Peter Alexander musste sich auch nicht entscheiden. Er hat sich ausgetobt und das gemacht, was im gefiel. Die Menschen erreichst du, wenn sie dir glauben.

Das magische Wort in der Öffentlichkeitswirksamkeit heißt immer „Authentizität“.
Damit ist es auf den Punkt gebracht. „Ciao!“ ist ein Album mit großen deutschsprachigen Hits auf Italienisch. Ich bin Italo-Schwabe. In Deutschland geboren und stolz auf Italien und auf meine Eltern, die aus dem Nichts alles aufgebaut haben. Mein Papa hat anfangs in einer Garage gewohnt und meine Mama im Keller ihrer Firma. Die Reise, die sie hatten, ist viel größer als meine. Ich hatte von Anfang an ein wunderbares Backup und gewisse Werkzeuge, die meine Eltern nicht hatten. Die Menschen haben mir geglaubt, dass ich Italien und Deutschland verkörpern kann und für beide Länder stehe. Ich versuche mir das Beste aus den beiden Kulturen zu nehmen und meine Kinder genau so zu erziehen. 

Was sind denn für dich die besten Eigenschaften beider Kulturen?
An Deutschland gefällt mir die Offenheit sehr gut. Man versucht damit, Menschen und verschiedene Kulturen zu integrieren. Ich erinnere mich an die Fußball-WM 2006. Da war jeder überall willkommen. Man hilft einander, ist miteinander und füreinander da. Fleiß und Beharrlichkeit werden belohnt, die Deutschen sind zuverlässig. Aus Italien habe ich meinen Sinn für die Familie übernommen. Ich sage nicht, dass die Deutschen ihre Familie nicht lieben, aber wir Italiener trauen uns, sie stärker zu zelebrieren. Mama ist die Größte. Wenn sie mir heute noch, mit 43, etwas sagt, dann halte ich meinen Mund. Wir sind immer höflich zueinander, begegnen uns mit Respekt und unterhalten uns über alles. Das haben meine Kinder wunderbar übernommen, sie sind zwei Goldstücke. Diese beiden Länder haben viel Tolles und wenn ich sehe, wie sich da meine zwei Kinder daraus zusammenbauen, dann ist das einfach wunderbar.

Familie definierst du nicht nur biologisch. Dein „Ciao!“-Gastsänger Pietro Lombardi ist für dich so etwas wie ein kleiner Bruder. Was macht Familie für dich aus?
Pietro ist für mich wirklich wie ein kleiner Bruder. Es gibt’s nichts, was ich für meinen Bruder Stefano tun würde und für Pietro nicht und vice versa. Auch wenn wir uns mal drei Monate nicht hören oder er etwas tut, was ich so nicht tun würde, kann er sich immer bei mir melden. Er brauchte mich nach seiner Trennung in einer Zeit, als er am Boden war und ich war ohne Wenn und Aber dazu bereit, für ihn da zu sein. Umgekehrt war es genauso. Familie definiere ich nicht über Blut, sondern über Gefühl. Familie ist Zusammenhalt, Vertrauen, Loyalität und Wärme. Es geht um gemeinsame Interessen und vor allem um Ideale und Werte. Das ist das Allerwichtigste. Für meine besten Freunde, die für mich eine Familie sind, würde ich alles tun, um sie zu unterstützen. Ich bin jemand, der die Schwäche hat, den Geburtstag anderer lieber zu feiern als den eigenen. Ich schenke unheimlich gerne und kann es kaum abwarten, für jemanden etwas vorzubereiten, mit dem er nicht rechnet. Mich macht es glücklich, wenn andere Menschen glücklich sind.

(Bild: Andreas Graf)

Ist die Bodenhaftung, die du von deinen Eltern aus miterlebt hast heute noch wichtig, um bei beruflichem Gegenwind im Entertainment einen Anker und Halt zu verspüren?
Genau so ist es. Alles, was in meiner Arbeitswelt passiert, wird jeden Tag medial begleitet. Es ist interessant und widersprüchlich. Teilweise aggressiv und nicht richtig. Das, was ich zu Hause habe, das ist echt. Wenn daheim das Garagentor zu meiner Einfahrt zugeht, ist mir das da draußen alles egal. Wenn ich es schaffe, für meine Frau der beste Ehemann, für meine Eltern ein sehr guter Sohn und für meine Kinder ein großartiger Vater zu sein, ist es mir egal, ob Alben floppen, eine Show nicht gut läuft oder eine Fernsehsendung nicht funktioniert. Als ich noch keine Kinder hatte, konnte ich mit Misserfolg nicht umgehen und fühlte mich immer persönlich angegriffen. Heute weiß ich, dass es ein Teil des Spiels ist. Man muss die Dinge eben aufbauschen, aber daheim hatte ich immer meinen Anker. Ein Problem habe ich nur, wenn daheim etwas schiefläuft. Wenn die Quote nicht passt oder sich das Mikrofon nicht einschaltet, dann ist das nur eine kleine Sache. Ich nehme den letzten Flieger bevor ich zu einem Job muss und den ersten zurück, weil ich so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie verbringen will. 

Ist es aber nicht auch schwierig, den Erfolg richtig einzuordnen? Etwa ein Nummer-eins-Album wie „Ciao!“ nicht mit zu viel Euphorie zu betrachten, sondern den Ball auch mal flach zu halten?
Man darf sich schon erlauben, Erfolge zu feiern, aber in der Corona-Zeit finde ich das prinzipiell schwer. Wenn Leute Mitmenschen und ihre Jobs verlieren oder insolvent gehen, finde ich es falsch, wie ein Gockel rumzulaufen und über ein Nummer-eins-Album zu jubeln. Man freut sich leise und darf sich bedanken. Das ist schon richtig so. Die Familie darf sehen, dass sie dafür mitverantwortlich ist, dass es gut läuft. Man darf sich von einer Familie nicht immer nur Liebe erwarten, man muss sie auch geben.

Unlängst haben die No Angels zu ihrem 20-Jahre-Jubiläum ein großes Comeback verkündet. Wäre das mit Bro*sis über kurz oder lang nicht auch einmal möglich?
Es wird definitiv kein Bro*Sis-Comeback geben. Das kann ich klar sagen. Ein Comeback heißt, wieder zusammenzukommen um wieder Musik zu machen. Das wäre wie ein Liebescomeback - wann es noch einmal wissen. Ein Jubiläum würdig zu feiern ist etwas anderes. Das könnte ich mir wiederum gut vorstellen. Vielleicht auch erst zum 50-Jährigen. Vielleicht eine große Show oder eine Jubiläumstournee - warum nicht? Ein richtiges Comeback mit vielen Terminen wird es aber nicht geben. Es gibt keinen bösen Grund dafür, aber man muss das Gefühl so lassen, wie es damals war. Ich bin so dankbar, dass wir das alles erlebt haben - auch die schweren Tage - und dass wir zwei hier heute sitzen und darüber reden können und ich selbst gerade so viel Erfolg habe. Das hat alles mit Bro*sis zu tun. Ich habe mit jedem von Bro*Sis ein tolles Verhältnis. Wir sind immer noch im Austausch.

Bist du harmoniebedürftig? Darf es bei dir nach Trennungen ganz allgemein kein böses Blut geben?
Ich konnte mich schon immer nur schlecht von Dingen trennen. Das war schon in der Schule so oder nach Beziehungen. Ich ertrage es nicht, wenn etwas schlecht auseinandergeht. Das ist bei mir in der Familie und auch im Berufsteam so. Das Team Zarrella ist nett. Man kann die Dinge, die einem wichtig sind verlangen und auf den Punkt kommen, ohne Missstimmung zu verbreiten. Ich will nie, dass wir fordernd oder zu laut sind. Selbst wenn man mal im Unrecht ist, kann man einen Konsens finden. Wir sind nur einen Hauch auf diesem Planeten. Wenn wir Glück haben, 80 oder 90 Jahre. Da darf man sich selbst nicht zu ernst nehmen und muss versuchen, die Zeit positiv zu nutzen. Man sollte gute Erlebnisse sammeln und nicht zu verbissen sein. So kann man irgendwann einmal mit einem Lächeln gehen.

(Bild: Andreas Graf)

Wünscht sich ein Giovanni Zarrella Italien oder Deutschland als Europameister?
Diese EM ist die wichtigste aller Zeiten. Für uns alle ist sie der Aufbruch aus der Pandemie. Erstmals spielen Teams wieder vor 15.000 oder mehr Fans. Es ist keine selbstverständliche EM, ganz im Gegenteil. Sie wird gespielt, es darf Publikum geben, es darf Autokorsos geben und wir dürfen jubeln. Ich bin überzeugt davon, dass jeder Tag besser wird. Ich halte zu Italien. Ich freue mich, wenn Italien Europameister wird und wenn nicht, soll sie Deutschland gewinnen. Wenn die beiden gegeneinander spielen bin ich immer zu 51 Prozent für Italien und zu 49 Prozent für Deutschland. Ich weiß aber, dass dann zumindest eine Mannschaft weiterkommt, die ich liebe. Ich bin übrigens wirklich überzeugt davon, dass Österreich Gruppensieger wird. Vor den Holländern noch. Ich sage nicht, dass ihr in die Top-4 kommt, aber ein Viertelfinale ist drinnen. Und wenn man erst einmal so weit ist, ist absolut alles möglich. Das ist Fußball. Er ist nicht berechenbar und deshalb ist er die schönste Nebensache der Welt.

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